Pflicht zum alternativen Mehrwegangebot

Deutschland ist der größte Verpackungsmüll-Produzent Europas – um die 19 Millionen Tonnen sind das pro Jahr, wie das Umweltbundesamt kritisch bilanziert. Die Politik sieht sich deshalb genötigt, steuernd einzugreifen und die Schrauben fester anzuziehen. So geschehen mit einer Änderung des Verpackungsgesetzes, die im Januar 2023 in Kraft getreten ist. Darin werden Gastronomen verpflichtet, für To-go-Getränke oder -Speisen neben Einweg- auch Mehrwegbehältnisse aus Kunststoff anzubieten. Über die damit verbundenen Anforderungen sprachen wir mit Winfried Batzke, Geschäftsführer des Deutschen Verpackungsinstituts (Foto).

Herr Batzke, welche Betriebe fallen unter die neue Gesetzgebung? In der Regel sind das kleinere Restaurants, Cafés, Tankstellen, Kioske, Kantinen und vergleichbare Anbieter. Betriebe mit maximal 80 qm Fläche und weniger als fünf Beschäftigten sind von der Regelung allerdings ausgenommen. Davon nicht befreit ist indessen die kleine Bäckerei oder der Coffee Shop, wenn sie zu einer Unternehmenskette mit mehr als fünf Mitarbeitern gehören.

Sind von der Vorschrift nur Kunststoffverpackungen betroffen? So steht es jedenfalls im Gesetz. Aber es lassen sich heute schon Tendenzen erkennen, die Vorschrift auf andere Materialien auszudehnen, zum Beispiel auf den Pappe- und Papierbereich. Bringt der Gast jedoch sein eigenes Behältnis mit, dann gilt die Regelung natürlich nicht.

dvi-Geschäftsführer Winfried Batzke

Wie sieht das System in der Praxis aus? Eigentlich recht einfach: Wenn der Kunde einen Kaffee mit auf den Weg nehmen möchte, dann muss ihm der Coffee Shop-Betreiber alternativ zum Einweg-Trinkbecher ein Mehrweg-Gefäß oder für den Salat die Mehrweg-Schale anbieten. Für das Mehrweg-Behältnis kann er natürlich ein Pfand erheben…

…das der Kunde nur dort wieder einlösen kann? In den meisten Fällen ja, was für beide Seiten nicht sonderlich vorteilhaft ist: Der Betreiber muss eine entsprechende Menge Bargeld vorhalten und der Kunde möglicherweise längere Wege zurücklegen, um das Pfand einzulösen.

Gibt es da keine eleganteren Lösungen? Doch. In Chemnitz ist beispielsweise ein Verbundsystem mit stadtweit einheitlichen Mehrwegbechern aus Kunststoff eingeführt worden. Kioske oder andere To go-Anbieter können sich an diesem System beteiligen. Je mehr das sind, desto besser für den Konsumenten, da er das Behältnis an vielen Stellen abgeben kann.

Wie sieht es mit der bundesweiten Abdeckung aus? Es gibt Poolsysteme wie etwa „Recup“ und „Rebowl“, die zwar noch nicht flächendeckend verbreitet sind, aber stark wachsen. Hier zahlt der Kunde für den Getränkebecher oder für die Salatschale Pfand, das er bei allen System-Partnern deutschlandweit einlösen kann. Manche Anbieter arbeiten auch mit Apps, wo das Pfand reingebucht wird. Wenn der Kunde in einem bestimmten Zeitraum das Behältnis zurückbringt, wird es wieder ausgebucht – wenn nicht, muss er es kaufen.

Foto: reCup

Das hört sich wieder nach unterschiedlichen Insellösungen an. In der Tat wäre ein bundesweit einheitliches Poolsystem ideal. Das wäre für den Kunden am komfortabelsten, weil es ihm Wege und die Frage erspart, welches Behältnis von welchem System stammt. Aber momentan sieht es nicht so aus, dass es dazu kommt, da sich bereits etliche unterschiedliche Pfandsysteme im Markt befinden.

Und welche Folgen haben solche Systeme für den Gastro-Anbieter? Er muss unter anderem die teuren Mehrwegbehältnisse selbst kaufen oder mieten; das rechnet sich für ihn nur bei entsprechend hohen Umlaufzahlen.

Worauf muss sich die Wirtschaft künftig noch gefasst machen? Seit Oktober 2022 gibt es im Rahmen der EU einen Verordnungsentwurf, der bindende Reduktionsziele für Verpackungsabfälle vorschreibt. Darin werden auch die „Höchstleerraumverhältnisse für Verkaufsverpackungen“ etwa für Kosmetik, Spielzeug oder Elektronik festgelegt.

Was heißt das in Klartext? Damit sollen Mogelpackungen mit Doppelwänden und -böden oder anderen Mitteln, die ein größeres Produktvolumen vorgaukeln, vermieden werden. Ein weiterer Grund ist sicherlich auch das deutlich gestiegene Verpackungsvolumen durch den Versandhandel.

Inwieweit ist die Lebensmittelbranche davon betroffen? Noch nicht. Aber die Erfahrung lehrt: Was für andere Branchen ausprobiert wird, kommt sehr wahrscheinlich auch auf die Lebensmittelwirtschaft zu. In jedem Falle ist die Rede davon, dass Einwegverpackungen für frisches Obst und Gemüse verboten werden sollen.