Tag der Direktvermarktung 2025

Die Verbrauchernachfrage nach regionalen Produkten der Lebensmittelwirtschaft ist hierzulande ungebrochen – trotz globaler Krisen und der angespannten wirtschaftlichen Lage bei uns in Deutschland. Oder sollte man besser sagen: Gerade deshalb gewinnt „das Regionale“ an Zuspruch, weil es für Vertrautheit, Transparenz und Verlässlichkeit steht? Das der Weg der Direktvermarktung (Wochenmärkte, Hofläden, Online-Handel, Verkaufsautomaten etc.) den Anbietern und Kunden immer wichtiger wird, bestätigte der vom Verband pro agro gemeinsam mit dem Forum ländlicher Raum – Netzwerk Brandenburg veranstaltete sowie vom Landwirtschaftsministerium unterstützte Tag der Direktvermarktung und des Ernährungshandwerks, der am 16. Oktober 2025 in der Heimvolksschule am Seddiner See stattfand. Mit rund 70 Teilnehmern aus Direktvermarktung und Ernährungshandwerk sowie Regionalinitiativen und Politik fand die Veranstaltung regen Zuspruch.

In ihrer Begrüßungsrede hob die Unternehmerin und pro agro-Vorsitzende Dorothee Berger (Foto) den besonderen Charakter der Direktvermarktung hervor. „Sie steht für Transparenz, Vertrauen und Nähe – für die direkte Verbindung zwischen Produzentinnen und Produzenten auf der einen Seite und den Konsumentinnen und Konsumenten auf der anderen. In einer Zeit, in der Globalisierung und Digitalisierung vieles anonymer machen, ist diese Verbindung ein unschätzbares Gut“. Zur Bekräftigung verwies sie auf folgende Zahlen aus dem pro agro-Branchenbarometer für das 2. Halbjahr 2025 hin: 74 Prozent der befragten Unternehmen vermarkten ihre Produkte auch über den Direktverkauf; für 30 Prozent der Befragten ist die Direktvermarktung sogar der wirtschaftlich wichtigste Absatzkanal.

In Vertretung von Landwirtschaftsministerin Hanka Mittelstädt hob Dr. Detmar Leitow vom MLEUV die positiven Eigenschaften von regionalen Produkten hervor, die für viel mehr als Qualität, Geschmack und Frische stehen. „Sie vermitteln ein Lebensgefühl“, sagte er. Darüber hinaus hob er den hohen Stellenwert hervor, den die Branche für das Land Brandenburg hat. Hier verwies er beispielhaft auf Fördermaßnahmen (Richtlinien zu Wertschöpfungsketten und Marktstrukturverbesserung), auf den Agrarmarketingvertrag mit pro agro zur Umsetzung von Fachveranstaltungen sowie auf Verkaufsförderungsaktivitäten für die Branche.

Das vielfältige Engagement des Ministeriums findet seinen stärksten Ausdruck in der Verbraucherkampagne „Deine Wahl ist regional!“, die das Land laut Dr. Leitow im nächsten Jahr „mit einem Budget von 300.000 Euro fortsetzt“ und von pro agro koordiniert wird. pro agro-Geschäftsführer Kai Rückewold seinerseits richtete in einem kurzen Statement folgenden Appell an die Branche: „Wir müssen uns gemeinsam positionieren und gemeinsam lauter werden. Nur so können wir für unsere Interessen einstehen, nur so können wir uns Gehör verschaffen.“

Nach der allgemeinen Situationsbeschreibung ging es um die Wissensvermittlung für die in der Tagung versammelte Unternehmerschaft und um den Erfahrungsaustausch über den Einsatz geeigneter Vermarktungsinstrumente untereinander. So wurden auch diesmal etliche Best Practice-Beispiele präsentiert – wie immer aus berufenem Munde, meistens von handelnden Personen aus Brandenburg und nicht ohne Blick über den regionalen Tellerrand. Hier die Beispiele:

Judith Dittrich, Marktanalystin Verbraucherforschung der Agrarmarkt Informations-gesellschaft (AMI). Die Referentin sprach eingangs über das aktuelle Konsumverhalten der Verbraucher mit Blick auf Direktvermarktung und Lebensmittelhandwerk. Eine ihrer Kernbotschaften war, dass die Konsumenten regionale Lebensmittel zwar mit positiven Themen assoziieren. Trotzdem bedarf es guter Konzepte für deren Vermarktung. (Die Referentin hat ihren Vortrag für uns zusammengefasst. Siehe Rubrik „Branche“ des vorliegenden Newsletters).

Best Practice: Loreen Herrmann (Urstrom Jerseys), Matthias Jahnke (Weingut Patke), Lilian Guzmán Pfeiffer (Agrargenossenschaft Groß Machnow), Ireen Mieczkowski (KostKutscher)

Matthias Jahnke, Weingut Patke. „Ich bin der absolute Direktvermarktungs-Freak“, bekannte der Winzer aus Jacobsdorf (Ortsteil Pillgrim) und empfahl: „Man sollte in Nischen investieren.“ Das Weingut wurde 2016 gegründet und bietet heute Weiß-, Rosé- und Rotweine an (meist trockene, aber auch halbtrockene und liebliche Tropfen). Die Vermarktung läuft hauptsächlich über den Hofladen, Events und Entertainment sowie über das eigene Restaurant auf dem Hof. Auch der Handel wird beliefert, wobei die höherwertigen Weine eher an den Fachhandel gehen und die Mengen-Ware an den LEH. Devise: „Wir wollen möglichst viele Kunden erreichen, die als Multiplikatoren über unsere Weine sprechen.“ Weitere Informationen finden Sie hier

Lilian Guzmán Pfeiffer, Agrargenossenschaft Groß Machnow. Der landwirtschaftliche Betrieb (3.000 Hektar Nutzfläche) verfügt erst seit sechs Monaten über einen Hofladen. In Sachen Direktvermarktung über diesen Vertriebskanal handelt es sich also um ein Start-up, erfüllt aber vom ersten Tag an die Funktion eines gut sortierten Nahversorgers. Darüber hinaus versteht man sich als Ort der Begegnung für die Bevölkerung. Das Sortiment besteht aus einer Vielzahl von Produkten des täglichen Bedarfs – nicht nur aus eigener Produktion, sondern angereichert mit dem Angebot von 45 Partnerbetrieben aus der Region. Ungewöhnlich: In den Regalen findet man auch Futtermittel aller Art. Weitere Informationen finden Sie hier

Loreen Herrmann, Urstrom Jerseys aus Nuthe-Urstromtal. „Man kann alles erreichen, wenn man Leidenschaft hat“, lautet der Wahlspruch der engagierten Speiseeis-Produzentin. Die Milch liefern die Jersey-Kühe aus der Nachbarschaft. In nur vier Jahren und quasi aus dem Nichts hat sie eine florierende Speiseeis-Manufaktur aus der Taufe gehoben. Was mit „Learning-by-Doing“ in der Garage des Eigenheims und einem Maximal-Output von 1.000 Eisbechern pro Tag begann, hat sich fortgesetzt in einer neuen Immobilie mit professioneller Eis-Manufaktur und einem Ausstoß von 2.000 Eisbechern pro Stunde. Das und die Listung bei Edeka und Rewe sorgt für gedeihliche Wachstumsperspektiven. Weitere Informationen finden Sie hier.

Anke Stamer, Ölmühle Katerbow. Die Überzeugung, dass naturbelassene Pflanzenöle als wertvolle Vitaminspender zur täglichen Ernährung gehören, und die Erfahrung, dass in der näheren Umgebung keine pressfrischen Öle zu finden waren, führten 2018 zur Gründung des Unternehmens: Anke Stamer begann auf dem Luisenhof, Heimstatt der Familie und Produktionsstandort, kalt gepresstes Leinöl herzustellen. Heute gehört eine Vielzahl von Sorten zum Sortiment – vom Leinöl über das Walnuss- und Kürbisöl bis zum Schwarzkümmel- und Senföl. Die Rohware stammt von regionalen Partnern. Inzwischen beherbergt der Vierseithof auch einen Hofladen mit Café und sommerlicher Gastwirtschaft. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ireen Mieczkowski, KostKutscher. Der Lieferdienst aus Schwedt/Uckermark versorgt täglich rund 400 Personen mit Essen, das in Schwedt frisch gekocht wird. Dieser Service allein ist allerdings kein tragfähiges Geschäftsmodell, so dass Leerfahrten dazu genutzt werden, diverse Lieferanten anzufahren, um die Produkte für die Mahlzeiten einzusammeln. Auch der inzwischen in Schwedt gegründete Hofladen wird auf diese Weise mit regionalen Produkten versorgt. Die Lebensmittel werden ferner durch Angebote wie Ferienwohnungsbox und Wandertaschen mit regionalen Speisen auch an Touristen vermarktet. Dafür erhielt das Unternehmen den Zukunftspreis 2024 des Landes Brandenburg. Weitere Informationen finden Sie hier.

Maria Mundry, KnatterMat24/7 Heimat auf Vorrat. In Kyritz an der Knatter (daher die Wortschöpfung „KnatterMat“) vertreibt der Kreisbauernverband Ostprignitz regionale Produkte mit Hilfe eines Verkaufsautomaten, berichtete die Geschäftsführerin des Verbandes und Inhaberin des Landwirtschaftsbetriebes „Schwarze Kuh“ (Angus-Rinder). Die Anlage befindet sich in einer eigenen Immobilie in der Innenstadt von Kyritz, wo in einem separaten Raum („KnatterStübchen“) auch Tastings, Schulungen und andere Aktivitäten stattfinden. Damit soll ein Beitrag für die Sichtbarkeit und Wertschätzung regionaler Landwirtschaft und handwerklicher Herstellung geleistet werden.

Hendrik Haase, Kommunikationsdesigner/Publizist. Der Experte hielt einen engagierten Vortrag über Direktvermarktung in einer vernetzten Welt sowie die Chancen und Herausforderungen des digitalen Wandels von der Produktion bis zum Konsumenten. Die Inhalte wird er in einem Namensbeitrag in der nächsten Ausgabe des pro agro-Newsletters (11/2025) für unsere Leser aufbereiten.