Weinanbau in Brandenburg: Gewerbe mit Zukunft – aber keine Massenkultur
Datum: 19. September 2024
Weinanbau in Brandenburg? Klingt für unsere Breitengrade ein bisschen exotisch. Ist es aber nicht, wenn man vom Vergleich mit den traditionellen Anbaugebieten Deutschlands und deren Produktionsmengen absieht. „Klein, aber oho“, das kommt der Wirklichkeit schon näher – jedenfalls in Sachen Qualität. Und nicht nur das. Richtig spannend kann nämlich die Entwicklung in Zukunft werden, wie uns Matthias Jahnke erzählt: „Durch den Klimawandel entwickelt sich unsere Region allmählich zu einem ernstzunehmenden Weinbauland“, prognostiziert der Vorsitzende der Fachgruppe Weinbau im Gartenbauverband Berlin-Brandenburg. Limitierende Faktoren sieht er weniger im Wetter, vielleicht in den Böden und jedenfalls in den gesetzlichen Vorschriften. Nach unserer Analyse des Obst- und Gemüseanbaus in Brandenburg (siehe hier und hier werfen wir diesmal einen Blick auf die Weinproduktion.
Zu den Fakten: Derzeit gibt es in Brandenburg rund 50 Weinbau-Betriebe, die zum Teil in Vereinen bzw. Arbeitsgemeinschaften oder Genossenschaften organisiert sind. „Allein wären sie nicht überlebensfähig“, erklärt Jahnke, Mitinhaber des Weinguts Patke in Pillgram/Jacobsdorf (Oder-Spree). „Das darf man nicht mit den großen Weinbaugebieten in Deutschland vergleichen. Dort hat ein normaler Winzerbetrieb schon allein so große Rebflächen wie Brandenburg insgesamt. Die Rede ist hier von 45 Hektar Rebfläche (bundesweit 108.000 Hektar) mit einer durchschnittlich produzierten Menge von insgesamt 1.600 Hektoliter bzw. 90 Hektoliter pro Hektar Anbaufläche und Jahr.
Die 90 Hektoliter pro Hektar kommen nicht von ungefähr. Das ist nämlich das Maximum, was ein Winzerbetrieb derzeit pro Jahr produzieren darf. So steht es jedenfalls in der „Verordnung zur Durchführung des Weinrechts im Land Brandenburg“. Das hängt zusammen mit der politisch gewollten Agrarstruktur in der Region und natürlich mit der gewünschten Weinqualität. Dessen ungeachtet fallen die Erträge in Menge und Qualität von Jahr zu Jahr unterschiedlich aus – schon allein wegen der Wetterkapriolen. Für das Jahr 2023 stellt sich das folgendermaßen dar: Die produzierte Weinmenge lag im Schnitt zwischen 60 und 90 Hektoliter pro Hektar, wobei die Traubenqualität infolge des günstigen Wetters sehr gut war.
Wie die Mengen-Resultate im laufenden Jahr aussehen werden, kann man heute, mitten in der Weinlese, noch nicht verlässlich sagen. Da muss nur ein Hagelschlag kommen, der alle Prognosen zunichte macht. „Eine einigermaßen sichere Aussage über Mengen und Qualitäten lässt sich frühestens ab Anfang Oktober machen“, so Jahnke. „Wir erwarten aber eine sehr gute Trauben- und Mostqualität, da wir in unseren Breitengraden eine relativ hohe Sonnenstunden-Zahl haben und unsere Weine durch die vergleichsweise kühlen Nächte eine gute und stabile Säure aufweisen.“
Eine Vorreiterrolle in Deutschland spielen die Brandenburger Winzer bei der Bepflanzung mit pilzwiderstandsfähigen Rebstöcken: Auf mehr als der Hälfte der Weinanbauflächen werden die „Piwi“-Sorten eingesetzt, was gut für die Umwelt und die Portemonnaies der Winzer ist. Und das sind die Vorteile: rund 70 Prozent weniger Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, geringere Bodenverdichtung durch weniger Schlepper-Fahrten, weniger Dieselverbrauch und weniger Personalaufwand. Dies alles führt zu einer spürbaren Verringerung der gesellschaftlichen und persönlichen Kosten.
Vermarktet werden die Weine hauptsächlich in Brandenburg und Berlin, und zwar im Wege der Direktvermarktung, das heißt insbesondere über Hofläden an heimische Kunden oder Touristen und an regionale Gastronomen. Wieso nicht über den Lebensmitteleinzelhandel? „Hier haben wir keine guten Erfahrungen gemacht“, sagt der Winzer und Branchenvertreter und begründet kurz und knapp: „Der Preisdruck ist zu hoch, und die nationalen wie internationalen Weinbaubetriebe sind zu mächtig.“
Da die meisten heimischen Winzer die Kosten für Werbung und andere individuelle Marketing-Maßnahmen scheuen, sieht sich der Verband in der Pflicht, Vermarktungs-Plattformen zu schaffen, wo die Brandenburger Weine gezielt in Szene gesetzt werden können. So hat die Wein-Fachgruppe im Gartenbauverband für das kommende Jahr verschiedene verkaufsfördernde Aktivitäten geplant. Dazu zählt etwa eine Jahrgangspräsentation von Weinen in Potsdam und Cottbus sowie Ende August der im ganzen Land stattfindende „Tag des offenen Weinguts“ (ähnlich der alljährlichen „Brandenburger Landpartie“ von pro agro), wo die Winzer Gelegenheit haben, ihre Weingüter und Produkte im unmittelbaren Austausch mit den Kunden zu präsentieren. Über die konkrete Umsetzung befinde man sich mit pro agro bereits im Gespräch, heißt es.
Unabhängig von den Verkaufsförderungsmaßnahmen, die dem Absatz Brandenburger Weine einen positiven Schub verleihen können, beurteilt Jahnke die natürlichen Bedingungen für das heimische Weingewerbe positiv. Nicht nur, dass hier im deutschen Vergleich momentan die besten klimatischen Voraussetzungen herrschen, was im Übrigen „kein Hirngespinst“ von ihm sei, sondern Winzer anderer Regionen jederzeit bestätigen würden. Mehr noch: Durch den Klimawandel werde sich Brandenburg „allmählich zu einem ernstzunehmenden Weinbauland“ entwickeln. Das werde indessen nicht den Charakter einer „Massenkultur“ wie in den großen Weinbaugebieten erreichen. Drei Gründe sprechen seiner Meinung nach dagegen: „Erstens kann man das wegen der gesetzlichen Gegebenheiten nicht erwarten; zweitens sind die Lagen mit guten Böden für den Weinbau hierzulande eher begrenzt; und drittens ist der Weinbau ein äußerst investitionslastiges Gewerbe.“
Was heißt das – „investitionslastiges Gewerbe“? Das beginnt mit dem Kauf, dem Anbau und der Pflege der Pflanzen, gefolgt von der Ernte, der Verarbeitung zu Wein, der Abfüllung in Flaschen, der Etikettierung und schließlich dem Vertrieb. Die komplette Wertschöpfungskette befindet sich also praktisch im Betrieb – und damit auch die Kosten. Der Winzer bringt das auf eine kurze Formel: „In den ersten drei Jahren ist nur Arbeit und kein Ertrag.“ Diese Tatsache wiederum nimmt Matthias Jahnke zum Anlass für folgenden Appell: „Wir wünschen uns von der Politik, dass sie unserer Branche und Arbeit mehr Aufmerksamkeit schenkt; und wir hoffen, dass die Brandenburger Verbraucher die heimischen Produkte stärker wertschätzen.“