HBB-Geschäftsführer Busch-Petersen im Interview

Datum: 21. Dezember 2023

Lang gelebte Gewissheiten sind dahin, die Sorgen nehmen zu. Kriegerische Auseinandersetzungen und dümpelnde Konjunktur gehören zum Alltag und sind eine Quelle der Unsicherheit für Menschen und Märkte. Diesen stetigen (und wachsenden) Herausforderungen muss sich auch die Lebensmittelwirtschaft Brandenburgs stellen, natürlich. Zum Abschluss des Jahres 2023 sprachen wir mit Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg (Foto links), und pro agro-Geschäftsführer Kai Rückewold über das, was ist, was wird und was zu tun ist. Ein Interview.

Herr Busch-Petersen, zum Einstieg ein paar Fragen an Sie. Wie sieht die Großwetterlage im Handel aus?

Wir befinden uns in diesem Jahr in einer besonders langen Phase der Tarifauseinandersetzung. Die Gewerkschaft Verdi hat ihre Forderungen hochgereizt, wie ich es noch nicht erlebt habe. Und das in einer Situation mit einer sich überlagernden Dauerkrise des Konsumverhaltens.

Wo hakt’s denn?

An der Sturheit der Gewerkschaft und ihren maßlosen Forderungen. Kann mir einer mal sagen, wie wir eine Kostenmehrbelastung von 13 bis 15 Prozent stemmen sollen? Verdi tut ja so, als hätten wir kaum was geboten. Das Gegenteil ist der Fall: Alles in allem summiert sich unser Angebot auf eine Lohn- und Gehaltssteigerung von rund zehn Prozent. Und von Verdi gab es bisher keine Reaktion.

Was ist zur Handelsperformance 2023 zu sagen?

Wir werden Mühe haben, die realen Zahlen von 2019 zu erreichen. Also vor Corona. Die Menschen kaufen extrem preisbewusst ein und greifen in der Regel zu Preiseinstiegsprodukten oder Eigenmarken. Das schlägt natürlich auf die Handelsmarge durch. Die Lage ist also sehr angespannt.

Und was erwarten Sie für 2024?

Ich finde es erstaunlich, dass sich Krisen unterschiedlichster Art – auch solche, die nicht unbedingt vor unserer Haustür stattfinden – unmittelbar auf das Konsumklima auswirken. Und wenn ich sehe, wie beunruhigt die Menschen sind und sich voller Sorge fragen, welche Krisen uns womöglich noch bevorstehen, dann kann ich für 2024 nicht viel Optimismus für den Handel verbreiten.

Was sagt „Konsumentenbindung“ aus, wenn Verbraucher von einem Handelsformat zum anderen wandern, bloß weil es etwas preiswerter ist?

Der Handel hat den Verbraucher über Jahrzehnte dazu erzogen, den Preis zum Maßstab seines Kaufverhaltens zu machen. Wer zur Preissensibilität erzieht, kriegt preissensible Kunden. Das ist nicht wirklich Kundenbindung. Die entsteht nach meiner Erfahrung viel eher durch ein verlässliches Angebot sowie durch Wiedererkennen und persönliche Ansprache der Kunden im Markt. Das ist wichtiger als jedes Rabattheftchen.

Nun nach Brandenburg. Warum zeigt der Handel bei der Unternehmer-Initiative kaum Flagge?

Busch-Petersen: Gegenfrage, was soll eine national verbreitete Handelskette als „regional“ definieren? Darüber zerbrechen sich die zentralen Marketingabteilungen den Kopf. Anders sieht es bei regionalen Handelsunternehmen aus. Und bei selbstständigen Einzelhändlern, die sich mit einem stärker regional ausgerichteten Sortiment profilieren können und sollten. Da sehe ich noch Potenzial.

Kai Rückewold: Ich würde mir wünschen, dass sich der Handel insgesamt hier ein Stück mehr engagiert. Der Einzelhändler kann ja nicht alles allein entscheiden.

Busch-Petersen: Die Selbstständigen haben mehr Entscheidungs-Freiraum, als man denkt. Das gilt vor allem für regionale Spezialitäten. Anders sieht es beim Basis- oder Standardsortiment aus. Diese Produkte werden ihnen in der Tat von ihrer unternehmenseigenen Großhandlung bzw. Regionalgesellschaft geliefert.

Aber auch der Produzent von Lebensmitteln ist im Spiel und muss sich kümmern.

Rückewold: Völlig richtig. Unsere Brandenburger Lieferanten werden nur dann erfolgreich sein, wenn sie beim Verbraucher und auch beim Handel sichtbar und hörbar sind. Wenn sie umgekehrt nichts tun und folglich als Marke nicht oder nur kaum wahrgenommen werden, werden sie auch nicht als relevant im Regal betrachtet.

Busch-Petersen: Nur mit Appellen kommen wir nicht weiter. Das Produkt selbst muss für sich sprechen: Geschmack, Qualität, Nachhaltigkeit, artgerechte Haltung von Tieren und ähnliche Vorzüge sollten in den Vordergrund gestellt werden. Es reicht nicht der Hinweis, du musst das Produkt kaufen, weil du dadurch etwas für die Region tust. Oder anders ausgedrückt: Es geht darum zu vermitteln, was für fantastische Produkte aus der Region kommen, und nicht darum, wie fantastisch die Region ist, in der auch schöne Produkte hergestellt werden.

Sitzen Handel und Hersteller, so gesehen, nicht in einem Boot?

Rückewold: Ja. Als Partner mit den gleichen Vermarktungsinteressen sollten sie sich zusammensetzen und gemeinsam nach optimalen Lösungen suchen. Es geht dabei um Gespräche auf Augenhöhe. Ich selbst bin überzeugt davon, dass wir als pro agro den Handel noch stärker in unsere Überlegungen und Aktivitäten einbeziehen könnten, um für beide Seiten das Geschäft zu optimieren.

Herr Busch-Petersen, was wünschen Sie sich fürs nächste Jahr? Wir brauchen endlich deutlichere Signale, dass wir uns wieder in eine friedlichere Welt bewegen. Für Deutschland wünsche ich mir eine klarere politische Führung und die Verwirklichung von Programmen, die denjenigen mehr Bewegungsspielräume gibt, die für Arbeitsplätze sorgen, so dass sie sich angemessen entfalten und entsprechend agieren können – sprich: weniger Bürokratie und kürzere Genehmigungsverfahren.