Diesmal war der Unternehmerstammtisch ein ganz besonderes Ereignis, da Hanka Mittelstädt mit am Tisch saß – aber nicht, wie in den Vorjahren, als pro agro-Vorsitzende, sondern als frisch gekürte Brandenburger Landwirtschaftsministerin. Das gab der versammelten Unternehmerschaft der Ernährungswirtschaft die Gelegenheit, die Themen und Sorgen der Branche ungeschminkt (aber verbindlich im Ton, man kennt sich schließlich persönlich) vorzubringen. Die Ministerin ihrerseits versprach, sich für die Belange der Unternehmen einzusetzen und sich dort für Lösungen stark zu machen, soweit ihr Amt das zulässt. Hier die wichtigsten Punkte des Treffens.
Der Konferenzraum in der Brandenburghalle 21a platzte am späten Nachmittag des 20. Januar 2025 aus allen Nähten. Zahlreiche Branchenunternehmen nutzten die Gelegenheit, mit Hanka Mittelstädt in ihrem neuen Amt als Ministerin ins Gespräch zu kommen. Sie war ja nicht, wie früher, als „Botschafterin“ der heimischen Branche gegenüber der Politik zugegen, sondern als Teil der Politik selbst und somit als Adressatin der unternehmerischen Praxis. Moderiert wurde das Treffen von Dorothee Berger, ihrer Nachfolgerin als pro agro-Vorstandsvorsitzende, und pro agro-Fachbereichsleiterin Kristin Mäurer.
Die Themen des von den Unternehmen nahezu einhellig vorgetragenen Sorgenkatalogs kreisten im Wesentlichen um die im pro agro-Branchenbarometer zum Jahreswechsel ermittelten kritischen Punkte (siehe unseren Bericht in der Rubrik „Branche“). Davon sind im Grunde sämtliche Unternehmen, manche von ihnen jedoch besonders hart betroffen. Um nur drei wichtige unter etlichen Punkten hervorzuheben:
- Ausufernde Bürokratie: Nicht selten müssen Unternehmen Extra-Personal für die Bearbeitung gesetzlicher Vorschriften und administrativer Auflagen einstellen. Zusätzlich wurde das ebenso gängige wie einprägsame Bild bemüht, der Landwirt sitze wegen des immensen bürokratischen Aufwands mehr am Schreibtisch als auf dem Traktor. „Die Menge an Dokumentations- und Nachweispflichten ist erdrückend“, fasste Frank Matheus (Agrargenossenschaft Neuzelle) zusammen.
- Steigende Mindestlöhne: Gerade für landwirtschaftliche Betriebe mit personalintensivem Ernteeinsatz sei das „ein großer Schrecken“, so Willi Stollenwerk (Spreewald Feldmann); auf diese Weise „greift die Politik direkt in unsere Unternehmen ein – das ist Planwirtschaft“, sekundierte Lothar Parnitzke (Kunella Feinkost).
- Hohe Energiekosten: Darunter leiden vor allem Betriebe mit enorm hohem Energiebedarf wie etwa Obstbauern mit Gewächshäusern. Da sei es schwierig bis unmöglich, kostendeckend zu arbeiten, sagte Gerrit van Schoonhoven (Werder Frucht).

Das von Mirko Pabel (Dithmarscher Geflügel) gezogene Fazit wirft ein bezeichnendes Licht auf die negative Grundstimmung innerhalb der Unternehmerschaft: „Wir wünschen uns eine Politik auf Augenhöhe“, sagte er und gab damit zum Ausdruck, dass sich die Wirtschaft nicht verstanden oder sogar nicht ernstgenommen fühlt. Diese und weitere Probleme „müssen unbedingt gelöst werden, sonst macht das der Markt“. ergänzte Ernst-August Winkelmann (Spargelhof Klaistow) und beschwor damit die Gefahr von Firmenpleiten. Oder, wie Tino Ryll (Fläminger Genussland) mit Blick auf die Direktvermarkter warnte, „man wird von Großbetrieben übernommen, die keinen Bezug zu unserer Region haben“.
Jenseits dieser und weiterer Herausforderungen, mit denen die Unternehmen zu kämpfen haben, regte Rainer Kempkes (Golßener Lebensmittel) weitere gemeinsame Treffen und Aktivitäten an, um das Bewusstsein für Regionalität bei den Verbrauchern zu stärken. „Wir müssen das Thema Regionalität gemeinsam leben“, ermunterte er die heimische Ernährungswirtschaft.
In ihrer Entgegnung wies Ministerin Mittelstädt darauf hin, dass die neue Regierung bereits die ersten Pflöcke eingeschlagen hat. Beispielhaft nannte sie die Integration des Begriffs „Ernährungswirtschaft“ in den Namen ihres Ministeriums – ein deutliches Signal für die Aufwertung der Branche in Brandenburg. Gleichzeitig wird damit unterstrichen, dass die Land- und Ernährungswirtschaft als Teil einer gemeinsamen Wertschöpfungskette gesehen wird. Überdies hat die Landesregierung vor, die interministerielle Kooperation zur Vermeidung von Doppelarbeit und/oder Ressourcenverschwendung zu forcieren. Dies alles ist der Hintergrund dafür, dass der Verbraucherschutz wieder im Landwirtschaftsministerium angesiedelt ist.
Was konkrete Maßnahmen angeht, bekräftigte die Ministerin mit Verweis auf den Koalitionsvertrag, dass
- die Runden Tische „Gute Saisonarbeit“ und „Ernährungswirtschaft“ weiter stattfinden,
- die Brandenburghalle auf der Grünen Woche, die Landwirtschaftsausstellung BraLa, die Landpartie sowie das landesweite Dorf- und Erntefest als „wichtige Schaufenster“ der regionalen Agrar- und Lebensmittelwirtschaft und des ländlichen Raums weiterentwickelt und
- die Verbraucherkampagne für die regionale Vermarktung fortgesetzt werden.

Mit Blick auf das hohe Kosten verursachende Ärgernis der Überregulierung verwies die Ministerin ebenfalls auf den Koalitionsvertrag, in dem es heißt, dass der bereits begonnene Bürokratieabbau beschleunigt sowie Prozesse vereinfacht und digitalisiert werden sollen. Die Parlamentarier haben hier nicht lange gefackelt. So hat der Landtag bereits am 11. Dezember 2024 einen „Sonderausschuss Bürokratieabbau“ eingesetzt, der den notwendigen Prozess dokumentieren und dessen Transparenz unterstützen soll. Dirk Artmann, Leiter des Ministerbüros, appellierte an die Unternehmen, dem Sonderausschuss zu dieser Thematik eine Liste von Beispielen zur Verfügung zu stellen. Dorothee Berger bot an, dass pro agro diesen Prozess bis zum fertigen Arbeitspapier koordiniert.
„Ich kämpfe weiter darum, dass die Landwirtschaft am Monster Bürokratie nicht erstickt“, versicherte Hanka Mittelstädt. Sie machte allerdings auch deutlich, dass nicht alles, was die heimische Ernährungsbranche in Sachen Bürokratieabbau und darüber hinaus geändert, vereinfacht und in ihrem Sinne gelöst haben will, allein in den Händen des Brandenburger Landwirtschaftsministeriums liegt. EU und Bundesregierung sind hier die Ebenen, die am längeren Hebel sitzen. Aber: Wenn man schon nicht selbst eine Entscheidungsbefugnis hat, dann kann das Land Brandenburg von Fall zu Fall auf die übergeordneten Instanzen „einwirken“, wie sie sagte, um ein optimales Ergebnis für die Branche zu erzielen.