Erinnern wir uns: Zum Jahreswechsel 2024/2025 erwarteten 33 Prozent der an der großen pro agro-Umfrage teilnehmenden Betriebe für das Jahr 2025 noch mal eine Verschlechterung, 25 Prozent aber eine Verbesserung und 42 Prozent keine Änderung (der immer noch schlechten) Geschäftsaussichten. Dieses Meinungsbild hat sich im 1. Halbjahr bei 58 Prozent der Unternehmen verändert. Werfen wir einen Blick auf die Ergebnisse der Umfrage zur wirtschaftlichen Lage, ergänzt durch aktuelle Sonderfragen zur Ertragslage, zu unternehmerischen Reaktionen auf den Mindestlohn und zu den Erwartungen an die Bundesregierung.
Wirtschaftliche Stimmung/Geschäftsentwicklung
Das Zahlenmaterial zeigt, dass die o.g. Veränderung der Geschäftsaussichten im 1. Halbjahr überraschenderweise zweigeteilt ist: Beurteilen 61 Prozent die Lage als schlechter oder deutlich schlechter, haben 39 Prozent eine Verbesserung festgestellt. Und für das 2. Halbjahr lautet die Bewertung folgendermaßen: 48 Prozent sehen keine Veränderung, 29 Prozent befürchten eine Verschlechterung der Geschäftsaussichten – eine leichte Verbesserung gegenüber der Meinung zum Jahresbeginn, als noch 33 Prozent der Befragten ein recht düsteres Bild vermittelten.

Bemerkenswert sind die Gründe für die aktuelle Bewertung (Mehrfachantwort möglich): Unternehmen, die optimistischer in die Zukunft blicken, begründen dies mit steigendem Mengenabsatz im Handel (68 Prozent der Befragten) oder im Direktabsatz (53 Prozent). Umgekehrt gaben hohe Belastungen bei Energie-, Rohstoff- und Personalkosten (je um die 60 Prozent der Antworten) bei Unternehmen mit schlechten Geschäftsprognosen den Ausschlag.
Ertragslage/ -entwicklung
Umso wichtiger ist die Stellschraube für den wirtschaftlichen Erfolg, also die Preisgestaltung gegenüber den Endverbrauchern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass fast drei Viertel (74 Prozent) der Befragten ihre Produkte auch im Direktverkauf und 26 Prozent ausschließlich über den Handel vermarkten. Etwa ein Drittel der Direktvermarkter hat für das 2. Halbjahr eine starke Preiserhöhung im Auge; ganz anders jedoch stellt sich die Situation bei der Vermarktung an Handelspartner dar: 81 Prozent der Befragten erwarten in diesem Falle nur leichte und 33 Prozent gar keine Erhöhungen bei den zu erzielenden Produktpreisen.
Im Zusammenhang mit den stark gestiegenen Lebensmittelpreisen der letzten 24 Monate vermitteln die Antworten auf die Frage, welchen Anteil die Produzenten am Endverbraucherpreis haben, ein interessantes Bild. So sind bei den wichtigsten Produkten der brandenburgischen Hersteller die Zahlen ernüchternd: Fast zwei Drittel der Antwortenden (63 Prozent) vermuten, dass ihr Anteil bei Vollsortimentern unter 30 Prozent des Endverbraucherpreises liegt, fast ein Drittel (30 Prozent) tendiert sogar zu einem Anteil unter 50 Prozent.
Etwas mehr als die Hälfte der Befragten beliefert auch Discounter: Die Zahlen vermitteln hier mit 69 Prozent der Nennungen „unter 30 Prozent Anteil am Endverkaufspreis“ ein ähnliches Bild. Ob in die Betrachtung Preisentwicklungen bei Sonder- und Rabattaktionen eingeflossen sind, lässt sich nicht sagen.
Kostendruck durch Mindestlohn
Zum Zeitpunkt der Trendumfrage wurde in den Medien vor allem das Thema „15 Euro Mindestlohn“ diskutiert. Die schließlich vereinbarte stufenweise Entwicklung von 13.90 Euro zu Beginn 2026 auf 14.60 Euro ab Januar 2027 ist beschlossene Sache. Was kann das für die Unternehmen der Ernährungswirtschaft bedeuten?
Hier die Befragungsergebnisse: Bei Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro für die entsprechende Arbeitnehmergruppe rechnet die Hälfte der Unternehmen mit Personalkostensteigerungen bis 10.000 Euro/Monat; bis zu 100.000 Euro/ Monat sehen die größeren Unternehmen als realistische Kostensteigerung. Wie sich die Mindestlohnerhöhung auf die gesamten Personalkosten auswirken dürfte, zeigt das Chart „Kostenbelastung Unterschiedlich“.

Die steigenden Personalkosten durch Preiserhöhungen auffangen zu können, verneint mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Befragten. Immerhin 44 Prozent glauben, dies wenigstens teilweise tun zu können. Folglich stellt sich die Frage, welche Alternativstrategien den Unternehmen bleiben, um die zu erwartenden Kostensteigerungen wenigstens teilweise zu kompensieren (Mehrfachnennungen möglich). Zur Erinnerung: Im letzten Jahr planten noch 88 Prozent der Umfrageteilnehmer Investitionen In Maschinen und Anlagen, Gebäude und Digitalisierung sowie in die Neueinstellung von Mitarbeitern.
Heute indessen wird eher über die Möglichkeiten von Preiserhöhungen (56 Prozent) oder Automatisierung (40 Prozent) nachgedacht. Pessimistische Szenarien schließen sogar Personalabbau (46 Prozent), Unternehmensaufgabe bzw. Schließung von Teilbereichen/Reduzierung von Produktionskapazitäten (je 25 Prozent der Nennungen) sowie die Prüfung/Zurückstellung von Investitionen (21 Prozent) nicht aus.

Erwartungen an die neue Bundesregierung
Die Wunschliste der Ernährungswirtschaft ist hier ebenso lang wie eindeutig. Am dringlichsten sind, so das Votum der Befragten, die Reduzierung von bürokratischen Lasten. Angesprochen sind hier insbesondere die Dokumentations- und Nachweispflichten (81 Prozent) sowie die Statistikpflichten durch Abschaffung der Übererfüllung von EU-Vorschriften in Deutschland (51 Prozent). Auch die Einordnung der Land- und Ernährungswirtschaft als systemrelevant halten mehr als 60 Prozent der Beteiligten für wichtig.
Überdies wünschen sich 56 Prozent der Befragten eine glaubhafte Kommunikation und ein gelebtes Selbstverständnis der Branchenrelevanz sowie 59 Prozent eine bessere Kennzeichnung und/oder Platzierung regionaler Produkte im Lebensmitteleinzelhandel. Dieser Wunsch richtet sich vornehmlich an Maßnahmen von Politik, Institutionen, Handel und Gesellschaft. Dadurch sollen die bewusste Entscheidung der Verbraucher für Regionalität unterstützt und regionale Lebensmittel-Marken gestärkt werden. Auch ein konsequenter Anspruch an Regionalität auf Landesfesten durch priorisierte Einbindung von regionalen Anbietern wäre ein Beitrag (45 Prozent).
Um die Verbraucherkommunikation und Kundenbindung zu stärken (Mehrfachantwort möglich) setzt mehr als die Hälfte (55 Prozent) auf den verstärkten Einsatz von Social Media-Marketing. Der Ausbau der Vertriebsaktivitäten vor allem in Richtung Lebensmitteleinzelhandel (34 Prozent) und weiterer Absatzpartner (44 Prozent) bleibt ein wichtiges Instrument. Branchenrelevante Fach- und Publikumsmessen, wie vor allem die Grüne Woche oder pro agro-Veranstaltungen werden außerdem als bedeutende Maßnahmen im Bereich Marketing wahrgenommen und genutzt.
Informationen zum pro agro-Branchenbarometer
Seit 2020 erhebt pro agro mittels zwei Online-Umfragen im Jahr die Branchenmeinung der landwirtschaftlichen Direktvermarkter, des Ernährungshandwerks und der Lebensmittelverarbeiter aus Brandenburg zur wirtschaftlichen Lage und zu Sonderentwicklungen des Marktgeschehens, und zwar jeweils zum Jahresbeginn (Geschäftsaussichten für das gesamte Jahr) und zur Jahresmitte (Aktualisierung des Jahrestrends). Im Rahmen der aktuellen Sommerumfrage wurden 550 Unternehmen zur Teilnahme aufgerufen, 85 davon haben aktiv mitgewirkt. Über 50 Prozent sind als GbR, GmbH, OHG oder KG organisiert, der andere Teil besteht aus KMUs und Einzelunternehmen. Knapp 80 Prozent der Umfrageergebnisse kommen direkt von pro agro–Mitgliedern. Das Branchenbarometer erhebt keinen Anspruch auf wissenschaftliche Repräsentativität.
Hinweis: Die Grafiken zur Umfrage können Sie hier herunterladen.
