Regionale Produkte als Teil der Problemlösung

Wirtschaftliche Krisen treffen verbrauchernahe Dienstleistungen wie die Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmitteln immer mit besonderer Wucht: Sie wirken unmittelbar und hart, sie greifen jedes Glied der Wertschöpfungskette zeitgleich an und stellen jedes Teilsegment eines Wirtschaftszweiges vor die gleichen schwierigen Probleme. Nehmen wir unsere Branche: Egal ob Lieferanten, Händler oder Gastronomen – alle Akteure sind in gleicher Weise (und nicht selten existenzbedrohlich) betroffen. Wir sprachen mit Olaf Lücke, Hauptgeschäftsführer DEHOGA Brandenburg, und pro agro-Geschäftsführer Kai Rückewold.

pro agro-Redakteur Matthias Kersten im Gespräch mit Olaf Lücke und Kai Rückewold (v.r.n.l.)

Meine Herren, was tun in dieser krisenhaften Gemengelage?

Olaf Lücke: Die negativen Rahmenbedingungen fordern und fördern auch in unserer Branche das schnelle Umdenken und das schnelle Einstellen auf die neue Situation. Das beginnt damit, dass der Gastronom bilanzieren muss, welche Lieferanten er hat und wie er betriebswirtschaftlich aufgestellt ist.

Kai Rückewold: Um es mit einem Satz zu sagen: Wir müssen damit rechnen, dass sich in der gesamten Ernährungsbranche vieles ändern wird.

Das Gastgewerbe war schon während der Corona-Krise arg gebeutelt. Wie sieht das heute aus?

Olaf Lücke: Wir kommen nur schlecht aus dieser Krise raus. Es sind keine Rücklagen mehr da, um die Ausfälle zu kompensieren. Das heißt, die Probleme werden sich erheblich verschärfen.

Was ist schon heute spürbar?

Kai Rückewold: Eine deutliche Kaufzurückhaltung, die genau die Probleme widerspiegelt, vor denen auch alle anderen Akteure der Ernährungswirtschaft stehen. In Zeiten der Inflation spart der Verbraucher zuerst bei Lebensmitteln.

Olaf Lücke: Und wenn höhere Kosten auf sinkende Umsätze treffen, potenzieren sich die Probleme rapide.

Olaf Lücke, Hauptgeschäftsführer DEHOGA Brandenburg

Was erwarten Sie von der Politik?

Olaf Lücke: Sie muss so schnell wie möglich Klarheit bei den Themen Gas- und Strompreisdeckel sowie unterstützenden Maßnahmen schaffen. Ein Gaspreisdeckel im März nächsten Jahres, wenn der Winter vorbei ist, nützt allen Betroffenen herzlich wenig.

Und was können die Unternehmen selbst tun?

Kai Rückewold: Ein Baustein ist, die Effizienz der Arbeitsprozesse zu optimieren und diese Prozesse kostengünstiger zu gestalten. Und sie müssen versuchen, mit dem vorhandenen Personal auf verschiedensten Wegen zu vermarkten, um sich unabhängiger von einzelnen Abnehmern zu machen.

Wie soll das funktionieren?

Olaf Lücke: Zum Beispiel durch den Einsatz von regionalen Produkten, die der Gast auf der Karte sehen will und wodurch sich bei entsprechend hoher Qualität höhere Preise erzielen lassen. Ich kann den Brandenburger Lebensmittelerzeugern und -verarbeitern nur wärmstens empfehlen, den Vertriebskanal Gastronomie verstärkt zu nutzen, da hier höhere Margen erzielt werden.

Kai Rückewold: Gerade in der Gastronomie lassen sich Partnerschaften auf- und ausbauen, die sich in Krisenzeiten bewähren. Das hat die Corona-Pandemie eindeutig gezeigt. Beide Seiten können zum Beispiel jeweils für den anderen Partner werben. Es ist wichtig, in und für Brandenburg ein positives Image aufzubauen und eine gemeinsame Identität zu schaffen.

Wie kann der Lieferant den geeigneten Partner finden?

Kai Rückewold: Wir als regionaler Agrarmarketingverband können hier praktische Hilfe leisten.

Olaf Lücke: Die in der Region verwurzelten Gastronomen wissen sehr genau, wer in ihrem Umfeld die gewünschten Produkte liefern kann. Das hat unser Wettbewerb „Gastgeber des Jahres“, dessen Jurymitglied pro agro ist, wieder eindrucksvoll belegt.

Kai Rückewold: Die Preisträger sind allesamt Gastronomen, die wirtschaftlich gut dastehen. Und ihnen ist klar, dass es sich lohnt, auf den Einsatz regionaler Produkte zu setzen.

Da steht ja noch die logistische Frage im Raum.

Kai Rückewold: Grundsätzlich bringt der Lieferant seinem Kunden die Ware. Doch gerade die kleinen Betriebe sind mit diesem Service personell und organisatorisch häufig überfordert. Diese Frage muss also von Fall zu Fall partnerschaftlich geklärt werden. Denn wenn beide Seiten der Meinung sind, dass sich der jeweils andere bewegen muss, dann herrscht Stillstand.

Olaf Lücke: Das ist für beide Seiten sicherlich nicht einfach. Aber man muss gerade in Zeiten wie heute bereit sein, neue Wege zu gehen. Und das nicht nur in Sachen Logistik.

Kai Rückewold: Vielleicht sollten wir, also pro agro und der DEHOGA Brandenburg, uns an einen Tisch mit Lieferanten und Gastronomen setzen und gemeinsam nach Kooperationslösungen suchen.

Kai Rückewold, Geschäftsführer pro agro e.V.

Olaf Lücke: Gute Idee! Es ist immer richtig und wichtig, im Gespräch zu bleiben, vor allem in diesen Zeiten.

Eine Begegnung vergleichbarer Art findet ja wieder während der kommenden IGW statt.

Olaf Lücke: Stimmt. Die Internationale Grüne Woche in Berlin ist eine Plattform für beide Seiten. Insbesondere die von pro agro organisierten Hallenrundgänge sind eine gute Gelegenheit, um sich auszutauschen und das Interesse an einer engeren Zusammenarbeit zu ventilieren.

Kai Rückewold: Bei der IGW geht es ja nicht nur darum, den Verbrauchern regionale Produkte schmackhaft zu machen, etwa durch Verkostungen an den Ständen oder das pro agro-Kochstudio, wo Brandenburger Köche täglich feine Gerichte aus heimischen Zutaten zaubern. Es geht auch um die Begegnung von Erzeugern und Verarbeitern mit Fachbesuchern, also Gastronomen und Händlern: Kontakte knüpfen und pflegen, Informationen austauschen und vertiefen – immer im Interesse beider Seiten.