Braumanufaktur Forsthaus Templin
Die Braumanufaktur Forsthaus Templin zählt selbst in der mit Attraktionen reich gesegneten Stadt Potsdam zu einem begehrten Ausflugsziel für Einheimische wie Touristen. Das liegt nicht allein an dem denkmalgeschützten Gebäude, das Jörg Kirchhoff und Thomas Köhler im Jahre 2002 gekauft, stilgerecht in eine Gasthausbrauerei umgebaut und ein Jahr später eröffnet haben. Das liegt auch daran, dass die Gäste quasi in Tuchfühlung mit den Gerätschaften, die für das Brauen von Bier unerlässlich sind, speisen und trinken. Die historischen Braukessel mit Kupferhauben haben die Inhaber in Selb, der bayerischen Porzellanstadt, ab- und im Gasthaus daheim wieder aufgebaut. Regionaler, frischer und authentischer geht’s also nicht, weil die Wirtsleute ihr Bier praktisch unter den Blicken der Kundschaft brauen und kredenzen.
Die beiden in Potsdam ausgebildeten Brauer und Mälzer hatten sich nach ihrer Ausbildung in Potsdam zunächst weiterqualifiziert (Jörg Kirchhoff zum Diplom-Braumeister und Thomas Köhler zum Brauingenieur), ehe sich ihre Wege trennten und sie in unterschiedlichen Regionen ihrem Beruf nachgingen. Aus den Augen verloren hatten sie sich seinerzeit freilich nicht, so dass sie eines Tages beschlossen, ihre Leidenschaft und Profession künftig als Unternehmer weiterzuentwickeln. In den zwanzig Jahren seit Gründung des Ausflugslokals, einem der ältesten in der Region, haben sie Höhen und Tiefen erlebt. Aber sie haben – im Unterschied zu etlichen Wettbewerbern – überlebt, und zwar durch solides Wirtschaften, behutsames Wachstum und natürlich durch Ideenreichtum.
„Die Craft-Bier-Produzenten schießen wie Pilze aus dem Boden“, bekräftigt Thomas Köhler, „aber viele verschwinden wieder vom Markt. Warum? Weil es nicht reicht, ein gutes, handwerkliches Bier mit innovativen Sorten herzustellen. Das muss auch verkauft werden. Um im Bier-Markt zu überleben, muss man eine gewisse Größe erreichen. Das ist uns gelungen, weil wir unser Wachstum finanzieren konnten.“ Heute beträgt der Ausstoß ca. 8.000 Hektoliter pro Jahr (Fass- und Flaschenbier). Rund 30 Mitarbeiter einschließlich Gastronomie und fünf Auszubildende halten den Betrieb am Laufen.
„Craft-Bier ist kein Massenprodukt“, ergänzt Jörg Kirchhoff. „Die Nische versuchen wir auszufüllen. Dadurch wird jeder neue Wettbewerber oder Nachahmer Schwierigkeiten haben, uns zu verdrängen. Um in diesem Geschäft erfolgreich zu sein, braucht man einen langen Atem. Und die Vorstellung, mit hohen Preisen entsprechend hohe Umsätze zu generieren, ist ein Trugschluss, da spielt der Verbraucher nicht mit.“
Wo der Verbraucher allerdings bereits in der Aufbauphase mitgespielt hat, ist das Thema Bio. Also haben die beiden Unternehmer schon 2007 komplett auf Bio umgestellt: Alle Rohstoffe stammen aus kontrolliertem und zertifiziertem ökologischen Anbau (weitere Informationen finden sie hier). Das war ein kluger Schritt, denn es dauerte nicht lange, bis der Naturkosthandel auf sie zukam und das Getränk unbedingt regional und in Flaschen haben wollte. Also sagten die beiden Brauer der bisherigen Handarbeit (Abfüllen, Etikettieren, Laborflaschen-Waschmaschine etc.) weitgehend „ade“ und bauten eine Flaschen-Abfüll-Linie auf, deren Maschinen über die Jahre immer leistungsfähiger wurden.
In Sachen Vermarktung war das der Beginn einer Erfolgsgeschichte: Hatte man anfangs mehr oder weniger für den Eigenbedarf (Ausflugslokal) gebraut, war man jetzt geschäftlich insoweit gefestigt, als die großen Absatz-Player mit im Boot waren: Terra Naturkosthandel als Hauptabnehmer, dazu Bio Company, Alnatura und andere, also hauptsächliche regionale Bio-Einzelhändler mit Ausstrahlung nach Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Hinzu kamen konventionelle Einzelhändler wie Getränke-Hoffmann, Edeka, Rewe oder Kaufland.
„Wir vermarkten absolut regional, also im Umkreis von etwa 80 Kilometern um Berlin“, erklärt Thomas Köhler. Man habe überhaupt keine Vertriebsmannschaft, die in die Region ausschwärmt, sondern der Handel komme von sich aus auf die Braumanufaktur zu – als Folge „einer Art Mundpropaganda“. Und man verfügt über ein gewisses Alleinstellungsmerkmal, wie Jörg Kirchhoff hervorhebt: „Wir haben den Dreiklang von historischen Produkten (Potsdamer Stange, die Werdersche, die Weiße), Bio-Produkten und kompletter Regionalität (Produktion, Vermarktung)“, fasst er zusammen.
Neben der Tätigkeit als Brauer und Geschäftsmann ist Jörg Kirchhoff auch vielfältig ehrenamtlich tätig, darunter als Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Klein- und Gasthausbrauereien in Brandenburg. Hier ist auch das Projekt „Brandenburger Bierstraße“ angesiedelt, dem inzwischen 20 Mitgliedsbetriebe angehören. Ziel dieser Initiative ist, dass die heimischen Bierbrauer besser als Gemeinschaft wahrgenommen werden. Und nicht zu vergessen die Museumsbrauerei mit der ältesten Braupfanne Brandenburgs von 1834. Sie befindet sich in Paaren/Glien, direkt unter den pro agro-Büros, und ist dort von den beiden Bierbrauern eingebaut worden. Hier werden Biere nach historischen Verfahren mit alten Getreiden gebraut.