Agargenossenschaft Neuzelle: Geschlossene Kreisläufe als Qualitätsmerkmal

„Wir sind ein Mehrfamilienbetrieb im Südosten Brandenburgs“, heißt es auf der Website des landwirtschaftlichen Betriebes. Das klingt ein bisschen nach Understatement, wenn man weiß, was sich hinter dieser Selbstbeschreibung verbirgt: ein mit modernster Technologie ausgestattetes und über 18 Gemeinden bzw. 13 Standorte „verstreutes“ Unternehmen, das sich in der Hand von über 60 Familien, sprich: aktiven Genossenschaftsmitgliedern befindet. Rechnet man die angestellten Mitarbeiter hinzu, summiert sich die Gesamtzahl der Beschäftigten auf 150; und die 5.000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche verteilen sich „wie ein großer Flickenteppich von einem zum anderen Zipfel“ auf ca. 50 Kilometer, so Frank Matheus (Foto), Vorstandvorsitzender der Genossenschaft und damit Chef des multifunktionalen Unternehmens.

Die 1991 gegründete Genossenschaft beackert heute rund 3.500 Hektar Land, das sind etwa 70 Prozent ihrer Gesamtfläche. Die verbleibenden 30 Prozent sind stillgelegt, schwer zu bewirtschaften oder dienen als Rinderweide. Mit Ausnahme der Kartoffeln, die vermarktet werden, sind die angebauten Feldfrüchte (darunter Silomais, Getreide, Luzerne, Lupine oder Sonnenblumen) hauptsächlich den Futtertrögen der Tiere vorbehalten. Nicht umsonst lautet der Firmen-Slogan „Alles aus einer Hand“, wobei hier mehr als nur die praktisch autarke Futterproduktion für die über 2.500 Rinder (darunter 800 Milchkühe) und 2.400 Mastschweine (plus 1.000 Ferkel) gemeint ist: Auch die Verarbeitung zu verkaufsfähigen Produkten geschieht in Eigenregie.

Mit einer Ausnahme: Die rund 8,5 Millionen Liter Milch, die die Kühe praktisch als „Gegenleistung“ für gute Haltung und gehaltreiches Futter abgeben, gehen komplett nach Leppersdorf zu Sachsenmilch und werden dort zu allerlei Mopro-Spezialitäten veredelt. „Wir generieren damit zu wenig Absatz, das rechnet sich für uns nicht“, erklärt Frank Matheus (Foto). Was sich im Unterschied dazu rechnet, ist der Verkauf von Wurst- und Fleischwaren aus eigener Produktion. Dazu betreibt die Genossenschaft einen eigenen Schlachthof mit 16 bis 18 Mitarbeitern, wo im Schnitt 70 Schweine und fünf Rinder pro Woche geschlachtet, zerlegt und zu Wurst (40 Sorten), Schinken, Fleischsalaten und Frischfleisch verarbeitet werden.

Nicht zu vergessen: die Kartoffeln. Sie werden teils direkt an Endverbraucher verkauft oder zu unterschiedlichen Salaten verarbeitet, und zwar ganz im Sinne der regionalen Wertschöpfung, also unter Einsatz von Kunella-Mayonnaise oder Spreewälder Gewürzgurken und anderen heimischen Zutaten. Dabei handelt es sich um eine Spezialität in einem weit gefassten Sinn. Dazu der Genossenschafts-Chef: „Wir ernten rund ein Drittel weniger Kartoffeln als die Kollegen in den großen Anbaugebieten Deutschlands. Außerdem wässern wir unsere Kartoffeln nicht, so dass sie langsamer wachsen und dadurch mehr Geschmack haben. Das macht unseren Kartoffelsalat teurer als den von anderen Herstellern. Und trotzdem wollen die Verbraucher unser Produkt. Vor Weihnachten 2023 haben wir zwei Tonnen pro Woche produziert.“ Dieses Konzept bewährt sich übrigens nicht nur in harter Währung, sondern brachte auch einen geldwerten Vorteil, on top sozusagen: den pro agro-Marketingpreis 2024 in der Kategorie Direktvermarktung.

Vertrieben werden die Produkte hauptsächlich in Brandenburg – sei es in der eigenen Landfleischerei oder dem so genannten Bauernmarkt in Neuzelle, wo unter dem Label „Neuzeller Bauernfleiß“ Fleisch- und Wurstwaren (nebst Imbiss), Kartoffeln und Gemüse sowie sonstige regionale Produkte angeboten werden. Neben zwei weiteren stationären Geschäften in Guben und Eisenhüttenstadt ist zusätzlich ein Verkaufswagen im Einsatz, der die Standorte Eisenhüttenstadt, Cottbus und Müllrose zu festen Wochenmärkten abfährt.

Darüber hinaus zählt die Genossenschaft Großverbraucher wie Gastronomie, Krankenhäuser, Altenheime, Kitas und vergleichbare Institutionen zu ihren Abnehmern. Hier kommt die Großhandelstochter Früchtequelle ins Spiel, die zum Beispiel Kartoffeln in abgepackter Form an Obst- und Gemüsehändler, Raiffeisenmärkte und andere Wiederverkäufer liefert. Zum Portfolio gehört hier auch geschälte Ware für Großküchen in Berlin – immerhin 500 bis 600 Tonnen pro Jahr.

Zu guter Letzt ist man im klassischen Lebensmitteleinzelhandel vertreten, wenn auch (noch) nicht flächendeckend, jedenfalls mit Blick auf Verbreitungsgebiet und Handelspartner. Konkret: Derzeit stehen vor allem selbstständige Kaufleute der EDEKA (einschließlich „nah & gut“) sowie deren filialisierte „Marktkauf“-Großflächen auf der Kundenliste – und auch nicht in der gesamten Hauptstadtregion, sondern lediglich in Brandburg bis vor die Tore Berlins. Und warum nicht bei REWE? „Gelistet werden ist nicht leicht“, sagt Frank Matheus und fügt hinzu: „Da muss man dicke Bretter bohren. Wir wollen erst mal das Geschäft mit EDEKA ausbauen, was aber nicht heißt, dass wir nicht offen für andere Handelsunternehmen sind.“