WVEB als Kompetenzzentrum und Netzwerk

Haus der Wirtschaft in Berlin: Sitz der WVEB und anderer Wirtschaftsverbände (Foto: UVB).

Die Wirtschaftsvereinigung der Ernährungsindustrie in Berlin-Brandenburg (WVEB) repräsentiert einen freiwilligen und solidarischen Zusammenschluss von Unternehmen einer der größten Branchen in der Hauptstadtregion. Die Mitglieder des Verbandes erwirtschaften mit rund 23.000 Beschäftigten mehr als sechs Milliarden Euro Umsatz pro Jahr und vernetzen zahlreiche Industriezweige – von Brauereien bis Süßwarenhersteller. Wir sprachen mit den beiden Geschäftsführern Nils Schuster und Klaus Jeske über Aufgaben und Ziele der WVEB, über die Herausforderungen des Wirtschaftens in schwierigen Zeiten und die notwendige Optimierung der politischen Rahmenbedingungen aus unternehmerischer Sicht.

Was zählt zu den grundlegenden Aufgaben der WVEB?

Schuster: Der Verband ist für seine Mitglieder das Kompetenzzentrum und Netzwerk bei der Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Wir setzen uns ein für eine starke regionale Ernährungsindustrie, damit sich die Unternehmen im globalen Wettbewerb dauerhaft behaupten können. Die WVEB ihrerseits ist Mitglied des Spitzenverbandes der regionalen Wirtschaft, der Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB). Das stärkt noch einmal unsere Stimme für wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen.

Jeske: Wir stehen für die Soziale Marktwirtschaft mit einer Politik, die Wettbewerb, Freiheit und Verantwortung stärkt. Leider geht von den aktuellen Rahmenbedingungen derzeit kein Rückenwind für Wachstum und Beschäftigung aus. Wir hoffen, dass es hier bald eine Trendwende gibt.

Klaus Jeske: Bei den Verwaltungen dauert Vieles zu lange (Foto: Annette Koroll).

Welche Marktgegebenheiten sowie Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen fordern aktuell die Ernährungswirtschaft in Berlin/Brandenburg?

Schuster: Teure Rohstoffe und hohe Energiekosten sind derzeit die größte Belastung für die Lebensmittelproduzenten. Die Lieferketten sind nach der Corona-Krise inzwischen überwiegend intakt. Unsere Unternehmen haben Beschaffungswege stärker diversifiziert und konnten damit ihre Wertschöpfungsketten resilienter aufstellen. Im Zeitalter multipler Krisen überlegen die Verbraucher sehr genau, was sie sich noch leisten wollen. In den vergangenen Wochen hat sich der private Konsum wieder etwas erholt. Offensichtlich kommen die hohen Tarifabschlüsse allmählich im System an.

Jeske: Ein weiteres großes Thema ist der Fachkräftemangel. Einige unserer Mitglieder kooperieren mit Schulen oder Oberstufenzentren. Wir als WVEB fördern diese Bindung an die Schulen, indem wir mit den Initiativen „Partner Schule Wirtschaft Berlin-Brandenburg“ und „netzwerk zukunft“ im Land Brandenburg eng zusammenarbeiten und den Firmen zeigen, welche Möglichkeiten unser Netzwerk in diesem Bereich bietet.

Schuster: Eine Herausforderung wird auch das neue EU-Lieferkettengesetz sein. Wir wissen, dass viele unserer Betriebe langjährige und solide Geschäftsbeziehungen ins Ausland haben und diese sehr pflegen. Damit diese Partnerschaften nicht gefährdet werden, muss die Umsetzung der EU-Richtline so schlank wie möglich geschehen, um die Unternehmen nicht zu überfordern.

Welche Rahmenbedingungen benötigt die regionale Ernährungswirtschaft, um sich im Wettbewerb behaupten zu können?

Jeske: Ganz oben stehen für uns die drei Wahlen, zu der Brandenburg in diesem Jahr aufgerufen ist. Mit Blick auf die Landtagswahl hat sich unser Dachverband UVB klar positioniert: Unsere Branche braucht genügend Gewerbeflächen, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren und einen Investitionsturbo für die wirtschaftsrelevante Infrastruktur – von Glasfaser bis Energiespeicher. Die Region Berlin-Brandenburg ist ein attraktiver Standort, von der breit gefächerten Wissenschaftslandschaft kann die Ernährungsindustrie profitieren. Aber bei den Verwaltungen dauert Vieles zu lange. Dass es auch schneller gehen kann, hat das Projekt Tesla ja bewiesen.

Schuster: Mit großer Sorge beobachten wir, dass das Wohnungsangebot in Berlin und im Umland, etwa in Potsdam, immer knapper wird. Finden Arbeitnehmer hier keine Wohnungen für sich und ihre Familien, führt das, neben der demografischen Entwicklung, zu einer weiteren Verschärfung des Fachkräftemangels. Hier müssen Berlin und Brandenburg gegensteuern.

Nils Schuster: Neues Lieferkettengesetz als Herausforderung (Foto: Annette Koroll).

Welchen besonderen Herausforderungen müssen sich die Unternehmen jetzt und in Zukunft stellen?

Jeske: Digitalisierung, Klima und Nachhaltigkeit sind für unsere Mitglieder wichtige Themen. In Sachen Nachhaltigkeit gibt es zwei Push-Faktoren: Einerseits verlangen die Verbraucher von den Unternehmen gute, innovative Produkte, die umweltschonend hergestellt werden. Und andererseits wollen die Betriebe durch mehr Nachhaltigkeit effizienter werden, indem sie etwa Abwärme besser nutzen, Reststoffe weiter verwerten, ressourcenschonende Produktionsverfahren weiterentwickeln, Prozesse digitalisieren und energieeffizienter arbeiten. Eine umfassende Transformation braucht aber Zeit – schon wegen der Umstellung auf neue Technologien. Hier ist noch Entwicklungsarbeit nötig.

Schuster: In der Ernährungsbranche sind zudem Vertrieb und Logistik immer ein Thema, unabhängig vom Konjunkturzyklus. Im Bereich umweltfreundliche Verpackungen und Prozessinnovationen gibt es große Fortschritte und neue Technologien. Last but not least spielen bei unseren Mitgliedern Qualitäts- und Arbeitssicherheit eine große Rolle. Entsprechend streng und umfangreich sind die rechtlichen Vorgaben. Kontrollmechanismen wie Audits und Zertifizierungsmethoden sorgen zusätzlich für mehr Sicherheit.

Was ist Ihnen bzw. dem Verband darüber hinaus wichtig?

Jeske: Die Öffentlichkeit muss verstehen, dass die Industrie die größten Herausforderungen seit Jahrzehnten bewältigen muss. Unsicherheit, Standortbedingungen, Marktentwicklung – unsere Mitgliedsbetriebe befinden sich in einer Bewährungsprobe. Das hat noch nicht jeder in Politik und Gesellschaft verstanden.

Schuster: Das diskutieren wir intensiv in unseren Gremien. In den Unternehmen gibt es einen hohen Informationsbedarf. Das gilt auch für den Bereich Sozialpolitik, hier stimmen wir uns mit der bundesweit aktiven Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss eng ab. Besonders hervorheben will ich die Einbindung der WVEB in die Industry Innovators Group der UVB. Hier tauschen sich Unternehmen im digitalen Wandel aus – über die Zusammenarbeit mit Start-ups, über Künstliche Intelligenz oder über Cybersecurity.