Branchenbarometer Ernährungswirtschaft Brandenburg: Lage weiter angespannt, Erwartungen an Politik eindeutig, KI noch kein Thema
Halbjahresumfrage 2024 von pro agro zeigt realistisches Bild der Stimmung in den Unternehmen
Schönwalde-Glien – 111 Unternehmen haben sich im Juli und August an der Befragung für das pro agro-Branchenbarometer zur Jahresmitte beteiligt. Neben den obligatorischen Fragekomplexen zur allgemeinen wirtschaftlichen Lage kamen Sonderfragen zum Dauerthema Personalmangel, zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz und zum Blick auf die Landtagswahlen hinzu.
Aktuelle wirtschaftliche Situation der Branche
Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmer geben an, dass sich seit Beginn des Jahres ihre Prognose zu den Geschäftsaussichten im Vergleich zum Vorjahr verändert hat. Bedenklich dabei: 51 Prozent davon beurteilen die Aussichten schlechter als noch in ihrer Prognose zu Jahresbeginn und 12 Prozent deutlich schlechter. Bei der Lagebeurteilung werden als Hauptgründe, die auch für das 2. Halbjahr prognostizierten, anhaltend hohen Kostenbelastungen in den Bereichen Löhne/Gehälter, Energie und Rohstoffpreise von deutlich über der Hälfte der Befragten benannt. Von einem Drittel der Befragten werden auch noch weiter zurückgehende Absatzmengen beklagt. Nach positiven Tendenzen für die Erzeugerpreise gefragt, glauben 49 Prozent, dass keine Veränderungen zu erwarten sind, 39 Prozent hoffen auf leichte Anstieg.
Kai Rückewold, Geschäftsführer des Verbandes pro agro: „Es gibt nach wie vor mehr Verlierer als Gewinner in der Inflationskrise. Es gibt Unternehmen, die bei Absatzmengen wieder ein wenig Plus vermerken. Für die Mehrheit der Unternehmen bleibt es unverändert: Die Kosten sind hoch, Absatz und zu erzielende Preise stagnieren – es wird von der Substanz gelebt oder gespart, wo es nur geht. Das Hauptaugenmerk muss daher auf Absatzförderung liegen, um das Marktgewicht für regionale Produkte zu stützen.“
Vor der Landtagswahl in Brandenburg
Was wünschen sich Unternehmen von den politischen Entscheidern nach der Landtagswahl in Brandenburg am 22. September? Vier Themen liegen bei knapp 50 Prozent der Befragten nahezu gleichauf:
Reduzierung von bürokratischen Lasten (49%)
Offensive der Landesregierungen in Brandenburg/Berlin zur Stärkung des Selbstversorgunggrades (45%)
Bessere Förderangebote für Investitionen ohne KMU-Barrieren (44%)
Weitere finanzielle Unterstützung bei Verbraucherkampagne für regionale Produkte (43%)
Nur 14 Prozent der Unternehmen haben keinerlei Erwartungen mehr an die Politik.
Innovations-Hoffnung Künstliche Intelligenz (KI)?
In der Ernährungswirtschaft sind KI-Anwendungen noch nicht in der Breite angekommen. 70 Prozent der befragten Unternehmen haben bisher keine Berührungspunkte, 30 Prozent berichten von ersten Anwendungen. Überraschend allerdings, dass bei diesen Unternehmen KI kaum in Prozessen der Produktion, des Vertriebs oder Personalplanung vorkommt (alle Werte unter 20 Prozent). Hauptanwendungsbereiche sind Textbearbeitung, Korrespondenz und Werbung. Verankert ist das Thema überwiegend bei den Inhabern und in der Geschäftsleitung: bei den Nichtanwendern fehlen Ideen für die praktische Anwendung oder fehlendes Wissen zu Vorteilen.
Dauerthema Personalbeschaffung
Aufgrund der wirtschaftlichen Sorgen ist der Arbeitskräftemangel nach wie vor akut, aber nur 44 Prozent der Unternehmen beklagen aktuellen Arbeitskräftemangel. Hauptsorge ist nach wie vor die Stabilisierung der Personaldecke in den Bereichen Hilfskräfte und Fachpersonal in der Produktion (jeweils 59%). Allerdings geben auch 37 Prozent der Unternehmen Engpässe bei Verkaufspersonal an. Und was tun die Unternehmen, um Personal zu gewinnen? 56 % gaben an, dass neue Mitarbeiter über bereits bestehende Mitarbeiter geworben werden. 50 % wählten Stellenangebotsoffensiven als wichtigen Punkt aus. Dabei gaben 79 Prozent der Unternehmen Social-Media als Hauptrekrutierungsplattform an, gefolgt von der eigenen Unternehmenswebseite (68%). Im öffentlichen Raum werden Plakate/Aushänge (36%) und Zeitungen (29%) genutzt.
Viele Unternehmen glauben, dass ein starker Hebel bei einer Verbesserung der Angebote zur beruflichen Integration durch die Arbeitsagentur liegen könnte. Jeweils 28 Prozent wünschen sich mehr überbetriebliche Schulungs- und Fortbildungsinitiativen der Branche und eine Landeskampagne zur Imageförderung vom Arbeitsplatz „Land- und Ernährungswirtschaft“.
Hintergrundinfo zum pro agro Branchenbarometer:
Rund 550 Unternehmen wurden an der Online-Befragung beteiligt, 111 Unternehmen haben mitgemacht: davon sind über 50 Prozent als GbR, GmbH, OHG oder KG organisiert, der andere Teil besteht aus KMUs und Einzelunternehmen. Das Branchenbarometer hat keinen Anspruch auf wissenschaftliche Repräsentativität. Über 60 Prozent der Umfrageergebnisse kommen direkt von pro agro – Mitgliedern.
Der Agrarmarketing-Verband pro agro e.V. engagiert sich seit über 30 Jahren für die Vernetzung und Vermarktung von Brandenburger Produkten und Dienstleistungen aus den Bereichen Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie Land- und Naturtourismus. Ein Team von aktuell 16 Mitarbeitern betreut zudem eine Vielzahl von Zukunftsprojekten zur Stärkung der Branche und des ländlichen Raums in Brandenburg/Berlin.