Balance zwischen Modernität und Bodenständigkeit

Datum: 21. März 2024

Über 150 Jahre hat das Unternehmen auf dem Buckel – oder sagen wir’s weniger salopp: Man schrieb das Jahr 1873, als sich im Werdener Havelland mehrere landwirtschaftliche Betriebe zusammentaten, um die Früchte ihrer Arbeit gemeinschaftlich zu ernten, zu verarbeiten und zu vermarkten. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, handelte es sich doch um Obstbauern, die ihre Ernte kooperativ zu Fruchtsäften veredelten und auf den heimischen Märkten verkauften. Nach einer wechselvollen Geschichte befindet sich das Unternehmen seit 1992 wieder in Familienhand, wobei die Inhaber bei allem Engagement für das Wohl und Wehe der Firma die Führung des operativen Geschäfts zwei erfahrenen Managern überlassen. Einer davon ist Stefan Schult, mit dem wir über die Unternehmensstrategie in einem wettbewerbsintensiven Umfeld sprachen.

„In den Anfängen des Unternehmens war an Ketchup-Feinkost noch gar nicht zu denken“, erzählt Stefan Schult (Foto), der u.a. für den Vertrieb zuständig ist. „Das kam erst zu DDR-Zeiten: Wir produzieren Ketchup seit 1958, und die jetzige ikonische Werder-Facettenflasche gibt es seit den 90er Jahren.“ Neben der einzigartigen Form verfügt die Flasche über „ein weiteres Alleinstellungsmerkmal“, wie er sagt: Die Produkte werden heute ausschließlich in Glasflaschen abgefüllt. Die Kunststoff-Gebinde, die bis vor drei Jahren genutzt wurden, hat man gänzlich aus der Produktion verbannt. Und das nicht nur aus Gründen des Umweltschutzes: Glas ist inert, geht also keine Wechselwirkung mit dem Inhalt ein. Außerdem kann es unendlich oft eingeschmolzen und wiederverwendet werden. „Es ist einfach die bessere Verpackung, und die Verbraucher honorieren den Einsatz umweltschonender Materialien“, so der Manager.

Die klassische Produktrange für den Lebensmitteleinzelhandel gliedert sich in drei Kategorien:

  • Ketchup mit elf Artikeln, deren Geschmacksrichtungen sich stark am Markt orientieren; dazu gehören auch zwei Bio-Artikel und eine zuckerfreie Variante
  • Schlemmersaucen mit elf Artikeln in unterschiedlichen Variationen: dazu zählen drei etwas exotische Innovationen, die 2023 eingeführt wurden und den etwas jüngeren Ernährungstrends folgen: Tomate/Minze, Kichererbse/Limette und Rote Bete/Feta
  • Saucen mit fünf Artikeln (von Paprika bis Veggie Bolognese).

Insgesamt verlassen jedes Jahr rund 23 Millionen Flaschen Ketchup und Saucen das Band.

Hinzu kommt das Getränke-Angebot, bestehend aus Fruchtweinen, Cider, Fruchtglühweinen, etc.

Darüber hinaus gibt es noch die Eimerware für das Food Service-Sortiment, also für Großverbraucher wie Restaurants, Imbisse, Systemgastronomie, Gemeinschaftsverpflegung, Fachgroßhändler und weitere Kunden.

Haupt-Absatzgebiet ist Ostdeutschland, wo Werder Feinkost laut Stefan Schult mit 32 Prozent Marktanteil der unangefochtene Platzhirsch ist. Man habe aber auch in den alten Bundesländern gut Fuß gefasst, „was nicht jeder Lebensmittelproduzent aus Ostdeutschland geschafft hat. Das war und ist eine Herkulesarbeit in dem wettbewerbsintensiven Markt“, ergänzt er. Die gewichtete Distribution liege bundesweit bei 50 Prozent, die Brandenburger Produkte sind also in der Hälfte aller deutschen Lebensmittelgeschäfte vertreten. „Das zeigt, dass wir einen guten Weg gegangen sind, sagt aber auch, dass wir noch Potenzial haben“. so Schult. Vor allem südlich der Mainlinie, also in Baden-Württemberg und Bayern, warte noch ein Stück Arbeit auf den Außendienst.

Im Wettbewerbsvergleich verfügt Werder Feinkost über ein eigenständiges Profil. Konkret: Die Ketchups haben weniger Zucker und sind „puristisch tomatiger“, wie es heißt. Um dieses Merkmal gegenüber den Verbrauchern gewissermaßen zu plakatieren, hat das Unternehmen 2023 einen Markenrelaunch angeschoben. Hintergrund war die Frage, wie man die Marke noch moderner gestalten kann, um in neuen Absatzgebieten Fuß zu fassen und mit der Marktentwicklung Schritt zu halten. Mit Blick auf den Konsumenten ging es darum, ihn nicht mit einem zu starken optischen Eingriff vor den Kopf zu stoßen und andererseits die Markenwertigkeit ein Stück zu heben und in neuen Absatzregionen, wo das Unternehmen nicht so bekannt ist, als eine moderne und wertige Marke aufzutreten. „Diese Balance ist uns gut gelungen“, freut sich der Geschäftsführer. „Das haben wir durch Marktforschung geprüft.“

Die Essenz des Relaunch liegt in einer einheitlicheren Optik, wodurch die farbige Verspieltheit etwas zurückgenommen wurde. Am Beispiel Ketchup sieht das folgendermaßen aus: Jede Sorte verfügt über eine individuelle, einheitliche Farbgebung. Dieser Signalcharakter wird nicht nur über das Bauchetikett vermittelt wird, sondern auch durch die gleiche Farbe der Flaschen-Halsschleife. Dadurch wird ein stärkerer Wiedererkennungswert erzielt; auch die Tomatigkeit der Produkte wurde optisch stärker in den Vordergrund gestellt – sozusagen „tomatig plus“ als Kernbotschaft, wie Stefan Schult sagt. Das Prinzip der optischen Orientierung wird mit dem Relaunch auch auf die Flaschen der Schlemmersaucen und der klassischen Saucen übertragen.

 „Auf diese Weise haben wir ein kompakteres Erscheinungsbild unserer gesamten Produktrange erreicht“, erklärt er und weist darauf hin, dass die Halsschleifen der Flaschen außerdem einen Hinweis auf die regionale Herkunft der Produkte geben, und zwar durch die Silhouetten von Kirche und Mühle auf der Werder-Insel (vgl. Foto mit der Original-Ansicht). Zusätzlich wird die Natürlichkeit der Produkte ausgelobt: keine Zusatz-, Konservierungs- und Farbstoffe. „Dadurch haben wir für das Branding einen Dreiklang der wichtigsten Produkt-Attribute geschaffen: tomatig, natürlich, regional“, betont er.

Gleichzeitig hat sich das Unternehmen medial neu aufgestellt, etwa durch verstärkten Einsatz von Social Media und Promotions im Handel. Auf diese Weise lässt sich der Dialog mit den Verbrauchern intensivieren. Aus deren Resonanz sei deutlich zu hören, wie emotional sie mit der Region und ihren Produkten verbunden sind. „Wir spielen also die komplette Kommunikationsklaviatur einer modernen Marke und haben dabei stets unsere Kunden im Auge“, bilanziert Stefan Schult.