Bürokratie aus Unternehmenssicht

Das Land Brandenburg legt ein beachtliches Tempo vor, um dem von der Wirtschaft zu Recht beklagten Ärgernis der Überregulierung beizukommen. Um den überbordenden Verwaltungsaufwand für Unternehmen (und Bürger) zügig zu entschlacken, hat das Parlament – wie berichtet – den Sonderausschuss Bürokratieabbau (Foto © Landtag Brandenburg / Stefan Gloede) eingesetzt, der den Prozess dokumentieren und dessen Transparenz unterstützen soll. Beim pro agro-Unternehmerstammtisch während der Grünen Woche hatte der Verband angeboten, dem Sonderausschuss via MLEUV zu dieser Thematik eine Liste von Beispielen aus dem Kreis seiner Mitglieder zur Verfügung zu stellen. Das erste Papier ist dem Ministerium am 20. Februar 2025 zugegangen. Wir berichten über einige der größten administrativen Belastungen unserer Branche und denkbare Lösungsvorschläge aus den Reihen der Unternehmerschaft.

Zunächst ist festzuhalten, dass Bürokratie per se kein Teufelswerk ist. So betont das Expertenteam der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) in einer Faktensammlung zum Thema Bürokratie vom Februar 2024 (siehe hier), dass „ein gewisser Regulierungsrahmen“ notwendig ist, um das Funktionieren von Staat und Wirtschaft zu organisieren. „Sie bestimmt den Handlungsspielraum von Unternehmen, schützt den Wettbewerb und schafft Rechtssicherheit.“ Dann allerdings folgt ein großes Aber:

„Die Komplexität und die Vielzahl der administrativen Hürden hierzulande haben sich auf ein Niveau hochgeschraubt, das von Unternehmen und Bürgern sowie von der Verwaltung selbst kaum noch zu bewältigen ist. Für die Wirtschaft entstehen dadurch Kosten in Milliardenhöhe, die ständig weiter anschwellen … Die Bürokratie wird zunehmend zum Standortnachteil. Warum in Deutschland investieren, wenn es anderswo schneller, einfacher und damit günstiger geht?“.

In Deutschland macht die überbordende Regulierungswut vor keiner Branche, Region und Regierungsebene Halt. Wie sich dieser (teilweise unhaltbare) Zustand auf den betrieblichen Alltag der Ernährungswirtschaft in Brandenburg auswirkt, hat pro agro auf Wunsch des MLEUV in einer Mitglieder-Umfrage ermittelt. Hier die Zusammenfassung der wichtigsten Unternehmer-Aussagen:

Datenerhebungen des Landes- und Bundesamtes für Statistik

Problem: Betriebe stehen infolge der behördlich verordneten Mitteilungspflicht in den unterschiedlichsten zeitlichen Abständen (pro Woche, Quartal und/oder Jahr) vor einem Wust administrativer Aufgaben. Das bindet in zunehmendem Maße wertvolle Personalressourcen und verursacht entsprechende Kosten. Verlangt werden u.a. Auskünfte bzw. Erhebungen über Produktion, Kostenstruktur, Jahresberichte, Investitionen (allgemein plus Umweltschutz), Energieeinsatz oder nicht systembeteiligungspflichtiger Verpackungen.

Lösungs-Vorschlag: Würde man die Abfragen bündeln und/oder zwischen den einzelnen Behörden einen effizienten Datenaustausch ermöglichen, ließen sich Zeit, Personal und Kosten sparen.

Hinzu kommt, dass alle geforderten Daten bereits durch Bilanzen und Steuermeldungen an das Finanzamt sowie die Sozialversicherungsträger übermittelt werden. Sie könnten also über Schnittstellen gezogen und ausgewertet werden. Der Datenschutz wäre nicht tangiert, da es sich bei den austauschenden Ämtern um öffentliche Stellen handelt und somit ein Datenmissbrauch nicht zu unterstellen ist.

Beantragung von Fördermitteln

Problem: Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen verzichten eher darauf, Fördermittel zu beantragen oder in Anspruch zu nehmen, da sie aus Zeitgründen die Fristen nicht einhalten oder die Formulierung von Zwischenberichten nicht leisten können. Wetterabhängige oder unvorhersehbare Schieflagen der Betriebe finden häufig keine Berücksichtigung. Den Antragstellern ist es meist nicht möglich, finanziell in Vorleistung zu treten, da die Auszahlungen durch die Behörden auf sich warten lassen. Schon kleine Verfahrensfehler der Antragsteller können dazu führen, dass sie keine Mittel erhalten.

Lösungs-Vorschlag: Projektanträge, Beschreibungen des Vorhabens und Finanzpläne sollten vereinfacht oder reduziert werden, um die Attraktivität bestimmter Förderprogramme zu steigern.

Des Weiteren wäre ein Förderportal denkbar, in dem alle Unternehmensdaten gespeichert werden, so dass individuelle Daten dem jeweiligen Antrag nur noch hinzugefügt werden müssen. Wünschenswert wäre ferner eine einheitliche Digitalisierung ohne zahlreiche Logins und Passwörter. Digital gestellte Anträge sollten ohne Original-Unterschrift eingereicht werden können.

Bauliche Genehmigungsverfahren

Problem: Stallumbauten oder die Installation von Photovoltaik-Anlagen sind mit langwierigen, oft widersprüchlichen Genehmigungsprozessen verbunden. Gründe sind die unterschiedlichen Vorschriften von Landwirtschafts-, Umwelt- und Baubehörden sowie ggf. der Denkmalschutzbehörde. Bei der Beantragung von Vorhaben stellen mehrere Abteilungen unterschiedliche Anforderungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten. In einigen Landkreisen müssen Antragsteller bis zu sechs analoge Vervielfältigungen zzgl. CD-Rom etc. für einen Bauantrag beibringen.

Lösungs-Vorschlag: Um den Arbeits- und Zeitaufwand für beide Seiten (Antragsteller/Genehmigungsinstanz) zu minimieren, sollte es möglich sein, die Unternehmensstammdaten bei den Landkreisen zu hinterlegen und bei Bedarf für ein entsprechendes Vorhaben (z.B. Bauantrag) individuell zu ergänzen.

Zur Vermeidung von Kostensteigerungen wegen langer Wartezeiten sollten die Behörden die Genehmigungsverfahren verschlanken und digitalisieren. Im Falle einer ökologischen Baubegleitung sollten die wirtschaftlichen Folgen im Blick bleiben.

Tierhaltung und -schlachtung

Problem: Zahlreiche Dokumentationen laufen parallel wie z.B. die Tierbestandsmeldung (HIT-Datenbank, Antibiotika-Monitoring, QM-System) oder die Meldung über die Tierhaltung bei der Tierseuchenkasse und dem zuständigen Veterinäramt mit gleichen Daten. Auch Stallbuch und Weidetagebuch müssen in digitaler und analoger Form parallel gepflegt werden. Die Flut von Vorschriften und Dokumentationen macht es Kleintierhaltern unmöglich, diese gewissenhaft umzusetzen; die Bearbeitung verursacht unverhältnismäßig hohe Kosten. Bei der mobilen Schlachtung gelten je nach Landkreis unterschiedliche Vorschriften und Genehmigungsverfahren; teilweise gibt es in Brandenburg hier auch Verbote.

Lösungs-Vorschlag: Vorschriften sollten landkreisübergreifend vereinheitlicht und vereinfacht werden. Eine zentrale, digitale Eingabe aller Daten oder eine automatische Synchronisation bzw. digitale Schnittstelle zwischen den Behörden würde dem Landwirt aufgrund der nur einmaligen Datenerfassung eine wesentliche Zeitersparnis bringen. Weiter würden alle Behörden über die gleichen Daten verfügen, um auch im Seuchen- oder Krisenfall schneller handeln zu können. In diesem Sinne sollten Ergebnisse und Dokumente der bestehenden Expertenfachgruppe Fleischhygiene des Landes Brandenburg als verbindlicher Verfahrensprozess für alle Landkreise festgelegt und anerkannt werden.

Weitere Kritikpunkte

Die Betriebe halten es beispielsweise im Personalwesen für wünschenswert, die behördlichen Auflagen und bürokratischen Hemmnisse auf ein sinnvolles und machbares Maß einzudämmen. Das betrifft insbesondere die Vorschriften für Arbeitsunfähigkeit, Arbeitszeiterfassung sowie saisonale und ausländische Arbeitskräfte. Auch der Verpackungsbereich ist mit einer Vielzahl von Regularien belegt, die den administrativen Aufwand für die Unternehmen erheblich belastet.