Feinbrennerei am Hebewerk: Vom „Kindheitstraum“ zum Erfolgserlebnis

Da haben sich die Wege zweier Menschen gekreuzt, deren Herkunft nicht unterschiedlicher sein könnte, deren private Verbindung und deren Kombination ihrer unterschiedlichen Talente sich aber als segensreich für die Gründung eines gemeinsamen Unternehmens erwiesen haben. Die Rede ist vom Ehepaar Jana und Stefan Müller – sie die ausgebildete Marketingfachfrau aus Berlin und er der gelernte Werkzeugmacher aus Balingen (Schwaben). Begegnet sind sie sich in der Hauptstadt, wo Stefan ein Filmkopierwerk als Geschäftsführer leitete und Jana im selben Unternehmen für’s Marketing zuständig war. Da die Firma mit der fortschreitenden Digitalisierung nicht mehr Schritt halten konnte, wurde sie von den Inhabern kurzerhand dichtgemacht. Das Paar selbst sah das als willkommene Chance, den Weg in die Selbstständigkeit zu gehen. So entstand die Manufaktur für edle Destillate und Liköre in unmittelbarer Nachbarschaft des Hebewerks Niederfinow.

„Die Leidenschaft für gute Brände war bei uns schon vor der Unternehmensgründung vorhanden, und wir haben immer gesagt: Wenn wir mal groß sind, dann wollen wir unsere eigene Brennerei haben“, beschreibt Geschäftsführerin Jana Müller den „Kindheitstraum“ des Ehepaares, der nun Wirklichkeit werden sollte. Bald schon fanden sie den idealen Standort für die Erfüllung ihres Traums – eben den ehemaligen Nebenerwerbshof beim Hebewerk im Oderbruch. Der Zufall wollte es, dass Stefans Bruder Karl-Heinz praktisch zur gleichen Zeit sein Formenbau-Unternehmen in Balingen verkaufte hatte und sich an dem Start up beteiligte – als stiller Teilhaber zwar, der aber in der Aufbauphase, also bei Umbau und Wiederbelebung des Dreiseit-Hofes, kräftig mit Hand anlegte.

Feines Näschen: Jana Müller bei der Aromenprobe.

Das war ein ziemlicher Kraftakt, ging es doch darum, die verfallene landwirtschaftliche Immobilie in ein modernes Ambiente mit Privatwohnung, Brennerei, Hofladen und Ferienwohnung (die übrigens dieser Tage fertiggestellt worden ist) umzuwandeln. Bei Einrichtung und Betrieb der Brennerei hat sich die berufliche Herkunft von Stefan und Jana Müller geradezu als Segen erwiesen: Was die technische Ausstattung der Brennerei mit den unterschiedlichen „Gewerken“ und der feinmechanischen Handhabung angeht, war der gelernte Werkzeugmacher in seinem Element, während die Marketingfachfrau die Klaviatur der Vermarktung sowie der Außendarstellung und -kommunikation beherrscht und obendrein, wie sich im Prozess des Destillierens herausstellte, ein äußerst feines Näschen „für das Herausriechen und Schmecken von Aromen hat“, wie sie sagt.

Die Herstellung von Bränden ist zwar keine Geheimwissenschaft, aber eine Disziplin, die neben einem feinen Näschen ein Gespür für optimales Timing und den richtigen Einsatz der „Stellschrauben“ braucht. Eine solide Ausbildung empfiehlt sich also dringend, weshalb das Ehepaar vor Beginn der Produktion in der Universität Hohenheim einen Brennerkurs absolvierte und ein Zertifikat als Brennmeister/in erwarb. Unabhängig von diesen wichtigen Grundlagen haben sie sich die handwerkliche Routine und die Feinheiten des Destillierens im Prozess des „learning by doing“ in der heimischen Brennerei selbst angeeignet.

Ästhetik der Technik: Die Brennanlage aus edlem Metall (links), Restaurierter Hof: Außenansicht mit Ferienwohnung (über der Brennerei) (rechts).

„Wir wollen Regionalität und Bio-Qualität miteinander verbinden“, umschreibt Jana Müller die Unternehmensphilosophie. So stammt die Rohware – soweit möglich – aus der heimischen Region; allerdings muss derzeit bundesweit Obst dazu gekauft werden, da die Mengen nicht reichen. Das wird sich Zug um Zug ändern, da die Zusammenarbeit mit landwirtschaftlichen Betrieben erweitert werden soll. „Wir wollen die regionale Wertschöpfungskette stärken“ bekräftigt sie und fügt hinzu: „Bei unseren Produkten steht Natürlichkeit an erster Stelle. So wird bei der Obstvergärung nur Reinzuchthefe verwendet und bei den Feinbränden auf künstliche Zusatzstoffe und Zucker verzichtet.“ Die Liköre sind zu 95 Prozent bio-zertifiziert; bei den Bränden sind es ungefähr 70 Prozent. Die Produkte werden in Apothekerflaschen mit Glasverschluss abgefüllt; jede Flasche ist ein Unikat, da die persönlich unterschriebenen Etiketten per Hand aufgeklebt werden.

Seit Produktionsbeginn im Jahre 2019 ist das Sortiment von Edelbränden, Geisten und Likören beachtlich gewachsen. Die jüngsten Kreationen sind Anfang 2025 entstanden, nämlich der Limoncello-, Bergamotte- und Kaffeelikör – letzterer in Kooperation mit der Waldstadt-Rösterei in Eberswalde. Vermarktet werden die Spirituosen u.a. über den eigenen Hofladen und den Online-Shop sowie den regionalen Bio-Großhändler Terra. Auch einige Gastro-Betriebe zählen zu den Kunden. Im klassischen Lebensmitteleinzelhandel ist man inzwischen bei REWE gelistet, mit EDEKA befindet man sich im Gespräch. Und quasi als Sahnehäubchen obendrauf zählen die Kaufhäuser KaDeWe (Berlin), Alsterhaus (Hamburg) und Oberpollinger (München) zu den Premium-Kunden.