„Jetzt erst recht: Gerade in der Krise regional einkaufen!“

Datum: 29. September 2022

Kein Tag, an dem die Menschen in Bandenburg und Berlin nicht mit Berichten über krisenhafte Zuspitzungen konfrontiert werden – sei es in den Medien oder im täglichen Leben. Alle sind betroffen, und jeder reagiert auf seine Weise. Aber, so haben wir uns gefragt, ist es richtig, wenn jeder nur sich selbst der Nächste ist? Muss man bei allen individuellen Nöten und Sorgen nicht auch, das Gemeinwohl im Blick behalten? Die Antwort war nicht leicht, aber eindeutig. Lesen Sie dazu den Aufruf von pro agro-Geschäftsführer Kai Rückewold, flankiert von den Statements einiger Branchenvertreter.

„Regional ist erste Wahl.“ (Foto: Melina Griffin)

Wir alle wissen nicht, wohin uns diese Krisenjahre führen werden. Die Verunsicherung ist groß, und immer wieder befinden wir uns in unterschiedlichen Rollen mit unterschiedlichen Perspektiven: Mal suchen wir bei einer Anschaffung die besten Rabatte und Konditionen, mal erwarten wir für unserer Arbeit oder produzierte Ware bessere und faire Preise. Unsere Haltung ist sehr differenziert, und je näher die Krise persönlich heranrückt, desto mehr macht sie uns zu schaffen.

Die mittelständisch geprägte Land- und Ernährungswirtschaft in Brandenburg leidet aktuell stark unter den steigenden Produktionskosten, darunter insbesondere den hohen Energiepreisen. Ob beim Landwirt der Dünger oder beim Lebensmittelhersteller der Rohstoff, ob die Logistik die steigenden Mindestlöhne – wohin man auch blickt im Kostenapparat: Die Sorgenfalten werden tiefer. Gerade für den kleinen oder großen Mittelständler der Ernährungswirtschaft ist es von geradezu existenzieller Bedeutung, mit diesen Problemlagen fertig zu werden. Was für diese übrigens deutlich schwieriger ist als für finanziell gut gepolsterte multinationale Konzerne.

In den vergangenen Jahren haben viele Mitstreiter Optimismus geschöpft aus dem – zumindest verbalen – Aufgalopp für regionale Lebensmittel. Corona förderte Umsätze bei Direktvermarktern, Hofläden und regionalen Plattformen, einige Unternehmen haben sich recht erfolgreich mit dem Aufbau hoch-volumiger Wertschöpfungsketten positionieren können. Doch egal, wo man zurzeit hinhört: Es herrscht große Skepsis, ob Regionalität in dieser Krise überleben kann.

Ist es daher ein verwegener Gedanke, dass die Branche gerade jetzt in der Krise die Verbraucher mit Nachdruck auf die Vorteile regionaler Lebensmittel hinweist? Muss die Ernährungswirtschaft Brandenburgs nicht gerade jetzt unsere Kunden darauf aufmerksam machen, dass mit der Kaufentscheidung für ein regionales Produkt Arbeitsplätze in der Region erhalten bleiben und Umsätze regionaler Unternehmen zu Steuergeldern in der Region führen? Denn der Erhalt unserer Unternehmen stützt auch den Erhalt unserer lebenswerten Region in der Krise.

pro agro Geschäftsführer Rückewold

Das vielleicht günstigere Produkt aus Übersee, von europäischen Nachbarn, aus anderen Bundesländern mag den eigenen Geldbeutel kurzfristig schonen. Doch das andernorts verdiente Geld bleibt eben nicht in unserer Region, sondern fließt weit weg in Wertschöpfungsketten, die Berlin und Brandenburg nicht mehr stützen. „Patriotisch einkaufen“ mag vor vor einigen Jahren ein wohlfeiles Lippenbekenntnis gewesen sein – heute, in der aktuellen Krisensituation, könnte es ein Verkaufsargument werden, das die Verbraucher erreicht und wachrüttelt.

Ja, ein verwegener Gedanke vielleicht. Aber ein Gedanke, der – von vielen Unternehmen gemeinsam, klar und sichtbar kommuniziert – zu einem Signal für mehr Regionalität und mehr Wertschöpfung werden kann. Ein Signal, das klar und deutlich zeigt: Wir lassen Resignation nicht gewinnen, sondern finden Antworten auf Fragen zu Entwicklungen in Deutschland, die heute niemand wirklich bis zu Ende denken kann.

Der pro-agro-Appell im Spiegel der Branche (Auswahl)

Sebastian Kühn, EWG Eberswalder Wurst GmbH: Wir sind Mittelständler, die Verantwortung übernehmen, Steuern hier bezahlen und unsere Region vielfach unterstützen. Konzerne haben in der Krise sofort politische Unterstützung und eine riesige Marktmacht. Wir kleineren Unternehmen werden meist vergessen. In diesem Sinne haben Verbraucher wirklich sehr direkten Einfluss darauf, ob wir in der Region überleben. Jedes Unternehmen aus Brandenburg, das diese Krise nicht übersteht, wird nie wieder kommen – das haben wir leider nach der Wende schon einmal erlebt.

Georg Kaiser, Bio Company: „Support your local dealer“, so steht es bei uns auf den Einkaufstaschen. Regional einzukaufen bedeutet nicht nur, die heimischen Wirtschaftskreisläufe zu unterstützen, sondern auch sich von globalen Lieferketten unabhängiger zu machen. Und auch ganz offen gesagt: „Use it or loose it!“ Der Einkauf von Kunden*innen beim regionalen Biosupermarkt BIO COMPANY ist gerade jetzt wichtig, um die regionalen Wertschöpfungsketten aus Bauern, Verarbeitern und Händlern über die Krise hinaus zu erhalten.

Hanka Mittelstädt, Ucker-Ei: Regionale Wertschöpfung leistet einen wesentlichen Beitrag zum Gemeinwohl in Brandenburg. Gerade in diesen krisenhaften Zeiten ist es enorm wichtig, die zentrale Bedeutung stabiler Wertschöpfungsketten besonders hervorzuheben – nicht nur im Interesse der Agrar- und Ernährungswirtschaft, sondern auch der Verbraucher. In diesem Sinne soll unsere Ucker-Ei Marketing-Kampagne „Alles eine Frage der Haltung – Regionalität wirkt“ ein Anstoß sein, sich beim Einkauf in den Supermärkten bewusst für regionale Produkte zu entscheiden.

Marcus Reh, EDEKA: Wir führen derzeit Produkte von fast 500 Lieferanten aus der Region. Sie belegen die Verbundenheit und die enge Partnerschaft zu heimischen Landwirten und Herstellern. Die regionale Ausrichtung ist in unserer Struktur verankert: Die EDEKA Minden-Hannover ist genossenschaftlich organisiert und wird von selbstständigen Kaufleuten getragen, die fest in ihrer Gemeinde verwurzelt sind. Sie entscheiden eigenständig über die Sortimentsgestaltung ihrer Märkte und bieten zahlreiche Produkte aus der Umgebung an. Und auch wenn es aktuell viele zusätzliche Herausforderungen gibt, wird das so bleiben!

Tobias Exner, Bäckerei Exner: Regional! Wenn nicht jetzt, wann dann? Schon lange setzen wir auf die Verlässlichkeit unserer Partner und die regionale Wertschöpfung sowie das Prädikat der regionalen Herkunft. Wenn die Welt aus den Fugen gerät, stehen dir deine Familie, deine Freunde und deine Nachbarn am nächsten und geben dir Sicherheit und Zuversicht. Diejenigen, die uns als Kunden und als Dienstleister kennen und schätzen gelernt haben, stehen jetzt an unserer Seite – so wie wir das umgekehrt auch tun. Gemeinsam sind wir stark!

„Jetzt erst recht: Gerade in der Krise regional einkaufen!“ Wie denken Sie darüber? Ihre Meinung interessiert uns. Bitte schicken Sie eine E-Mail mit Ihrem Kommentar an maeurer@proagro.de.