„Wir dürfen die Hände nicht in den Schoß legen!“
In den ersten beiden Folgen über die umfangreiche Studie zu den Vermarktungspotentialen von Regionalprodukten aus Brandenburg haben wir zunächst über die Umfrageergebnisse zum Konsumverhalten während und nach der gegenwärtigen Krisensituation sowie über Produktpräferenzen und Preisbereitschaft der Verbraucher berichtet. In einem weiteren Beitrag haben wir die in der Studie analysierten Kernzielgruppen für den Einkauf regionaler Produkte und die daraus abzuleitende Kundenansprache vorgestellt. Heute geht es um die Schlussfolgerungen für die Branche und die Verbandsarbeit von pro agro. Darüber sprachen wir mit pro agro-Geschäftsführer Kai Rückewold sowie der Fachbereichsleiterin Agrar- und Ernährungswirtschaft, Kristin Mäurer.
Wie bewerten Sie die Studienergebnisse?
Rückewold: Sehr positiv, da sie bestätigen, dass wir mit unserer Arbeit auf dem richtigen Weg sind. Dabei denke ich an unsere Vernetzungstätigkeit sowie die vielen Maßnahmen und Aktionen zur Imagepositionierung von Lebensmittel-Produkten aus Brandenburg bei den Verbrauchern und beim Handel. Je mehr Produkte den Weg zu den Konsumenten finden, desto besser für die Region: Das schafft nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch Arbeitsplätze und Einkommen für die Menschen sowie Steuereinnahmen für die Körperschaften.
Mäurer: Andererseits liefert uns die Studie Anhaltspunkte, wo wir noch eine Schippe drauflegen müssen. Gerade der beschriebene Zusammenhang von Versorgungssicherheit und strukturellen Verbesserungen im Land ist nicht allen Menschen klar. Hier müssen wir zusätzliche Informations- und Kommunikationsarbeit leisten.
Wo sollte man konkret noch eine Schippe drauflegen?
Rückewold: Zum Beispiel bei der Unternehmerinitiative „Regionale Lebensmittel kaufen – jetzt erst recht!“, die wir als pro agro koordinieren. Sie trifft auf großes Interesse bei der Bevölkerung bzw. bei den Verbrauchern. Ein Grund dafür ist sicherlich die Tatsache, dass die Initiatoren in Wort und Bild präsent sind – UnternehmerInnen zum Anfassen sozusagen. Das schafft Nähe und Gemeinschaftsgefühl.
Mäurer: Alle Beteiligten haben in diese Kampagne viel Zeit und Geld gesteckt: die Unternehmen, das Land und pro agro. Jetzt muss die Devise lauten: Wir machen weiter und hören nicht einfach auf; wir nutzen die bereits vorhandene Aufmerksamkeit und setzen die erfolgreiche Maßnahme fort.
Rückewold: Mit den Mitteln, die das Brandenburger Landwirtschaftsministerium für die Unternehmerkampagne zur Verfügung gestellt hat, konnten wir während der Grünen Woche 2023 und danach gut operieren. Aber: Wir brauchen eine Verstetigung des Mittelzuflusses, um nicht nur punktuelle Maßnahmen umzusetzen, sondern kommunikativ permanent am Ball zu bleiben, nicht nur für einige Monate.
Hat da nicht auch die EU ein Wörtchen mitzureden?
Rückewold: Zumindest wacht sie darüber, dass bei der Ausschüttung von Fördergeldern kein Land gegenüber einem anderen bessergestellt wird. Das muss die Politik natürlich im Auge behalten.
Aber abgesehen davon brauchen wir Nachhaltigkeit in der Kommunikation und damit Nachhaltigkeit in der finanziellen Unterstützung durch den Staat. Das ist kein Selbstläufer, das wissen wir, aber es ist eine Investition in die Zukunft.
Was verstehen Sie unter Nachhaltigkeit in der Kommunikation?
Mäurer: In Brandenburg sollten sich Branchenvertreter, die Landesregierung und pro agro regelmäßig zusammensetzen und darüber diskutieren, welche branchenrelevanten Maßnahmen in welchem Zeitraum mit welchem Budget ergriffen werden sollten. Damit ließe sich ein Zeichen setzen, dass wir gemeinsam daran arbeiten, die Lebensmittel-Versorgung sicherzustellen und die regionale Wertschöpfung zu steigern.
Mit welchen Herausforderungen sind Sie dabei inhaltlich konfrontiert?
Rückewold: Die Ernährungswirtschaft repräsentiert zusammen mit der Landwirtschaft den größten Wirtschaftszweig des Landes. Das klingt erst mal gut. Was die Sache aber kompliziert macht, sind die strukturellen Unterschiede, denn hier geht es nicht nur um relativ große Unternehmen mit mehreren hundert Mitarbeitern, sondern auch um den Ein-Personen-Betrieb. Man denke nur an die ländliche Direktvermarktung. Wir müssen also die von uns initiierten Marketingmaßnahmen diesen Größenunterschieden jeweils individuell anpassen.
Mäurer: Auch die Kontakte mit dem Lebensmittelhandel müssen verdichtet werden, indem wir mit ihm gemeinsam nach Lösungen suchen, wie regionale Produkte auf der Fläche bzw. in den Regalen so platziert werden, dass sie für den Verbraucher besser wahrnehmbar und sichtbar sind.
Da der Handel aber nur solche Sortimente und Produkte in seinen Läden anbietet, die der Verbraucher auch haben will, müssen wir unsere Maßnahmen darauf konzentrieren, Druck von unten – also beim Konsumenten – zu erzeugen. Dort müssen wir unsere Kommunikations-Power investieren. Und Geld natürlich auch.
Was heißt das für die künftige Verbandsarbeit?
Rückewold: pro agro hat in den 30 Jahren seines Bestehens viel auf die Beine gestellt und in Bewegung gesetzt, ein dichtes Netzwerk geschaffen und eine beachtliche Manpower mit 16 Mitarbeitern geschaffen. Das gilt es konsequent zu nutzen und weiter auszubauen. Gerade in den aktuellen Zeiten dürfen wir die Hände nicht in den Schoß legen, sondern müssen gemeinsam mit der Branche an der Zukunft arbeiten.
Zur Studie
Die im November und Dezember 2022 erarbeitete Studie mit dem Titel „Vermarktungspotentiale heben für Regionalprodukte aus Brandenburg“ basiert auf einer Online-Befragung von 2.000 Personen in ganz Deutschland, davon je 400 aus Berlin und Brandenburg. Über 300 Einzelergebnisse sind in der repräsentativen Gesamtstudie ausgewertet und zusammengefasst worden, und zwar jeweils nach Wohnregion und Zielgruppenzugehörigkeit der Befragten. Kaufmotivation, Kaufbereitschaft und -verhalten wurden ebenso unter die wissenschaftliche Lupe genommen wie Fragen der Erreichbarkeit und der Kommunikation. Die Studie wurde aus Mitteln des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes sowie des Brandenburger Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) gefördert. Eine PDF-Kurzfassung der Studie kann bei folgender Mail-Adresse angefordert werden: maeurer@proagro.de