Picnic: Mehrwert für regionale Hersteller

Der mobile Lebensmittelvermarkter ist 2015 als Start-up in den Niederlanden gegründet worden. Das Unternehmen hat dort ein so rasantes Wachstumstempo vorgelegt, dass es schon drei Jahre später nach Deutschland expandierte. Als Testmarkt hatte man sich Nordrhein-Westfalen ausgeguckt. Das hat sich schon deshalb angeboten, weil das bevölkerungsreichste Bundesland ein hohes Kunden-Potenzial versprach und außerdem als direkter Nachbar vom Firmensitz Amsterdam auf kurzem Wege zu erreichen war. Die Rechnung ist nicht nur aufgegangen, sondern hat die Erwartungen weit übertroffen. Nichts lag folglich näher, als den gesamten deutschen Markt aufzumischen. „Heute sind wir in nahezu allen Regionen Deutschlands vertreten und beliefern Haushalte in 230 Städten“, resümiert Frederic Knaudt, Mitgründer in Deutschland, der uns zusammen mit Carlos Álvaro Benito, Category Manager Obst und Gemüse bei Picnic Deutschland, Konzept und Marktbearbeitung des Unternehmens vorstellte.

In Deutschland von Anfang an dabei war und ist die EDEKA als Mitgesellschafter, Großhändler und Hauptlieferant von Ware. „Die Regionalgesellschaft Rhein-Ruhr hat uns seinerzeit beim Markt-Eintritt sehr unterstützt. Wir konnten von Anfang an, obwohl nur ein kleiner Player, zu den gleichen Konditionen wie die Supermärkte des EDEKA-Verbundes einkaufen“, erzählt Frederic Knaudt. Wobei Picnic neben Hersteller- auch EDEKA-Eigenmarken führt. Das Sortiment stammt nicht allein vom klassischen Großhandel, sondern wird ergänzt durch Produkte von anderen Partnern und Spezialitäten-Lieferanten aller Regionen, in denen man präsent ist. „Das ist ein nicht zu unterschätzender Mehrwert für unsere regionalen Partner“, ergänzt Carlos Álvaro Benito.

Frederic Knaudt, Mitgründer in Deutschland (links), und Carlos Álvaro Benito, Category Manager für Obst und Gemüse.

Was das Warenangebot angeht, kann Picnic mit jedem großen stationären Supermarkt mithalten: Rund 10.000 Produkte einschließlich großem Frischeangebot plus 1.600 Drogerieartikel sind ein Hinweis darauf, dass die Kunden aus dem Vollen schöpfen können. Um die Warenströme vom Lager bis zur Haustür des einzelnen Kunden im Griff zu haben, bedarf es einer ausgeklügelten Organisation. Die sieht bei Picnic folgendermaßen aus:

Über ganz Deutschland verteilt hat das Unternehmen zwölf Zentrallager, die in gut 80 kleinere, dezentrale Einheiten („Hubs“) untergliedert sind. Carlos Álvaro Benito erklärt das Prinzip am Beispiel Berlin: „In unser Zentrallager in Ludwigsfelde liefern die EDEKA und unsere regionalen Partner die von uns bestellte Ware, wobei wir nur diejenige Menge ordern, die wir auch verkaufen. Da unsere Lagerbestände relativ klein sind, können wir Abschriften weitgehend vermeiden. Dort wird die Ware kommissioniert und mit unseren LKWs auf zehn Hubs in der Hauptstadt verteilt. Hier wiederum holen unsere Fahrer mit ihren Elektro-Kleintransportern die für ihre Route bestimmte Ware ab und bringen sie zu den Kunden bis vor die Haustür.“

Bestens sortiert: Ware fertigmachen für die „letzte Meile“.

Im Schnitt beliefert jeder Fahrer (im Firmenjargon auch „Runner“ genannt) sieben Adressen pro Stunde. Die Hauptstadt und ihr „Speckgürtel“ werden praktisch komplett abgedeckt, während sich die Lieferziele in Brandenburg eher in den größeren Städten und Gemeinden befinden. Insgesamt liegt die Reichweite derzeit bei 1,9 Millionen Haushalten in der Region. In jedem Falle stellt ein solches teils eng- und teils weitmaschiges Liefernetz eine logistische Herausforderung dar.

Wertvolle Unterstützung leisten in diesem Punkt die Vertriebsrechner bzw. ein Algorithmus, der mit allen relevanten Daten gefüttert wird, die einen Einfluss auf die Fahr- und Lieferzeit haben (aktuelle Verkehrslage, Art der Ware, Größe des Warenkorbs, Dauer des individuellen Lieferstopps etc.). Daraus lässt sich ziemlich präzise errechnen, wann am Tag X der „Runner“ vor der Haustür des Kunden steht. Dieser wiederum kann anhand der Picnic-App verfolgen, wo sich die Lieferung gerade befindet und welche Person die bestellte Ware bringt. Jedenfalls sieht sich Picinic mit dieser Technik in der Lage, ein maximal 20-minütiges Zeitfenster anzubieten. Da eine Fahrt aus mehreren Zustellungen in einem Kiez besteht, nennt sich der Lieferservice auch „Milchmann-Modell“ – was den persönlichen Kontakt von Kunde und Fahrer einschließt.

Akkurat hochgestapelt: Ware kurz vor der Auslieferung.

Die Picnic-Vertriebsmannschaft weiß bis ins Detail, welche Produkte die Kunden in welchen Mengen haben wollen. Das ist ein großer Vorteil gegenüber dem stationären Handel, der über diese Informationen nicht verfügt und deshalb tendenziell größere Warenbestände vorhalten muss. Das kommt der Vermeidung von Lebensmittelabfällen nicht gerade entgegen. Der Online-Supermarkt spart also nicht nur Kosten, sondern dient auch der Nachhaltigkeit. Überdies entfallen durch seinen Verzicht auf stationäre Geschäfte die damit verbundenen Miet-, Ausstattungs-, Betriebs- und Personalkosten. Diese Einsparungen werden beispielsweise durch Verzicht auf die Erhebung von Liefergebühren direkt an die Kunden weitergegeben.

„Ein weiterer Vorteil unseres Modells ist die Möglichkeit, mit Hilfe unserer App die Konsumpräferenzen pro Kunde auszumachen“, sagt Frederic Knaudt. „Dadurch können wir umgekehrt auf gleichem Wege individuelle Produktvorschläge machen und unsere Abnehmer dazu ermuntern, mal was anderes zu probieren.“ Zum Beispiel Produkte aus anderen Regionen Deutschlands; das stößt nicht nur auf Interesse bei den Verbrauchern, sondern auch bei den Erzeugern und Verarbeitern von Lebensmitteln, da sich dadurch neue Vermarktungswege eröffnen.

„Generell sind wir immer auf der Suche nach regionalen Herstellern“, bekräftigt Carlos Álvaro Benito. „Deshalb war ich kürzlich auf der jüngsten pro agro-Warenbörse beim Spargelhof Klaistow. Ich habe dort viele interessante Gespräche und Kontakte gehabt. Die werde ich jetzt Zug um Zug nacharbeiten. Aber ich würde mich freuen, wenn potenzielle Partner aus Berlin und Brandenburg initiativ werden und auch auf mich zukommen.“