In den ersten beiden Folgen über die Vermarktung von landwirtschaftlich erzeugten und verarbeiteten Produkten haben wir verschiedene Modelle von Verkaufsautomaten, deren Beschaffungskosten und Einsatz sowie die optimalen Bedingungen für erfolgreiche Geschäfte vor Ort vorgestellt (siehe pro agro-Newsletter 04/2025 und 05/2025). Zum Abschluss der Thematik beschreiben wir anhand eines konkreten Beispiels aus einer ländlichen Region Brandenburgs, wie Direktvermarktung ohne Verkaufspersonal in der Praxis funktioniert – von der Idee über den unternehmerischen Alltag bis zu neuen Perspektiven. Die Rede ist von „Emmas Kaufhalle“ in Teschendorf (Oberhavel), erst seit Juni 2024 am Start, aber schon durchgestartet und mit dem pro agro-Marketingpreis 2025 ausgezeichnet. Mitbetreiber Patrick Scheuermann lässt uns an seinen Erfahrungen teilhaben.
Als die beiden befreundeten Familien Scheuermann und Lambeck eines Sonntags bei schönstem Wetter mal wieder bei Kaffee und Kuchen zusammensaßen, fassten sie den spontanen Entschluss, den erholsamen Nachmittag mit einem Grillabend ausklingen zu lassen. Doch ein Blick in den Kühlschrank machte schnell klar, dass sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht hatten: kaum Grillgut. Also steuerten die beiden Männer den nächsten Tankstellen-Shop an und wurden fündig, wenn auch mit gewissen Einschränkungen bei Menge und Qualität der Ware. Dafür fiel der Preis umso heftiger aus. Dieser Sachverhalt lieferte genügend Gesprächsstoff für die abendliche Diskussion, förderte aber auch die Kreativität der Gedanken und führte schließlich zu einer Idee.
Warum nicht der ländlichen Bevölkerung auch abseits urbaner Knotenpunkte Zugang zu Lebensmitteln des täglichen Bedarfs verschaffen? Und warum nicht gleich sieben Tage in der Woche rund um die Uhr? Die Verkaufsautomaten-Idee war geboren und wurde zügig umgesetzt. Allerdings sollte das Geschäft nur im Nebenerwerb betrieben werden. Was die Sache beflügelte, war die Tatsache, dass die Protagonisten vom Fach sind: Patrick Scheuermann und seine Frau Susanne sind studierte Betriebswirte (Fachrichtung Handel) und beide in verwandten Berufen tätig – er (anfangs) im Lebensmitteleinzelhandel, sie im Lebensmittelgroßhandel. Und Kompagnon Christian Lambeck leitet als „Vollblut-Unternehmer“ seine eigene Gebäudereinigungsfirma. „Eine perfekte Kombination“, betont Patrick Scheuermann.

Tatendrang, Kreativität und Know-how sind aber nur die eine Seite der Medaille, die andere ist das liebe Geld. Die Investitionen summieren sich immerhin auf einen „gut sechsstelligen Betrag“, verrät Patrick Scheuermann, „das schüttelt man nicht so einfach aus dem Ärmel“, fügt er hinzu. Einen namhaften Teil haben die beiden Familien aus dem Ersparten aufgebracht, der Rest wird finanziert mit einem Bankkredit und Fördermitteln des LEADER-Programms Brandenburg (über das Programm berichteten wir im pro agro-Newsletter Ausgabe 05/2025). Allerdings müsse man „einen langen Atem haben“. sagt er. Obwohl die Förderung vor eineinhalb Jahren beantragt und genehmigt worden sei, fließt das Geld erst 2026.
Gleichwohl haben die beiden Familien – als Gesellschafter fungieren je zur Hälfte Susanne Scheuermann und Christian Lambeck – ihr Start-up zügig eröffnet, und zwar exakt am 1. Juni 2024. Als Standort haben sie einen geschichtsträchtigen Standort in Teschendorf gefunden, nämlich den ehemaligen Tante-Emma-Laden, wo sie sich eingemietet und ihre Verkaufsautomaten nach ein paar Umbauten untergebracht haben. Diese stehen in einem für die Öffentlichkeit weder zugänglichen noch einsehbaren Raum. Der gesamte Prozess ist vollständig digitalisiert: Im separaten Eingangsbereich wählen die Kunden an einem Display die gewünschte Ware aus und bezahlen sie mit Karte oder Smartphon (keine Barzahlung). „Backstage“ sammeln die Automaten die gewünschten Produkte ein und transportieren sie auf Bändern in den Verkaufsraum.
Durch die Digitalisierung braucht man keine Mitarbeiter vor Ort, selbst von zu Hause aus lassen sich einzelne Prozesse mit dem Laptop steuern. Wirklich Hand anlegen muss man lediglich beim Bestücken der Automaten – und das bewerkstelligen die beiden Familien in Eigenregie – und zwar in der Regel morgens zwischen fünf und acht Uhr. Wollte man allerdings das automatisierte Verkaufskonzept auf mehrere Standorte erweitern, müsste man wohl doch einen Mitarbeiter einstellen, der die nötigen Handgriffe wie Befüllen, Reinigen etc. ausführt.

Im Vergleich zu anderen automatisierten Verkaufsstellen ist das Angebot in „Emmas Kaufhalle“ mit seinen mehr als 600 Artikeln sehr umfangreich, und zwar nicht nur zahlenmäßig, sondern auch mit Blick auf die unterschiedlichen Warengruppen. Das Motto „Alles für den täglichen Bedarf“ wird hier sehr ernst genommen, weniger in der Sortimentstiefe natürlich, aber in der Sortimentsbreite – von Frischware (Obst & Gemüse, Brot- & Backwaren, Fleisch & Wurstwaren, Molkereiprodukte etc.) über Convenience, Tiefkühlkost, Getränke und vieles mehr bis zu Drogerieartikeln oder Tabakwaren.
Die Standardware zu Befüllung der Automaten wird von EDEKA und Lekkerland geliefert. Hin und wieder schaut man auch bei der Metro vorbei, um sich mit Aktionsware einzudecken. Vieles kommt auch von regionalen Partnern der Erzeugerebene. Ganz wichtig: „Bei den Preisen orientieren wir uns an EDEKA und REWE. Wir sind also nicht teurer als der klassische Supermarkt. Da wir langfristig am Standort erfolgreich sein wollen, werden wir keine Mondpreise aufrufen“, bekräftigt Patrick Scheuermann.
Das Konzept ist bei der Bevölkerung hervorragend angekommen, und zwar nicht nur als Einkaufs-, sondern auch als Begegnungsstätte. Die Wege kreuzen sich nicht selten im Verkaufsraum, also nutzt man die Zeit für einen kleinen Plausch. Das hat sich rumgesprochen, und nicht selten landen Anfragen aus anderen Dörfern in Teschendorf auf dem Tisch, ob die beiden Ehepaare nicht auch anderswo aktiv werden könnten. In der Tat ist ein solches Expansions-Vorhaben nicht nur spruchreif, sondern befindet sich bereits in der Umsetzung, und zwar unter dem Stichwort „Outdoor-Container“.

Dazu Patrick Scheurmann: „Da es an interessanten Standorten nicht immer die entsprechende Immobilie gibt, haben wir uns für die mobile Variante in Form eines Übersee-Containers entschieden.“ Das sind die Fracht-Ungetüme, die mit den Standardmaßen von ungefähr zwölf Meter lang, drei Meter breit und vier Meter hoch tausendfach über die Weltmeere transportiert werden. Die riesige Metallkiste braucht für den Zweck einer Einkaufsstätte „nur“ eine standsichere Bodenplatte, Öffnungen für Fenster und Eingangstüre, Holzverkleidung außen, Einbauten innen sowie Strom- und Wasseranschluss. „Das war’s“, sagt er, als sei das die leichteste Übung. „Damit kann man eigentlich in jedem Ort aktiv sein.“
Tatsächlich sind die Unternehmer-Familien auch in diesem Punkt schon aktiv: Der erste Expansions-Standort wird in Sommerfeld (Ortsteil von Kremmen) sein. Die Genehmigung liegt seit kurzem vor, eröffnet wird voraussichtlich im ersten Quartal 2026. Stillstand ist den befreundeten Partnern fremd: Schon haben sie ein Auge auf Potsdam geworfen, wo ein neues Wohngebiet erschlossen wird. Auch mit dem Standort Zehlendorf (bei Oranienburg) beschäftigen sie sich gedanklich.