Kampf dem Verpackungsmüll!
Angesichts wachsender Verpackungsmüllberge sah sich der deutsche Gesetzgeber genötigt, aktiv zu werden und das Verpackungsgesetz zu verschärfen. Seit Jahresbeginn 2023 sind jetzt Letztvertreibende von To-go-Getränken und -Speisen verpflichtet, neben Einweg- auch Mehrwegbehältnisse für den Transport anzubieten. Einzelheiten dazu konnten Sie in unserem Interview mit dem Deutschen Verpackungsinstitut lesen (siehe pro agro-Newsletter 03/2023 hier). Heute schildern wir am Beispiel des noch jungen Brandenburger Start-ups PFABO, wie das Mehrweg- und Pfandsystem in der Praxis funktioniert.
Die Initialzündung für die Geschäftsidee war ein Strandurlaub und die Sammlung von Plastikmüll. Das war im Jahr 2018. Nach dieser negativen Erfahrung fragte sich Juliane Spieker (Foto), wohnhaft im brandenburgischen Wildau, warum es so wenige Mehrwegverpackungen für Produkte des täglichen Bedarfs gibt und was zu unternehmen ist, um diesem Problem beizukommen. Zur Beantwortung dieser Fragen holte sie sich fachlichen Beistand durch ihren Bruder Adrian, der an der renommierten Ottto-von-Guericke-Universität in Magdeburg eine Masterarbeit zu eben dieser Thematik schrieb. Zwei Jahre später gründeten die Geschwister die PFABO GmbH, hergeleitet von dem Wort PFAndBOx.
Die Corona-Zeit mit ihren Lockdowns war eine denkbar ungünstige Situation für die Gründung eines Start-ups, gab den Jungunternehmern aber die Zeit, Mehrwegverpackungen für Lebensmittel alltagstauglich, nachhaltig und standardisiert zu gestalten und sich intensiv auf die Marktbearbeitung vorzubereiten: Produktentwicklung und -fertigung, Gebindearten,-formen und -größen, Zielgruppendefinition und -ansprache, Prozessorganisation und -optimierung. Damals wie heute steht, so die Gründerin, folgende Kernfrage als Unternehmens-Vision im Raum: „Wie schaffen wir es, gemeinsam mit den Unternehmen ein anforderungsgerechtes Produkt zu schaffen, das im Vergleich zu Einweg mehrfach nutzbar sowie ökologischer und ökonomischer ist?“.
Heute besteht PFABO aus sechs Mitarbeitern und hat ca. zwanzig regionale und überregionale Partnerunternehmen im Boot. In Berlin und Brandenburg sind das beispielweise der Lebensmittelhändler Bio Company, Vivantes Gastronomie oder der Fleischlieferant Bio Manufaktur. Alle zusammen stehen für ca. 100 Ausgabestellen.
Von Beginn an war klar, dass sich die Gründer nicht nur auf eine Marktebene, also den Endverbraucher, konzentrieren, sondern entlang der kompletten Wertschöpfungskette operieren wollen. Der Einsatz der modularen und zu 100 Prozent recycelbaren Mehrwegverpackungen soll also bereits beim Produzenten beginnen und sich über den Handel bis zum Endverbraucher fortsetzen. Das heißt konkret: Die vom Produzenten hergestellte Ware (z.B. Feinkostsalate) wird bereits in größeren PFABO-Boxen (zwei oder drei Liter) an die Ausgabestellen von Kantinen oder die Frischetheken des Lebensmittelhandels ausgeliefert und landet dort portionsweise in den kleineren PFABO-Behältern der Konsumenten.
Die Kunststoff-Mehrwegbox wie auch den entsprechenden Becher für Kalt- und Heißgetränke erhält der Endverbraucher gegen ein Pfand von fünf bzw. 1,50 Euro, das er nach Nutzung des Behälters bei den Ausgabestellen wieder bekommt. Da es in Deutschland nicht nur einen Mehrweganbieter gibt, hat sich der Mehrwegverband zum Ziel gesetzt, die Zusammenarbeit der verschiedenen Anbieter in den Bereichen Reinigung und Rückgabe zu stärken. Dadurch soll dafür gesorgt werden, dass die gebrauchten Behältnisse mehr oder weniger überall abgegeben werden können.
Dazu Juliane Spieker, Gründungsmitglied des Mehrwegverbandes: „Es geht darum, wie man den Herausforderungen, die es bei einem solchen System gibt, gemeinsam begegnet. Das betrifft ja nicht nur die Rückholung, sondern auch den Aufbau einer flächendeckenden Spül-Infrastruktur. Und es müssen IT-Infrastrukturen geschaffen werden, so dass die Nutzer ihre Mehrweg-Verpackungen an unterschiedlichen Stellen ein- und ausloggen können.“ Noch ist das für PFABO ein überschaubares Problem: Zwei Drittel der Boxen kommen innerhalb von vier Wochen wieder zurück.
Was das Thema Boxen-Reinigung angeht, ist der „Letztvertreibende“, also der Caterer oder Händler vor Ort, dafür verantwortlich, hygienisch einwandfreie Mehrweggefäße auszugeben. Ist keine eigene Industrie-Spülanlage vorhanden, bietet PFABO einen nach Regionen gegliederten externen Service an. Die Regionen Hannover, Braunschweig, Hamburg und Berlin sind nach dieser Definition so ein Raum; die Kosten für die Inanspruchnahme des Spülservice trägt der Kunde.
In der kurzen Zeit seit der Gründung hat das Geschwisterpaar schon viel erreicht. Das ist auch der Politik nicht verborgen geblieben und hat Juliane Spieker im Vorjahr zur „Existenzgründerin des Landes Brandenburg 2022“ gekürt. Doch trotz der Erfolge und der öffentlichen Anerkennung verliert hier niemand die Bodenhaftung. „Vielleicht haben wir noch nicht für jede Anforderung das richtige Produkt“, sagt sie, „deshalb werden wir auch künftig gemeinsam mit unseren Kunden partnerschaftlich nach Ressourcen schonenden und ökologisch nachhaltigen Lösungen suchen.“