Das gute Gefühl, gebraucht zu werden

Schönwalde-Glien – Mehr als 300.000 Menschen in Brandenburg gelten als schwerbehindert. Manche von ihnen finden in landwirtschaftlichen Betrieben eine sinnvolle Beschäftigung. Bei der Brandenburger Landpartie am 15. und 16. Juni 2019 können Besucher einige der Inklusionsbetriebe kennenlernen und die Produkte der Höfe vor Ort probieren.

Kuhhorst, ein Ortsteil von Fehrbellin, hat weniger als 100 Bewohner, dennoch gibt es einen Dorfkrug und einen Hofladen. Zu verdanken ist das den Berliner Mosaik-Werkstätten, die 1991 den ehemaligen Hof der LPG übernommen haben, um dort mit behinderten Menschen ökologische Landwirtschaft zu betreiben. Das bot dem ganzen Dorf eine neue Perspektive. Alteingesessene und Zugezogene, Behinderte und Nichtbehinderte begegnen sich heute ohne Berührungsängste auf dem Hof, auf der Straße oder in der Gaststätte, gemeinsam plant man im Dorfverein Feste oder Konzerte.

Der Demeter-Hof „Die Kuhhorster“ bewirtschaftet 400 Hektar Land, produziert Getreide, Kartoffeln und Mais, hält Kühe, Schweine, Hühner und Gänse und besitzt eine eigene Fleischerei. Mehr als 90 Menschen mit Down-Syndrom, psychischen Beeinträchtigungen oder einer Lernbehinderung arbeiten dort. Ein Teil von ihnen lebt im Wohnheim, andere haben eine eigene Wohnung im Dorf oder in der Umgebung, gut die Hälfte pendelt täglich per Bus aus Berlin. Manche finden mit der Zeit eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt, andere bleiben dauerhaft auf dem Hof.

Gerade ist eine Gruppe unterwegs, um Gras zu mähen. Es wirkt wie ein Ausflug. Auf der Ladefläche wird viel gelacht, den Vorbeikommenden fröhlich zugewunken. Benjamin, der junge Mann, der den Trecker steuert, arbeitet seit zwei Jahren auf dem Hof, lebt im Wohnheim, hilft beim Schweinefüttern oder bei Reparaturen. „Abends fühle ich mich richtig ausgepowert“, sagt er. Dass die Arbeit so abwechslungsreich ist, gefällt ihm sehr gut. Sein großes Ziel: im nächsten Jahr seinen Treckerführerschein zu machen. „Vom Füttern bis zum Treckerfahren übernehmen Behinderte alle Arbeiten, die auch auf jedem anderen Hof anfallen“, so Hannes-Peter Dietrich. Manchmal brauchen sie dafür etwas mehr Zeit oder zusätzliche Erläuterungen. „Wichtig ist für sie das Gefühl, gebraucht zu werden“, betont er.

Viele Behinderte übernehmen besonders gerne Verantwortung für Tiere. Auf dem Hof der Stephanus-Stiftung in Heilbrunn ist der 26-jährige Manuel für vier Haflinger zuständig, die dort für Kremserfahrten und therapeutische Zwecke eingesetzt werden. Er strahlt über das ganze Gesicht, wenn er von seinen Pferden erzählt. Andere kümmern sich um die 300 Mastschweine sowie die 60 Mutterkühe und ihren Nachwuchs. „Viele Mitarbeiter schätzen es, dass sie weitgehend selbstständig ihre Aufgaben erledigen können“, sagt Betriebsstättenleiter Burkhard Brandt.

Die Geschichte von Heilbrunn reicht bis ins Jahr 1852 zurück. Damals wurde unweit von Wusterhausen ein Heim für „sittlich verwahrloste Knaben“ gegründet. 1972 übernahm die Berliner Stephanus-Stiftung die Einrichtung. Heute arbeiten dort rund 60 körperlich, geistig oder im Lernen behinderte Menschen. Wenn donnerstags oder freitags der kleine Hofladen öffnet, dann kommen auch viele Besucher aus weiter entfernten Städten nach Heilbrunn. Sie schätzen die Produkte aus der hofeigenen Fleischerei. Jede Woche werden dort etwa zehn Schweine und ein Rind verarbeitet, die stressfrei auf dem Hof aufwuchsen und sich fast ausschließlich von den Produkten der Felder ernährten.

Die Brandenburger Landpartie ist für viele Mitarbeiter in Heilbrunn ein besonderes Ereignis. Sie putzen den Hof heraus, helfen beim Verkauf von Kuchen oder Gegrilltem und beteiligen sich an Führungen zu den Tieren. „Für uns ist das eine gute Gelegenheit, um mit Angehörigen ins Gespräch zu kommen und um neue Mitarbeiter zu werben“, betont Burkhard Brandt.

Nicht nur zur Landpartie können Besucher auf spielerische Art Kuhhorst erkunden. Dort lädt man die Gäste zum Bauerngolf ein. Wie auf einem richtigen Golfplatz gibt es 18 Löcher, hier in Form von Eimern, die in den Boden eingelassen wurden. Mit einem Krückstock müssen die Spieler einen Softball darin versenken. Ganz nebenbei erfahren sie an jeder Station Wissenswertes über den Hof und das Dorf.

Insgesamt beteiligen sich an der 25. Brandenburger Landpartie rund 240 ländliche Betriebe. Offiziell eröffnet wird die Jubiläumsveranstaltung auch auf einem Inklusionsbetrieb, dem AWO Reha-Gut in Kemlitz im Fläming. Dort können schon seit 25 Jahren Menschen mit zum Teil schwerer Behinderung einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen. Alle Gastgeber und ihre Angebote finden sich in der Broschüre, die in der Geschäftsstelle von pro agro kostenlos erhältlich ist sowie im Internet unter www.brandenburger-landpartie.de

Seit über 25 Jahren engagiert sich der Verband pro agro für die Vernetzung und Vermarktung von Brandenburger Angeboten und Dienstleistungen aus den Bereichen Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie Land- und Naturtourismus.

Die Brandenburger Landpartie wird unterstützt vom Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg (MLUL). Zentrale Partner des Events sind der Landesbauernverband Brandenburg e.V. und der Brandenburger Landfrauenverband e.V.

Weitere Informationen erhalten Sie unter:

www.brandenburger-landpartie.de / www.proagro.de

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