Trendwende beim Lebensmittelkonsum in nur kurzer Zeit
In der krisenhaften Zeit der Gegenwart haben Direktvermarktung und Ernährungshandwerk in Brandenburg – und nicht nur hier – hohe Einbußen erlitten. Das ist die Kernaussage einer detaillierten Analyse der Bonner Agrarmarkt- Informations-Gesellschaft mbH (AMI), die am 20. Oktober 2022 beim Tag der Direktvermarktung und des Ernährungshandwerks präsentiert wurde. Judith Dittrich (Foto), AMI-Marktanalystin Verbraucherforschung, hat während der Tagung die wesentlichen Fakten vorgetragen und anschließend für den pro agro-Newsletter zusammengefasst.
Kaum zuvor hat sich der Lebensmittelkonsum so schnell verändert wie zu Beginn der Corona-Pandemie. Eingeleitet wurde die Entwicklung von Hamsterkäufen. Doch im weiteren Verlauf der Pandemie kauften die Verbraucher wesentlich bewusster ein. Aufgrund der zahlreichen Einschränkungen – geschlossene Restaurants, kaum Freizeitaktivitäten und Homeoffice – mussten die Verbraucher wieder häufiger selbst kochen und mehr Lebensmittel für zu Hause einkaufen.
Da Urlaub, Kino- oder Konzertbesuch zeitweise nicht möglich waren, hatten zumindest diejenigen, die nicht von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit betroffen waren, mehr Geld zur Verfügung. Und das wurde teilweise für einen höherwertigen Lebensmitteleinkauf ausgegeben. Die Verbraucher wollten sich etwas gönnen. Der Kauf von Markenprodukten nahm zu, neue Produkte wurden ebenso ausprobiert wie neue Geschäfte. Direktvermarktung und Ernährungshandwerk erlebten zu dieser Zeit einen kräftigen Aufschwung und gewannen neue Kunden.
Doch mit Beginn des Krieges zwischen Russland und der Ukraine hat sich dieses Konsumverhalten deutlich gedreht. Seitdem erfahren die Verbraucher in Deutschland kräftig steigende Preise, nicht nur bei Energie und Lebensmitteln. Laut GfK ist die Inflation aktuell die größte Sorge der Deutschen. Im September 2022 kosteten frische Lebensmittel, dem AMI-Frischeindex zufolge, 19,9 Prozent mehr als vor einem Jahr. Und dabei sind über alle Frische-Warengruppen deutliche Preisaufschläge zu sehen. Doch diese Teuerung kam nicht von heute auf morgen. Bereits in den Jahren 2020 und 2021 hatten die Lebensmittelpreise leicht angezogen.
Über zahlreiche Preisrunden wurde das aktuelle Niveau erreicht. Zurzeit wirken viele verschiedene Umstände gleichzeitig und treiben die Teuerung von Lebensmitteln in die Höhe. Das begann bereits auf der Erzeugerebene: So war die Umstellung auf eine Produktion ohne Kükentöten mit Mehrkosten verbunden; die Trockenheit im Sommer hat die Ernteerträge in Deutschland und Europa teilweise reduziert; teurere Futtermittel wirkten sich bei den tierischen Produkten aus. Und natürlich sind die höheren Energiepreise auch in den Unternehmen der Ernährungswirtschaft zu spüren.
Da die Löhne nicht im gleichen Umfang gestiegen sind, müssen viele Verbraucher wieder sparen. Die Discounter, wie Aldi und Lidl, hatten sich zu Beginn der Corona-Pandemie noch mit am schwächsten entwickelt, denn die Kunden wollten sich zu dieser Zeit etwas gönnen. Jetzt ist der Discount der einzige Geschäftstyp, der sich im aktuellen Jahr positiv entwickelt.
AMI-Analysen auf Basis des GfK-Haushaltspanels zufolge lagen die Ausgaben für frische Lebensmittel von Januar bis August 2022 im Discount um knapp 6 Prozent über Vorjahresniveau. Die Verbraucher kaufen ihre Lebensmittel nun wieder vermehrt beim Discounter ein, die sie als besonders preiswürdig einschätzen. Die Food-Vollsortimenter, wie EDEKA und REWE sowie die Großflächen, wie Kaufland und Globus, verzeichnen gegenüber dem Vorjahr sogar ein leichtes Minus. In der Summe kann sich der klassische Lebensmitteleinzelhandel jedoch noch am besten behaupten.
Die höchsten Verluste sind aktuell bei Geschäftstypen mit einem höheren Preisniveau zu sehen. So entwickelt sich zurzeit die Kundenzahl bei Direktvermarktern, Bäckern und Metzgern wieder rückläufig. Deutschlandweit verzeichnete die Direktvermarktung in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres bei frischen Lebensmitteln ein Minus von 18 Prozent, die Wochenmärkte ein Minus von 16 Prozent, und die Fachgeschäfte liegen 13 Prozent unter dem Vorjahr.
In Brandenburg und Berlin sieht es nicht anders aus. Auch hier gab es bei den genannten Geschäftstypen deutliche Rückgänge. So sind von Januar bis August die Verbraucherausgaben für frische Lebensmitteln in der Direktvermarktung und auf den Wochenmärkten von 66 Mio. Euro im Vorjahr auf aktuell 51 Mio. zurückgegangen. Damit wird allerdings ein Niveau wie 2019 erreicht – also einem Zeitpunkt, bevor die Direktvermarktung einen kräftigen Aufschwung erlebt hat.