„Emmas Kaufhalle“ als digitaler Supermarkt

In den ersten beiden Folgen über die Vermarktung von landwirtschaftlich erzeugten und verarbeiteten Produkten haben wir verschiedene Modelle von Verkaufsautomaten, deren Beschaffungskosten und Einsatz sowie die optimalen Bedingungen für erfolgreiche Geschäfte vor Ort vorgestellt (siehe pro agro-Newsletter 04/2025 und 05/2025). Zum Abschluss der Thematik beschreiben wir anhand eines konkreten Beispiels aus einer ländlichen Region Brandenburgs, wie Direktvermarktung ohne Verkaufspersonal in der Praxis funktioniert – von der Idee über den unternehmerischen Alltag bis zu neuen Perspektiven. Die Rede ist von „Emmas Kaufhalle“ in Teschendorf (Oberhavel), erst seit Juni 2024 am Start, aber schon durchgestartet und mit dem pro agro-Marketingpreis 2025 ausgezeichnet. Mitbetreiber Patrick Scheuermann lässt uns an seinen Erfahrungen teilhaben.

Als die beiden befreundeten Familien Scheuermann und Lambeck eines Sonntags bei schönstem Wetter mal wieder bei Kaffee und Kuchen zusammensaßen, fassten sie den spontanen Entschluss, den erholsamen Nachmittag mit einem Grillabend ausklingen zu lassen. Doch ein Blick in den Kühlschrank machte schnell klar, dass sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht hatten: kaum Grillgut. Also steuerten die beiden Männer den nächsten Tankstellen-Shop an und wurden fündig, wenn auch mit gewissen Einschränkungen bei Menge und Qualität der Ware. Dafür fiel der Preis umso heftiger aus. Dieser Sachverhalt lieferte genügend Gesprächsstoff für die abendliche Diskussion, förderte aber auch die Kreativität der Gedanken und führte schließlich zu einer Idee.

Warum nicht der ländlichen Bevölkerung auch abseits urbaner Knotenpunkte Zugang zu Lebensmitteln des täglichen Bedarfs verschaffen? Und warum nicht gleich sieben Tage in der Woche rund um die Uhr? Die Verkaufsautomaten-Idee war geboren und wurde zügig umgesetzt. Allerdings sollte das Geschäft nur im Nebenerwerb betrieben werden. Was die Sache beflügelte, war die Tatsache, dass die Protagonisten vom Fach sind: Patrick Scheuermann und seine Frau Susanne sind studierte Betriebswirte (Fachrichtung Handel) und beide in verwandten Berufen tätig – er (anfangs) im Lebensmitteleinzelhandel, sie im Lebensmittelgroßhandel. Und Kompagnon Christian Lambeck leitet als „Vollblut-Unternehmer“ seine eigene Gebäudereinigungsfirma. „Eine perfekte Kombination“, betont Patrick Scheuermann.

Alles im grünen Bereich: die Ehepaare Scheuermann (links) und Lambeck.

Tatendrang, Kreativität und Know-how sind aber nur die eine Seite der Medaille, die andere ist das liebe Geld. Die Investitionen summieren sich immerhin auf einen „gut sechsstelligen Betrag“, verrät Patrick Scheuermann, „das schüttelt man nicht so einfach aus dem Ärmel“, fügt er hinzu. Einen namhaften Teil haben die beiden Familien aus dem Ersparten aufgebracht, der Rest wird finanziert mit einem Bankkredit und Fördermitteln des LEADER-Programms Brandenburg (über das Programm berichteten wir im pro agro-Newsletter Ausgabe 05/2025). Allerdings müsse man „einen langen Atem haben“. sagt er. Obwohl die Förderung vor eineinhalb Jahren beantragt und genehmigt worden sei, fließt das Geld erst 2026.

Gleichwohl haben die beiden Familien – als Gesellschafter fungieren je zur Hälfte Susanne Scheuermann und Christian Lambeck – ihr Start-up zügig eröffnet, und zwar exakt am 1. Juni 2024. Als Standort haben sie einen geschichtsträchtigen Standort in Teschendorf gefunden, nämlich den ehemaligen Tante-Emma-Laden, wo sie sich eingemietet und ihre Verkaufsautomaten nach ein paar Umbauten untergebracht haben. Diese stehen in einem für die Öffentlichkeit weder zugänglichen noch einsehbaren Raum. Der gesamte Prozess ist vollständig digitalisiert: Im separaten Eingangsbereich wählen die Kunden an einem Display die gewünschte Ware aus und bezahlen sie mit Karte oder Smartphon (keine Barzahlung). „Backstage“ sammeln die Automaten die gewünschten Produkte ein und transportieren sie auf Bändern in den Verkaufsraum.

Durch die Digitalisierung braucht man keine Mitarbeiter vor Ort, selbst von zu Hause aus lassen sich einzelne Prozesse mit dem Laptop steuern. Wirklich Hand anlegen muss man lediglich beim Bestücken der Automaten – und das bewerkstelligen die beiden Familien in Eigenregie – und zwar in der Regel morgens zwischen fünf und acht Uhr. Wollte man allerdings das automatisierte Verkaufskonzept auf mehrere Standorte erweitern, müsste man wohl doch einen Mitarbeiter einstellen, der die nötigen Handgriffe wie Befüllen, Reinigen etc. ausführt.

Großer Andrang: Schlange stehen im Verkaufsraum.

Im Vergleich zu anderen automatisierten Verkaufsstellen ist das Angebot in „Emmas Kaufhalle“ mit seinen mehr als 600 Artikeln sehr umfangreich, und zwar nicht nur zahlenmäßig, sondern auch mit Blick auf die unterschiedlichen Warengruppen. Das Motto „Alles für den täglichen Bedarf“ wird hier sehr ernst genommen, weniger in der Sortimentstiefe natürlich, aber in der Sortimentsbreite – von Frischware (Obst & Gemüse, Brot- & Backwaren, Fleisch & Wurstwaren, Molkereiprodukte etc.) über Convenience, Tiefkühlkost, Getränke und vieles mehr bis zu Drogerieartikeln oder Tabakwaren.

Die Standardware zu Befüllung der Automaten wird von EDEKA und Lekkerland geliefert. Hin und wieder schaut man auch bei der Metro vorbei, um sich mit Aktionsware einzudecken. Vieles kommt auch von regionalen Partnern der Erzeugerebene. Ganz wichtig: „Bei den Preisen orientieren wir uns an EDEKA und REWE. Wir sind also nicht teurer als der klassische Supermarkt. Da wir langfristig am Standort erfolgreich sein wollen, werden wir keine Mondpreise aufrufen“, bekräftigt Patrick Scheuermann.

Das Konzept ist bei der Bevölkerung hervorragend angekommen, und zwar nicht nur als Einkaufs-, sondern auch als Begegnungsstätte. Die Wege kreuzen sich nicht selten im Verkaufsraum, also nutzt man die Zeit für einen kleinen Plausch. Das hat sich rumgesprochen, und nicht selten landen Anfragen aus anderen Dörfern in Teschendorf auf dem Tisch, ob die beiden Ehepaare nicht auch anderswo aktiv werden könnten. In der Tat ist ein solches Expansions-Vorhaben nicht nur spruchreif, sondern befindet sich bereits in der Umsetzung, und zwar unter dem Stichwort „Outdoor-Container“.

Nicht zu übersehen: Starker Auftritt zur Eröffnung.

Dazu Patrick Scheurmann: „Da es an interessanten Standorten nicht immer die entsprechende Immobilie gibt, haben wir uns für die mobile Variante in Form eines Übersee-Containers entschieden.“ Das sind die Fracht-Ungetüme, die mit den Standardmaßen von ungefähr zwölf Meter lang, drei Meter breit und vier Meter hoch tausendfach über die Weltmeere transportiert werden. Die riesige Metallkiste braucht für den Zweck einer Einkaufsstätte „nur“ eine standsichere Bodenplatte, Öffnungen für Fenster und Eingangstüre, Holzverkleidung außen, Einbauten innen sowie Strom- und Wasseranschluss. „Das war’s“, sagt er, als sei das die leichteste Übung. „Damit kann man eigentlich in jedem Ort aktiv sein.“

Tatsächlich sind die Unternehmer-Familien auch in diesem Punkt schon aktiv: Der erste Expansions-Standort wird in Sommerfeld (Ortsteil von Kremmen) sein. Die Genehmigung liegt seit kurzem vor, eröffnet wird voraussichtlich im ersten Quartal 2026. Stillstand ist den befreundeten Partnern fremd: Schon haben sie ein Auge auf Potsdam geworfen, wo ein neues Wohngebiet erschlossen wird. Auch mit dem Standort Zehlendorf (bei Oranienburg) beschäftigen sie sich gedanklich.

Picnic: Mehrwert für regionale Hersteller

Der mobile Lebensmittelvermarkter ist 2015 als Start-up in den Niederlanden gegründet worden. Das Unternehmen hat dort ein so rasantes Wachstumstempo vorgelegt, dass es schon drei Jahre später nach Deutschland expandierte. Als Testmarkt hatte man sich Nordrhein-Westfalen ausgeguckt. Das hat sich schon deshalb angeboten, weil das bevölkerungsreichste Bundesland ein hohes Kunden-Potenzial versprach und außerdem als direkter Nachbar vom Firmensitz Amsterdam auf kurzem Wege zu erreichen war. Die Rechnung ist nicht nur aufgegangen, sondern hat die Erwartungen weit übertroffen. Nichts lag folglich näher, als den gesamten deutschen Markt aufzumischen. „Heute sind wir in nahezu allen Regionen Deutschlands vertreten und beliefern Haushalte in 230 Städten“, resümiert Frederic Knaudt, Mitgründer in Deutschland, der uns zusammen mit Carlos Álvaro Benito, Category Manager Obst und Gemüse bei Picnic Deutschland, Konzept und Marktbearbeitung des Unternehmens vorstellte.

In Deutschland von Anfang an dabei war und ist die EDEKA als Mitgesellschafter, Großhändler und Hauptlieferant von Ware. „Die Regionalgesellschaft Rhein-Ruhr hat uns seinerzeit beim Markt-Eintritt sehr unterstützt. Wir konnten von Anfang an, obwohl nur ein kleiner Player, zu den gleichen Konditionen wie die Supermärkte des EDEKA-Verbundes einkaufen“, erzählt Frederic Knaudt. Wobei Picnic neben Hersteller- auch EDEKA-Eigenmarken führt. Das Sortiment stammt nicht allein vom klassischen Großhandel, sondern wird ergänzt durch Produkte von anderen Partnern und Spezialitäten-Lieferanten aller Regionen, in denen man präsent ist. „Das ist ein nicht zu unterschätzender Mehrwert für unsere regionalen Partner“, ergänzt Carlos Álvaro Benito.

Frederic Knaudt, Mitgründer in Deutschland (links), und Carlos Álvaro Benito, Category Manager für Obst und Gemüse.

Was das Warenangebot angeht, kann Picnic mit jedem großen stationären Supermarkt mithalten: Rund 10.000 Produkte einschließlich großem Frischeangebot plus 1.600 Drogerieartikel sind ein Hinweis darauf, dass die Kunden aus dem Vollen schöpfen können. Um die Warenströme vom Lager bis zur Haustür des einzelnen Kunden im Griff zu haben, bedarf es einer ausgeklügelten Organisation. Die sieht bei Picnic folgendermaßen aus:

Über ganz Deutschland verteilt hat das Unternehmen zwölf Zentrallager, die in gut 80 kleinere, dezentrale Einheiten („Hubs“) untergliedert sind. Carlos Álvaro Benito erklärt das Prinzip am Beispiel Berlin: „In unser Zentrallager in Ludwigsfelde liefern die EDEKA und unsere regionalen Partner die von uns bestellte Ware, wobei wir nur diejenige Menge ordern, die wir auch verkaufen. Da unsere Lagerbestände relativ klein sind, können wir Abschriften weitgehend vermeiden. Dort wird die Ware kommissioniert und mit unseren LKWs auf zehn Hubs in der Hauptstadt verteilt. Hier wiederum holen unsere Fahrer mit ihren Elektro-Kleintransportern die für ihre Route bestimmte Ware ab und bringen sie zu den Kunden bis vor die Haustür.“

Bestens sortiert: Ware fertigmachen für die „letzte Meile“.

Im Schnitt beliefert jeder Fahrer (im Firmenjargon auch „Runner“ genannt) sieben Adressen pro Stunde. Die Hauptstadt und ihr „Speckgürtel“ werden praktisch komplett abgedeckt, während sich die Lieferziele in Brandenburg eher in den größeren Städten und Gemeinden befinden. Insgesamt liegt die Reichweite derzeit bei 1,9 Millionen Haushalten in der Region. In jedem Falle stellt ein solches teils eng- und teils weitmaschiges Liefernetz eine logistische Herausforderung dar.

Wertvolle Unterstützung leisten in diesem Punkt die Vertriebsrechner bzw. ein Algorithmus, der mit allen relevanten Daten gefüttert wird, die einen Einfluss auf die Fahr- und Lieferzeit haben (aktuelle Verkehrslage, Art der Ware, Größe des Warenkorbs, Dauer des individuellen Lieferstopps etc.). Daraus lässt sich ziemlich präzise errechnen, wann am Tag X der „Runner“ vor der Haustür des Kunden steht. Dieser wiederum kann anhand der Picnic-App verfolgen, wo sich die Lieferung gerade befindet und welche Person die bestellte Ware bringt. Jedenfalls sieht sich Picinic mit dieser Technik in der Lage, ein maximal 20-minütiges Zeitfenster anzubieten. Da eine Fahrt aus mehreren Zustellungen in einem Kiez besteht, nennt sich der Lieferservice auch „Milchmann-Modell“ – was den persönlichen Kontakt von Kunde und Fahrer einschließt.

Akkurat hochgestapelt: Ware kurz vor der Auslieferung.

Die Picnic-Vertriebsmannschaft weiß bis ins Detail, welche Produkte die Kunden in welchen Mengen haben wollen. Das ist ein großer Vorteil gegenüber dem stationären Handel, der über diese Informationen nicht verfügt und deshalb tendenziell größere Warenbestände vorhalten muss. Das kommt der Vermeidung von Lebensmittelabfällen nicht gerade entgegen. Der Online-Supermarkt spart also nicht nur Kosten, sondern dient auch der Nachhaltigkeit. Überdies entfallen durch seinen Verzicht auf stationäre Geschäfte die damit verbundenen Miet-, Ausstattungs-, Betriebs- und Personalkosten. Diese Einsparungen werden beispielsweise durch Verzicht auf die Erhebung von Liefergebühren direkt an die Kunden weitergegeben.

„Ein weiterer Vorteil unseres Modells ist die Möglichkeit, mit Hilfe unserer App die Konsumpräferenzen pro Kunde auszumachen“, sagt Frederic Knaudt. „Dadurch können wir umgekehrt auf gleichem Wege individuelle Produktvorschläge machen und unsere Abnehmer dazu ermuntern, mal was anderes zu probieren.“ Zum Beispiel Produkte aus anderen Regionen Deutschlands; das stößt nicht nur auf Interesse bei den Verbrauchern, sondern auch bei den Erzeugern und Verarbeitern von Lebensmitteln, da sich dadurch neue Vermarktungswege eröffnen.

„Generell sind wir immer auf der Suche nach regionalen Herstellern“, bekräftigt Carlos Álvaro Benito. „Deshalb war ich kürzlich auf der jüngsten pro agro-Warenbörse beim Spargelhof Klaistow. Ich habe dort viele interessante Gespräche und Kontakte gehabt. Die werde ich jetzt Zug um Zug nacharbeiten. Aber ich würde mich freuen, wenn potenzielle Partner aus Berlin und Brandenburg initiativ werden und auch auf mich zukommen.“

BioBackHaus Leib: Ein Pionier der Bio-Bewegung

Als Hans Leib sein BioBackHaus in der Nassauischen Straße (Berlin-Wilmersdorf) eröffnete, klang den meisten Kunden das Wort „Bio“ fremd im Ohr: exotisch, kultig und irgendwie geheimnisvoll. Heute, 45 Jahre später, ist seine Bäckerei und Konditorei ein florierendes Unternehmen mit knapp 250 Mitarbeitern und eine richtige Nummer in Berlin und Brandenburg, Trotz modernster Produktionsanlagen in Wustermark, wo sich der Firmensitz seit 2017 befindet, wird die Handwerkskunst gepflegt, werden Bio und nachhaltiges Wirtschaften gelebt sowie Regionalität im Wareneinsatz und in der Vermarktung großgeschrieben. Nach wie vor ist der Gründer und Inhaber am Werk: Als geschäftsführender Gesellschafter hält er die Fäden in der Hand, wird aber wegen der rasanten Geschäftsentwicklung von drei Managern in der Führungsarbeit unterstützt. Jochen Delaunay, Geschäftsleiter Vertrieb und Marketing, gewährt uns einen Blick hinter die Kulissen des Unternehmens.

Natürlich arbeiten nicht sämtliche Mitarbeiter in Wustermark. Schließlich nennt das BioBackHaus 14 Filialen sein Eigen, davon elf in Berlin und drei im Umland (Potsdam, Falkensee und Wustermark). In den Geschäften arbeitet die knappe Hälfte der Belegschaft; die andere in den Backstuben am Firmensitz in Wustermark, d.h. in der Bäckerei für Brot und Brötchen etc. sowie in der Konditorei für süße Ware (Kuchen, Törtchen etc.). In beiden Bereichen, die übrigens in getrennten Gebäuden auf dem Firmengelände angesiedelt sind, werden zahlreiche Variationen gefertigt, auch im saisonalen Wechsel. Zum Sortiment gehören außerdem herzhafte Snacks wie Käse- oder Bierstangen mit Gewürzen, kleine Pizzas und vieles mehr; belegte Brötchen werden in den Filialen vor Ort frisch zubereitet.

Nicht zu vergessen die elf Personen in der Verwaltung und die 19 Fahrer, die mit Firmenfahrzeugen die eigenen Filialen, den Fachhandel und andere Geschäftskunden belliefern. „Da wir die Logistik nicht komplett in Eigenregie bewältigen können, arbeiten wir mit einem externen Spediteur zusammen“, ergänzt Jochen Delaunay. Der logistische Aufwand ist immens: Im Schnitt summiert sich der Vertrieb auf ca. 170 Stopps bzw. Standorte pro Tag, wobei es sich dabei um einen Mix aus Strecken- und Lagerbelieferung handelt.

Grund zur Freude: Hans Leib (vorne links) und sein Führungsteam bei der Prämierung mit dem Zukunftspreis Brandenburg 2024. Mit von der Partie: Ehefrau Lea (vorne, 3. von links) und Jochen Delaunay (hinten rechts).

Der Vertrieb hat es wirklich in sich, muss doch die frische Ware „just in time“, also rechtzeitig vor Ladenöffnung in den eigenen Filialen sowie den Läden der Handelskunden sein, denn leere Regale am Beginn des Tages wären schlecht für’s Geschäft. Etwa 50.000 Brötchen und 1.500 „Falken“, der Renner unter den Broten, verlassen Tag für Tag die Bäckerei in Wustermark und werden pünktlich vor Ort abgeliefert. Allein diese beiden Beispiele vermitteln eine Vorstellung von dem notwenigen „Apparat“, der hinter Organisation, Produktion, Vertrieb und Vermarktung steckt.

Ohne maschinelle und computergesteuerte Unterstützung wäre der gesamte Prozess gar nicht zu steuern und zu stemmen. Damals in der Gründungszeit wurde das Mehl noch von Hand gemahlen, und zwar direkt in der Backstube in der Nassauischen Straße – ein geradezu romantisches Bild im Vergleich zu heute, wo täglich rund 1,5 Tonnen Mehl verarbeitet werden. Trotzdem nennt man sich selbst eine Manufaktur, in der handwerkliche Traditionen und Tugenden immer noch lebendig sind. Auch ganz praktisch, wie Jochen Delaunay betont: „Obstzutaten für unsere Gebäcke werden immer noch von Hand vorbereitet, zum Beispiel das Schneiden von Äpfeln oder das Entstielen der Erdbeeren. Das machen wir alles selber.“

Generell arbeitet die große Mehrheit des Bäckerhandwerks heute noch nach den herkömmlichen Methoden. In Zahlen: Rund fünf Prozent der Kollegen von Firmeninhaber Hans Leib haben sich dem Bio-Gedanken verschrieben. Doch immerhin wächst der Anteil der Bio-Bäcker behutsam, aber stetig. So gesehen, kann man Firmeninhaber Hans Leib mit Fug und Recht als Pionier der Bio-Bewegung bezeichnen. Ebenso konsequent hat er sich dem Prinzip „Regionalität“ verschrieben, vom Wareneinsatz bis zur Vermarktung. Bestes Beispiel ist wieder das Mehl: Hier sorgt die Getreidemühle H. Wolter aus Wustermark dafür, dass der Nachschub für die acht Getreidesilos der Bäckerei gesichert ist.

In Handarbeit: Der Guss auf dem Blechkuchen.

Was die Hauptsache ist: Die Nachfrage nach den Produkten ist stabil. Das lässt sich nicht nur an der „Basis“, also am Verbraucherverhalten in den eigenen Filialen festmachen, sondern auch an der Geschäftsentwicklung mit Firmenkunden – ein Bereich, in dem sich das Unternehmen bereits heute „breit aufgestellt“ sieht, wie es heißt. Zu den Stammkunden zählt hier der Lebensmitteleinzelhandel wie Edeka-Märkte, Bioläden und andere. Demnächst geht man auch bei 16 Penny-Märkten an den Start. Darüber hinaus werden etliche Kitas sowie die Messe Berlin mit Brot- und Backwaren beliefert.

Dabei soll’s aber nicht bleiben. signalisiert Jochen Delaunay. Weitere Handelspartner sind willkommen. Voraussetzung ist allerdings ein Mindestlieferwert von 70 Euro pro Tag und Standort.

Spreewald-Feldmann: Tradition mit Blick für die Zukunft

Landwirtschaftlich geprägt und im Herzen des Biosphärenreservats Spreewald verwurzelt blickt das Unternehmen auf eine langjährige Tradition bei der Veredelung von Gurken und Vermarktung von saurer Feinkost zurück. Aus dem einstigen VEB Spreewaldkonserve Lübben ist „eine der modernsten Produktionsstätten ihrer Art in ganz Europa geworden“, heißt es nicht ohne Stolz. Mit Übernahme von Feldmann durch die im Rheinland (Kerpen bei Köln) ansässige J. & W. Stollenwerk oHG, einem ausgewiesenen Spezialisten für qualitativ hochwertige Obst-, Gemüse- und Sauerkonserven, haben sich zwei Familienbetriebe zusammengefunden und -getan, um ihre wirtschaftliche Kraft zu bündeln. Das war im Jahre 2006. „Unsere Tochtergesellschaft operiert weitgehend autark, tritt also im Markt als eigenständiger Produzent von Sauerkonserven auf“, betont Moritz Mertens, Repräsentant der dritten Stollenwerk-Generation und Mitglied der Geschäftsführung.

An Superlativen herrscht in Lübben kein Mangel: Mehr als 28.000 Tonnen Gemüse werden dort jedes Jahr sauer eingelegt. Die verarbeiteten Gurken stammen zu 100 Prozent von Anbauflächen innerhalb des Spreewaldes und werden direkt vor Ort ohne lange Transportwege erntefrisch verarbeitet. Das steht nicht nur für ein regionales Qualitätsversprechen, sondern auch für praktizierte Nachhaltigkeit. Überdies gewährleistet die 25.000 qm große Lagerfläche das ganze Jahr über eine lückenlose Belieferung.

Hohe Maßstäbe legt das Unternehmen auch bei Anbau und Verarbeitung an. Sorten und Saatgut sowie landwirtschaftliche Flächen der Vertragsanbauer werden mit Hilfe eines strengen Auswahlverfahrens bewertet. „Durch den flächenmäßig begrenzten regionalen Anbau sind unsere echten Spreewald-Gurken eine wertvolle Rarität und kein Massenprodukt“, sagt Moritz Mertens.

„Der Spreewald liefert durch das feucht-warme Mikroklima, die Struktur des Bodens und die Qualität des Wassers ideale Bedingungen.“ Die Gurken werden einzeln von Hand geerntet und nach traditionellem Rezept mit frischen Kräutern und ohne künstliche Zusätze mit Würzaufguss eingelegt.

Grüne Woche 2025: Ministerpräsident Dietmar Woidke und Landwirtschaftsministerin Hanka Mittelstädt, flankiert von Willi Stollenwerk (rechts) und Moritz Mertens.

Dass Regionalität ernst genommen wird, spiegelt sich im Firmenlogo wider: Die Wort-Bild-Marke zeigt einen Fährmann in seinem typischen Spreewaldkahn auf dem von Bäumen gesäumten Wasserlauf (Fließ) – ein optischer Beleg für die Herkunft der Produkte. Juristisch gefestigt wird dieser Hinweis durch das europäische Siegel „geschützte geografische Angabe“ (g.g.A.). Darüber hinaus ist der gesamte Produktionsprozess IFS zertifiziert.

Unter der Marke „Feldmann“ werden im Sommer vor allem Gurken produziert und vermarktet; in der kalten Jahreszeit besteht das Sortiment dagegen hauptsächlich aus den klassischen Herbst- und Wintergemüsen wie Karotten, Sellerie, Rote Bete, aber auch Mixed Pickles, Sauerkraut oder Rotkohlvariationen. Vertrieben werden die Produkte in ganz Deutschland. Abnehmer sind vor allem der klassische Lebensmitteleinzelhandel (Edeka, Rewe). Vereinzelt ist man auch bei Aktionen in den Regalen der Discounter Aldi und Lidl als Herstellermarke präsent. Hinzu kommen Großflächen wie Kaufland, Globus und andere.

Gurken satt: Auf dem Weg in die Konservierung.

Über den Einzelhandel hinaus ist in die regionale Wertschöpfungskette der Großhandel wie Metro, Selgros oder Transgourmet integriert. Dort steht die Ware nicht nur in den handelsüblichen Gebinden für Endverbraucher, sondern auch in 4.250ml- oder 10.200 ml-Dosen für Großverbraucher zur Verfügung. Das zweitwichtigste Vertriebs-Standbein von Feldmann sind die Spezialprodukte für die Feinkost-Industrie. Hier wird die Ware in Großdosen (12.300 ml) und unterschiedlichen Verarbeitungsformen (Würfel, Scheiben, Streifen) sowie zusätzlich als biologisch angebaute Rohstoffe angeboten. „Unsere Gurken findet man in vielen Fleisch- und Gemüsesalaten namhafter deutscher Lebensmittelproduzenten“, ergänzt Moritz Mertens.

Bei aller Wertschätzung der Herstellung und Vermarktung traditioneller Produkte ist der Blick für die Zukunft nicht verstellt: Aufgrund des gesellschaftlichen Trends zu Nachhaltigkeit und vegetarischer/veganer Ernährung hat man in Kerpen, also bei der Muttergesellschaft, eine neue Produktlinie auf Basis heimischer Hülsenfrüchte aufgebaut. Konkret geht es um veredelte Kichererbsen für allerlei Verzehranlässe, die Stollenwerk zurzeit im Handel einführt. Ziel ist, dass im Laufe des kommenden Jahres ein vergleichbares Teilsortiment auch in den Regalen der Handelskunden von „Original Spreewald-Feldmann“ steht – ein Beispiel für die Nutzung von Synergien zum Wohle beider Unternehmen!

Verkaufsautomaten: (Fast) Alleskönner für den täglichen Bedarf

In der ersten Folge über die Vermarktung von landwirtschaftlich erzeugten und verarbeiteten Lebensmitteln haben wir im pro agro-Newsletter (Ausgabe 04/2025) über den Einsatz von Verkaufsautomaten berichtet. Es wurde herausgearbeitet, dass man sich je nach Verwendung und Sortiment zwischen unterschiedlichen Modellen entscheiden kann und muss. In der aktuellen Ausgabe geht es um die Beschaffungskosten (einschl. öffentliche Förderung) und Nutzungsdauer der Geräte sowie um das kleine Einmaleins der Verkaufspraxis wie optimale Standortwahl, unterschiedliche Bezahltechniken am Gerät sowie Einsatz von Telemetrie zur Steuerung und Überwachung des Prozesses. Zur Beschreibung und Vertiefung dieser Aspekte nehmen wir wieder eine inhaltliche Anleihe bei einem Fachartikel von Kristin Rotherm, Redakteurin des Fachmagazins „HOF direkt“ (Landwirtschaftsverlag, Münster). Ein Erfahrungsbericht aus Brandenburg rundet den Beitrag ab.

Ist die Entscheidung für den Erwerb eines Verkaufsautomaten gefallen, sollten die künftigen Betreiber bei den ersten Hersteller-Verhandlungen diese und weitere Punkte klären: Art und Umfang des Sortiments, Fassungsvermögen und geplanter Standort des Automaten, Bezahltechnik, Telemetriesystem, Wartung und Reparatur. Je nach Standort und Umschlaghäufigkeit der Produkte verfügen die Geräte über eine Nutzungsdauer von etwa zehn Jahren. Diese (ungefähre) Ziffer ist bei der Investitionsplanung zu berücksichtigen, da der finanzielle Aufwand „nicht ohne“ ist: Abhängig von Größe und technischer Ausstattung der Automaten variieren die Beschaffungskosten für neue Geräte zwischen 9.000 Euro und 16.000 Euro. Allerdings ist es nicht zwingend nötig, einen Verkaufsautomaten zu kaufen. Es gibt Hersteller, die auch Leasingverträge anbieten.

Gute Standortwahl: Ein Kindergarten im Umfeld ist lohnend.

Darüber hinaus sollte man vor der Kaufentscheidung eruieren, ob sich die öffentliche Hand für Investitionen dieser Art spendabel zeigt und Fördergelder zur Verfügung stellt. Hinter der EU-Initiative namens „LEADER“ verbirgt sich z.B. ein solcher Geldtopf, wobei der Begriff „LEADER“ eine französische Abkürzung für Liaison Entre Actions des Développement de l’Économie Rurale“ ist.

Hinter dieser „Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft“, wie es auf deutsch heißt, steht zwar die EU, aber organisiert ist die Initiative strikt regional. So hat uns Heiko Bansen, Sprecher der LEADER-Gruppen Brandenburg Folgendes mitgeteilt:

„Die Verkaufsautomaten sind als wirtschaftliche Vorhaben laut LEADER-Richtlinie grundsätzlich förderfähig.

Die Entscheidung über die konkrete Förderung fällt in den einzelnen LEADER-Regionen im Rahmen von Projektauswahlverfahren in einer Art Wettbewerb. Die dabei geltenden Schwerpunkte können sich von Region zu Region unterscheiden. Gleiches gilt für die Fördersätze. Interessierte sollten deshalb jeweils den Kontakt zum zuständigen Regionalmanagement suchen.“ Dabei kann der folgende Link helfen: siehe hier.

Durch die oftmals große Dichte an Einkaufsmöglichkeiten wird kein Kunde weite Wege auf sich nehmen, nur um ein paar Grundnahrungsmittel im Automaten zu kaufen. Direktvermarkter sollten deshalb ein Einzugsgebiet von etwa fünf Kilometern ins Auge fassen und folgende Fragen klären: Wer wohnt im Umfeld? Gibt es hier einen Rad- oder Wanderweg? Wie sieht es mit anderen Einkaufsmöglichkeiten aus? Befinden sich Büros in der Nähe? Handelt es sich um ein Neubaugebiet? Hat der Automat direkten Anschluss an einen Spielplatz? Hintergrund dieser und ähnlicher Fragen: Das Sortiment muss dem Standort und der Kundenstruktur angepasst werden. Und: „Mülleimer sind Pflicht, Sitzgelegenheiten die Kür“, schreibt Kristin Rotherm.

Was das Bezahlsystem angeht, akzeptieren moderne Geräte in jedem Fall Münzen und Scheine und verfügen über einen Geldwechsler. Da aber die Kunden heutzutage beim Einkauf zunehmend ihre Karten einsetzen, sind Automaten mit kontaktlosen Systemen gefragt. Das bringt mehr Flexibilität für die Kunden, bedeutet aber umgekehrt höheren finanziellen Aufwand für den Verkäufer, nämlich durch die Kosten für das Kartenlesegerät sowie die Transaktionskosten. Das gilt auch für die Ausstattung mit Telemetrie-Modulen, die allerdings zu einer deutlichen Entlastung bei den Arbeitsprozessen führen. Ihr Vorteil: Sie lassen durch Anzeige der Füllstände in Echtzeit nicht nur wertvolle Rückschlüsse auf das Kundenverhalten zu. Überdies signalisieren Alarm-Funktionen den bevorstehenden Ausverkauf von Produkten, einen unerwünschten Temperaturanstieg in den Geräten und andere technische Probleme.

Und wie stellt sich das Procedere in der Praxis dar? Wir haben mit Doreen Engelhardt von der Weidelandfarm am Riebener See (bei Beelitz) gesprochen, die fünf Verkaufsautomaten in Ihrem Umfeld betreibt, und zwar am eigenen Hof sowie in Beelitz, Michendorf, Nuthetal und Potsdam-Rehbrücke. Hier ihr Erfahrungsbericht: „Projektstart war im Jahr 2020; das Geschäft lief während Corona sehr gut an, flaute danach aber etwas ab. Es dauerte rund zwei Jahre, bis sich der Automat in den Köpfen der Verbraucher etabliert hatte. Wir haben ein eher überschaubares Sortiment, nämlich Eier und Wurst aus eigener Produktion und Honig von Imkern aus der Region. Es war anfangs schwierig, einen geeigneten Standort zu finden und zu klären, wer Eigentümer der Fläche ist, wie es mit der Stromversorgung aussieht und wer die Genehmigung mit welchen Auflagen für den Betrieb eines Verkaufsautomaten erteilt.

Freude am Geschäft: Doreen und Ralf Engelhardt setzen auf Verkaufsautomaten.

Die Mehrzahl unserer Geräte haben wir gebraucht gekauft. Da mein Mann gelernter Maschinenbau-Ingenieur ist, warten und reparieren wir die Automaten – so weit möglich – in Eigenregie und optimieren ihre Funktionen ganz nach den eigenen Bedürfnissen. Dadurch sparen wir Kosten, was sich positiv auf die Rentabilität auswirkt. Neue Standorte bewerben wir mit Handzetteln und kleinen Geschenken (Eier) in der unmittelbaren Umgebung und Gespräche mit den Nachbarn, um auf uns aufmerksam zu machen und einen persönlichen Bezug herzustellen. Mund-zu-Mund-Werbung ist hier das wirkungsvollste Mittel. Zu guter Letzt noch ein paar Tipps:

  • Mit Menschen sprechen, die bereits Erfahrungen mit dem Betreiben von Verkaufsautomaten haben
  • Standort sorgfältig und klug wählen
  • Geräte bekannter Hersteller und Marken wählen, um einen zuverlässigen Ansprechpartner für Wartungs- und Reparaturarbeiten zu haben
  • Begeisterung für das Geschäft haben, da es sich um eine arbeitsintensive Tätigkeit handelt: Jeden zweiten Tag lautet die Devise „prüfen, füllen, putzen“. Das betrifft das Warenangebot (Produktzahl und -präsentation) ebenso wie die äußere Sauberkeit.

Weitere Informationen über die Weidelandfarm am Riebener See finden Sie hier.

In der nächsten Ausgabe des Newsletters (erscheint am 26. Juni 2025) stellen wir die vollautomatisierte Verkaufsstelle namens „Emmas Kaufhalle“ in Teschendorf vor. Sie ist durchgängig geöffnet (24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche) und führt über 700 verschiedene Artikel des täglichen Bedarfs (von „A“ wie Apfel bis „Z“ wie Zahnbürste).

Fotos: Landwirtschaftsverlag, Münster

Runder Tisch Ernährungswirtschaft: Die Politik nimmt Tempo auf

Arbeitskräftemangel, hohe Energiepreise, verbunden mit der Notwendigkeit, mittelfristig auf regenerative Energieträger umzustellen, in Aussicht stehende Mindestlohnerhöhungen und eine überbordende Bürokratie: die Herausforderungen, vor denen die Ernährungswirtschaft auch im Land Brandenburg steht, sind gewaltig. Diese Themen prägten auch die Diskussion beim ersten Runden Tisch Ernährungswirtschaft 2025, zu dem das Ministerium für Land- und Ernährungswirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz (MLEUV) am 8. Mai nach Potsdam eingeladen hatte. Matthias Bruck, Pressesprecher des Ministeriums, fasst die wesentlichen Ergebnisse der Gesprächsrunde zusammen.

Die Idee dieses Runden Tisches, der von pro agro mit Unterstützung des Clusters Ernährungswirtschaft vorbereitet und durchgeführt wurde: die Unternehmen, die Vertreter ihrer Interessenverbände und die Politik an einen Tisch zusammenzubringen, Problemfelder zu benennen und gemeinsam nach Lösungswegen zu suchen, wie Politik mit geeigneten Maßnahmen die Lebensmittelbranche in Brandenburg sichern und stärken kann.

Die nachhaltige Verpflichtung dazu leitet das MLEUV aus dem Koalitionsvertrag der gegenwärtigen SPD/BSW-Regierung ab, in dem der Ernährungswirtschaft die Rolle einer tragenden Säule der regionalen Wirtschaftskreisläufe bescheinigt wird. „Vor diesem Hintergrund will die Koalition die unternehmerischen Kräfte stärken und den Selbstversorgungsgrad in der Region erhöhen. Dazu zählen insbesondere die Unterstützung der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte zu Lebensmitteln in der Metropolregion und der Vermarktung in der Region Berlin und Brandenburg“, heißt es dort.

Runder Tisch im Halbrund: Intensiver Austausch zwischen Politik und Ernährungsbranche (Foto: Matthias Bruck/MLEUV).

Das erste Zusammentreffen des Runden Tisches im Jahr 2025 diente der Standortbestimmung und der Priorisierung der Herausforderungen. Die Teilnehmerliste las sich wie ein Who is Who der Branche in Brandenburg: Bäcker, Brauer, Feinkost- und Konservenhersteller, Getränkeproduzenten, Fleischverarbeiter und Wurstwarenhersteller, Geflügel- und Legehennenbetriebe, Landwirtschaftsbetriebe, Molkereien, Wein- und Gartenbaubetriebe waren vertreten. Wichtig für die Branche auch die enge Verzahnung mit dem brandenburgischen Wirtschaftsministerium: Der stellvertretende Referatsleiter Energie Steffen Schlegel referierte über die Energiepolitik des Landes und rückte die Notwendigkeit der mittelfristigen Substitution von Erdgas durch Wasserstoff in den Mittelpunkt seines Vortrages. Ein Thema, das die energieintensive Ernährungswirtschaftsbranche besonders bewegt: Viele Unternehmen wie etwa Bäckereien nutzen derzeit noch überwiegend Gas und – so zeigte die Diskussion – benötigen konzeptionelle Hilfestellung durch die Politik bei der notwendigen Umstellung auf die sogenannten grünen Energien.

Unterstützung durch die Politik wurde von den Teilnehmern auch bei Arbeitskräftegewinnung und Bürokratieabbau angezeigt. Ministerin Hanka Mittelstädt sicherte zu, die zahlreichen Forderungen zum Abbau bürokratischer Hürden genau zu prüfen und, wo es rechtlich nötig ist, auch umzusetzen. „Ich lasse mich von dem Prinzip leiten, dass wir brandenburgische Regularien, die über das von Bund und EU geforderte Maß hinausgehen, kappen werden, um die Bürokratie abzubauen“, erklärte sie.

Ansprechpartner für die Branche: Dr. Detmar Leitow, ab 1. Juni 2025 Referatsleiter im MLEUV.

Darüber hinaus stellte die Ministerin den Teilnehmern den neuen, zukünftigen Ansprechpartner für die Ernährungswirtschaft im MLEUV vor: Zum 1. Juni übernimmt Dr. Detmar Leitow die Leitung des Referats, das künftig für die Ernährungswirtschaft zuständig ist. In der Branche ist Detmar Leitow kein Unbekannter: In den vergangenen zwölf Jahren leitete er das Cluster Ernährungswirtschaft bei der Wirtschaftsförderung Land Brandenburg GmbH (WFBB). Der promovierte Agrarökonom hatte zuvor Erfahrungen in mehreren Unternehmen der Branche gesammelt, darunter beim uckermärkischen Regionalvermarkter Q-Regio. Leitow sieht seine Aufgabe im Ministerium unter anderem darin, die regionalen Wertschöpfungsketten und damit sowohl die Landwirte als auch die weiterverarbeitenden Produzenten zu stärken.

Last, but not least legte der erste Runde Tisch mehrere Arbeitsgruppen fest, die zeitnah in enger Abstimmung zwischen dem Ministerium und pro agro ihre Arbeit aufnehmen und sich den Themenbereichen Energie, Bürokratieabbau und Mindestlohn widmen werden. Ferner einigten sich die Teilnehmer auf eine Fortsetzung des Runden Tisches Ernährungswirtschaft: Zum zweiten Mal soll er im November dieses Jahres tagen und Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen zur Diskussion stellen.

30. Brandenburger Landpartie: Buntes Treiben und persönliche Kontakte

Es dauert nicht mehr lange, dann schwärmen die Brandenburger und Berliner aus, um mit Kind und Kegel hinter die Kulissen des ländlichen Lebens und Arbeitens zu blicken. Am Wochenende des 14. und 15. Juni 2025 öffnen rund 130 angemeldete Landwirtschaftsbetriebe wieder Hof, Feld und Stall, um den Besuchern einen Einblick in die heutigen landwirtschaftlichen Arbeitsabläufe zu geben, ihre Produkte und Dienstleistungen zu präsentieren und sich als attraktive Ausbildungsbetriebe und Arbeitgeber vorzustellen. Nicht zuletzt geht es darum, Brücken zwischen Stadt und Land zu bauen und in diesem Rahmen mit Kunden und Politikern ins Gespräch zu kommen.

Die Landpartie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem der größten landesweiten Festwochenenden mit hohem Besucherandrang entwickelt. Das Gemeinschaftsprojekt wird von pro agro e.V., dem Landesbauernverband Brandenburg (LBV) sowie dem Brandenburger Landfrauenverband (BLV) organisiert. Unterstützt wird es vom Ministerium für Land- und Ernährungswirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg. Die zentrale Eröffnungs-veranstaltung findet am 14. Juni 2025 ab 11 Uhr auf Gut Schmerwitz (Schmerwitz 8, 14827 Wiesenberg/Mark) statt.

An den beiden Tagen des Wochenendes sind unterschiedliche Gastgeber am Start: vom großen Agrarbetrieb bis zum kleinen Familienhof. Dazu zählen Landwirtschaftsbetriebe mit Primärproduktion, Forstwirtschafts- und Fischereibetriebe, Pferdehöfe, Obst- und Gartenbauunternehmen genauso wie landwirtschaftliche Schulungs- und Erlebniseinrichtungen. Auch kleinere Veranstaltungen und Höfe mit reduziertem Programm sind fester Bestandteil der Landpartie – denn nicht die Größe, sondern die Nähe zählt.

Gerade im kleinen Rahmen kann besonders intensiv kommuniziert, nachgefragt und vermittelt werden – direkt im Gespräch, ganz ohne Bühne oder großes Festzelt. Die persönliche Begegnung, die Nähe zu Tieren und Pflanzen, der direkte Draht zum Erzeuger: Das macht den Charme der Landpartie aus – und zeigt, dass Verbraucherkommunikation auch in überschaubaren Formaten höchst wirksam sein kann.

Mit von der Partie ist erstmals das Vermarktungsnetzwerk „Marktschwärmerei“. Die Broschüre zu Gastgebern und Angeboten der Landpartie 2025 sowie touristische und weitere Informationen finden Sie hier.

Natürlich geht es vornehmlich darum, dass sich im entspannten Rahmen der Brandenburger Landpartie die heimischen Lebensmittel-Erzeuger und Verbraucher persönlich kennenlernen, ihre Vorstellungen und Wünsche austauschen sowie Verständnis füreinander entwickeln und Vorurteile abbauen. Im übergeordneten Interesse des Landes wird zusätzlich die Erkenntnis gefördert, dass regionale Produkte einen Mehrwert für die gesamte Region darstellen und dass der Endverbraucher durch sein Kaufverhalten seine Umgebung, das Umland und somit die Zukunft Brandenburgs mitgestaltet.

Nicht umsonst betont Landwirtschaftsministerin Hanka Mittelstädt als Schirmherrin der Landpartie: „Gute regionale Produkte sind nicht nur Werbung für unser Land, sie stehen insbesondere für regionale Wirtschaftskreisläufe, für Arbeit und Einkommen im ländlichen Raum.“ Von großem Wert ist daher die Chance von Politik und Wirtschaft, direkt vor Ort ins Gespräch zu kommen. Für die wahrlich gebeutelten landwirtschaftlichen Betriebe (Trockenheit, Bürokratie, Kosten) bietet die Veranstaltung daher eine gute Gelegenheit, ihre Sorgen und Wünsche „face to face“ anzubringen und umgekehrt eine Antwort darüber zu erhalten, was machbar ist und was nicht.

Die folgenden Kurzporträts von Gastgebern und ihren Angeboten bestätigen den doppelten Charakter der Landpartie, nämlich als Informations- und Erlebnisbühne für private Besucher sowie als Erfahrungs- und Erkenntnisort für Entscheider aus Wirtschaft und Politik. Hier eine kleine Auswahl von Betrieben mit jeweiligem Kurzporträt aus eigener Sicht:

Hof Bodien, Zehdenick OT Bergsdorf (Oberhavel)

Angebot: Landwirtschaftlicher Familienbetrieb mit Tradition. Wir arbeiten mit Herz und Leidenschaft und sind stolz auf unsere landwirtschaftliche Tradition. Unser Ziel ist es, hochwertige und nachhaltige Produkte anzubieten – erfahren Sie mehr dazu bei der Landpartie. Im Hofladen handgemachter Käse direkt vom Hof und vielfältige Hanfprodukte aus eigenem Anbau.

Profil: Landwirtschaftlicher Haupterwerb, Ackerbau, Direktvermarktung, Imkerei, Milchproduktion/ -verarbeitung, Tierzucht, Anbau von Nutzhanf.

Ökodorf Brodowin, Chorin OT Brodowin (Barnim)

Angebot: Transparenz ist für unseren biologisch-dynamischen Betrieb oberstes Prinzip. An beiden Tagen Führungen über unseren Demeterhof. Blick in die gläserne Molkerei. Im täglich geöffneten Hofladen kann man nicht nur die eigenen Produkte, sondern auch viele andere aus der Region kaufen.

Profil: Landwirtschaftlicher Haupterwerb, Ackerbau, anerkannter Ökobetrieb, Erneuerbare Energie, Milchverarbeitung, muttergebundene Kälberaufzucht.

Der Hofladen Biohof Hübner GbR, Biesenthal OT Danewitz (Barnim)

Angebot: Familienbetrieb, der in traditioneller Weise Tier,- Pflanzen, Obst- und Gemüseproduktion mit Direktvermarktung im eigenen Hofladen und auf Märkten betreibt. Wir arbeiten ökologisch und sind biozertifiziert. Zur Landpartie: Erdbeerselbstpflücke, Spargel ernten, Führungen über den Betrieb, Traktorfahrten für Groß und Klein, Technik alt bis neu, Tiersafari.

Profil: Landwirtschaftlicher Haupterwerb, Ackerbau, anerkannter Ökobetrieb, Direktvermarktung, Gartenbau, Tierzucht

Weingut Patke, Jacobsdorf OT Pillgram (Oder-Spree)

Angebot: Unser Weingut ist ein familiär geführtes Unternehmen mit eigener Produktionsstätte hinterm Hof, die 2023 in Betrieb genommen wurde. Sie kann bei der Brandenburger Landpartie in Führungen besichtigt werden kann. Neben dem Anbau von Wein haben wir noch 0,3 ha Erdbeeranbau in geschützten Tunneln. Zu unserem Weingut gehört eine Herde mit ca. 20 Dexter Rindern und einer Brennerei.

Profil: Landwirtschaftlicher Haupterwerb, Weinbau, Brennerei, Direktvermarktung.

Agrargenossenschaft Groß Machnow, Rangsdorf OT Groß Machnow (Teltow-Fläming)

Angebot: Zukunftsorientiertes Landwirtschaftsunternehmen mit Bewirtschaftung von ca. 3.000 ha Nutzfläche. Nachhaltigkeit und Biodiversität werden bei uns großgeschrieben. Schwerpunkt bildet die Produktion von Marktfrüchten wie Getreide, Ölsaaten, und Kartoffeln sowie die Schweine- und Mutterkuhhaltung. Engagement in Naturschutz. Über Feld & Flur mittels Kutsche und Kremser. Im neueröffneten Hofladen eigene Produkte, z.B. Weiderindfleisch sowie weitere regionale Produkte.

Profil: Landwirtschaftlicher Haupterwerb, Ackerbau, anerkannter Ökobetrieb, Direktvermarktung, Erneuerbare Energie (z.B. Biogas), Tierzucht, Mutterkuhhaltung.

Fachkräftesicherung ohne Grenzen

Der Fachkräftemangel ist ein in der Öffentlichkeit immer intensiver diskutiertes Thema, mit dessen praktischen Folgen insbesondere der Mittelstand zu kämpfen hat. Dieses Problem hat auch in den regelmäßigen Erhebungen zum pro agro Branchenbarometer ihren Niederschlag gefunden. Inzwischen hat der Fachkräfteschwund eine Dimension erreicht, dass Wertschöpfungs- und damit Wohlstandsverluste nicht mehr auszuschließen sind. Diese bedrohliche Lage hat die Politik auf den Plan gebracht. Sie muss sich zwar aufgrund unserer marktwirtschaftlichen Ordnung jeglicher direkten Eingriffe in den Wirtschaftsprozess enthalten, kann aber mit der Schaffung notwendiger Rahmenbedingungen und durch den Einsatz unterstützender Maßnahmen zur Lösung ökonomischer Probleme beitragen. In diesem Sinne haben die Wirtschaftsförderung Land Brandenburg (WFBB) und mehrere Kooperationspartner die Initiative ergriffen und bieten im Mai 2025 die kostenlose Veranstaltungsreihe „Fachkräftesicherung für Ihren Betrieb“ an.

Inhaltlich geht es bei der vierteiligen Veranstaltungsreihe um die einzelnen Schritte zur Rekrutierung von ausländischen Arbeitskräften. Die vier Informationsbausteine werden drei Mal online und einmal in Präsenz angeboten. Hier die einzelnen Termine und Themen samt Anmeldelinks:

1. Fachkräfte aus Drittstaaten: Chancen und Wege durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz 
Termin: Montag, 12. Mai 2025
Zeit: 10:00 bis 12:00 Uhr
Ort: Online via Microsoft Teams-Meeting
Anmeldelink: Fachkräfte aus Drittstaaten

2. Neue Wege zur Fachkräftesicherung: Auszubildende und Studierende aus Drittstaaten
Termin: Mittwoch, 14. Mai 2025
Zeit: 10:00 bis 11:30 Uhr
Ort: Online via Microsoft Teams-Meeting
Anmeldelink: Neue Wege zur Fachkräftesicherung 

3. Willkommenskultur und Spracherwerb: Strategien und Best Practices für die betriebliche Integration – Workshop mit Erfahrungsaustausch
Termin: Dienstag, 20. Mai 2025
Zeit: 15:30 bis 18:00 Uhr
Ort: Präsenz im Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) Potsdam, Tuchmacherstr. 47, 14482 Potsdam
Anmeldelink: Willkommenskultur und Spracherwerb

4. Internationale Fachkräfte und Auszubildende für den Mittelstand: Rekrutierungsprojekte und Unterstützungsstrukturen in Brandenburg
Termin: Mittwoch, 21. Mai 2025
Zeit: 10:00 – 12:00 Uhr
Ort: Online via Microsoft Teams-Meeting
Anmeldelink: Internationale Fachkräfte und Auszubildende für den Mittelstand 

Bitte melden Sie sich unter den obenstehenden Links zu den Veranstaltungen an. Zur Teilnahme erhalten Sie rechtzeitig eine E-Mail mit einem Microsoft Teams-Link für die Veranstaltungen 1, 2 und 4; Veranstaltung 3 findet in Präsenz statt. Für die Online-Veranstaltungen empfiehlt es sich, mit Ihrer hausinternen IT vorab zu klären, ob Sie Microsoft Teams nutzen können. Aufwändige Installationen sind nicht notwendig: Per Klick auf den erhaltenen Link gelangen Sie kostenlos zum Meeting.

Detaillierte Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen finden Sie auf der jeweiligen Anmeldeseite.

Feinbrennerei am Hebewerk: Vom „Kindheitstraum“ zum Erfolgserlebnis

Da haben sich die Wege zweier Menschen gekreuzt, deren Herkunft nicht unterschiedlicher sein könnte, deren private Verbindung und deren Kombination ihrer unterschiedlichen Talente sich aber als segensreich für die Gründung eines gemeinsamen Unternehmens erwiesen haben. Die Rede ist vom Ehepaar Jana und Stefan Müller – sie die ausgebildete Marketingfachfrau aus Berlin und er der gelernte Werkzeugmacher aus Balingen (Schwaben). Begegnet sind sie sich in der Hauptstadt, wo Stefan ein Filmkopierwerk als Geschäftsführer leitete und Jana im selben Unternehmen für’s Marketing zuständig war. Da die Firma mit der fortschreitenden Digitalisierung nicht mehr Schritt halten konnte, wurde sie von den Inhabern kurzerhand dichtgemacht. Das Paar selbst sah das als willkommene Chance, den Weg in die Selbstständigkeit zu gehen. So entstand die Manufaktur für edle Destillate und Liköre in unmittelbarer Nachbarschaft des Hebewerks Niederfinow.

„Die Leidenschaft für gute Brände war bei uns schon vor der Unternehmensgründung vorhanden, und wir haben immer gesagt: Wenn wir mal groß sind, dann wollen wir unsere eigene Brennerei haben“, beschreibt Geschäftsführerin Jana Müller den „Kindheitstraum“ des Ehepaares, der nun Wirklichkeit werden sollte. Bald schon fanden sie den idealen Standort für die Erfüllung ihres Traums – eben den ehemaligen Nebenerwerbshof beim Hebewerk im Oderbruch. Der Zufall wollte es, dass Stefans Bruder Karl-Heinz praktisch zur gleichen Zeit sein Formenbau-Unternehmen in Balingen verkaufte hatte und sich an dem Start up beteiligte – als stiller Teilhaber zwar, der aber in der Aufbauphase, also bei Umbau und Wiederbelebung des Dreiseit-Hofes, kräftig mit Hand anlegte.

Feines Näschen: Jana Müller bei der Aromenprobe.

Das war ein ziemlicher Kraftakt, ging es doch darum, die verfallene landwirtschaftliche Immobilie in ein modernes Ambiente mit Privatwohnung, Brennerei, Hofladen und Ferienwohnung (die übrigens dieser Tage fertiggestellt worden ist) umzuwandeln. Bei Einrichtung und Betrieb der Brennerei hat sich die berufliche Herkunft von Stefan und Jana Müller geradezu als Segen erwiesen: Was die technische Ausstattung der Brennerei mit den unterschiedlichen „Gewerken“ und der feinmechanischen Handhabung angeht, war der gelernte Werkzeugmacher in seinem Element, während die Marketingfachfrau die Klaviatur der Vermarktung sowie der Außendarstellung und -kommunikation beherrscht und obendrein, wie sich im Prozess des Destillierens herausstellte, ein äußerst feines Näschen „für das Herausriechen und Schmecken von Aromen hat“, wie sie sagt.

Die Herstellung von Bränden ist zwar keine Geheimwissenschaft, aber eine Disziplin, die neben einem feinen Näschen ein Gespür für optimales Timing und den richtigen Einsatz der „Stellschrauben“ braucht. Eine solide Ausbildung empfiehlt sich also dringend, weshalb das Ehepaar vor Beginn der Produktion in der Universität Hohenheim einen Brennerkurs absolvierte und ein Zertifikat als Brennmeister/in erwarb. Unabhängig von diesen wichtigen Grundlagen haben sie sich die handwerkliche Routine und die Feinheiten des Destillierens im Prozess des „learning by doing“ in der heimischen Brennerei selbst angeeignet.

Ästhetik der Technik: Die Brennanlage aus edlem Metall (links), Restaurierter Hof: Außenansicht mit Ferienwohnung (über der Brennerei) (rechts).

„Wir wollen Regionalität und Bio-Qualität miteinander verbinden“, umschreibt Jana Müller die Unternehmensphilosophie. So stammt die Rohware – soweit möglich – aus der heimischen Region; allerdings muss derzeit bundesweit Obst dazu gekauft werden, da die Mengen nicht reichen. Das wird sich Zug um Zug ändern, da die Zusammenarbeit mit landwirtschaftlichen Betrieben erweitert werden soll. „Wir wollen die regionale Wertschöpfungskette stärken“ bekräftigt sie und fügt hinzu: „Bei unseren Produkten steht Natürlichkeit an erster Stelle. So wird bei der Obstvergärung nur Reinzuchthefe verwendet und bei den Feinbränden auf künstliche Zusatzstoffe und Zucker verzichtet.“ Die Liköre sind zu 95 Prozent bio-zertifiziert; bei den Bränden sind es ungefähr 70 Prozent. Die Produkte werden in Apothekerflaschen mit Glasverschluss abgefüllt; jede Flasche ist ein Unikat, da die persönlich unterschriebenen Etiketten per Hand aufgeklebt werden.

Seit Produktionsbeginn im Jahre 2019 ist das Sortiment von Edelbränden, Geisten und Likören beachtlich gewachsen. Die jüngsten Kreationen sind Anfang 2025 entstanden, nämlich der Limoncello-, Bergamotte- und Kaffeelikör – letzterer in Kooperation mit der Waldstadt-Rösterei in Eberswalde. Vermarktet werden die Spirituosen u.a. über den eigenen Hofladen und den Online-Shop sowie den regionalen Bio-Großhändler Terra. Auch einige Gastro-Betriebe zählen zu den Kunden. Im klassischen Lebensmitteleinzelhandel ist man inzwischen bei REWE gelistet, mit EDEKA befindet man sich im Gespräch. Und quasi als Sahnehäubchen obendrauf zählen die Kaufhäuser KaDeWe (Berlin), Alsterhaus (Hamburg) und Oberpollinger (München) zu den Premium-Kunden.

BLVH-Präsident Fromm: „Entscheidend ist ein intelligentes Miteinander“

Vor dem Hintergrund der globalen Krisen stellt sich die Frage, wie verlässlich die Lieferketten innerhalb der Lebensmittelbranche bzw. wie sicher die Lebensmittelversorgung in Deutschland künftig ist. Doch es geht nicht allein um die politische und ökonomische Großwetterlage, sondern auch um hausgemachte Entwicklungen, die das Wirtschaften nicht eben leichter machen. Wir sprachen mit Björn Fromm (Foto), einem vielgefragten und nicht weniger beschäftigten Mann der Branche, der sich in der Welt des Kaufmanns genauso gut auskennt wie in der Branchenpolitik: als selbstständiger Edekaner mit drei Märkten einerseits und als Mehrfach-Handelspolitiker andererseits, nämlich als Präsident Handelsverband Berlin-Brandenburg und als Präsident Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH).

Herr Fromm, wie beurteilen Sie die Sicherung der Lebensmittelversorgung bzw. der Lieferketten?

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass globale Krisen – seien es die Pandemie, geopolitische Konflikte oder klimatische Extremereignisse – erhebliche Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit haben können. Der Lebensmittelhandel und damit auch die gesamte Lebensmittelkette in Deutschland haben sich dabei als bemerkenswert resilient erwiesen, indem alle Akteure immer wieder flexibel reagiert haben. Dadurch war und ist die Versorgung jederzeit gewährleistet. Dennoch ist die Stärkung regionaler Lieferketten und der Diversifikation von Bezugsquellen ein wichtiger Baustein zur Erhöhung der Versorgungssicherheit in der Zukunft.

Welche Rolle spielt die Lebensmittel-Lieferkette in Brandenburg?

Brandenburg spielt eine wichtige Rolle in der Versorgungssicherheit – nicht nur für das Land selbst, sondern besonders auch für Berlin. Die räumliche Nähe zwischen Erzeugung, Verarbeitung und Verkauf schafft kürzere Wege, weniger Abhängigkeit von globalen Märkten und damit eine größere Stabilität bei Versorgung und Preisbildung​. Wir sehen allerdings mit Sorge, dass einzelne Gewerke innerhalb der Lieferkette immer stärker wegzubrechen drohen.

Wer sind die Hauptglieder der regionalen Lieferkette?

Die regionale Lebensmittel-Lieferkette besteht aus Landwirtschaft, Lebensmittelverarbeitung und -veredelung, Lebensmitteleinzelhandel sowie den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Landwirte liefern die Rohstoffe, die idealerweise in regionalen Betrieben verarbeitet und anschließend im Einzelhandel angeboten werden. Unterstützt wird das System durch Logistik, Verpackung und IT-Dienstleister.

Wie wichtig ist das Auslandsgeschäft?

Das betrifft insbesondere Fleisch und Milch. Wir sprechen hier von bis zu 50 Prozent der Rohware, die aus Deutschland exportiert wird und somit ebenfalls für die wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft von entscheidender Bedeutung ist. Und auch im Inland gibt es weitere Vermarktungswege wie Gastronomie und andere Teile der Außerhaus-Verpflegung. Wenn wir unsere Landwirtschaft stärken wollen, müssen wir immer die gesamte Lebensmittelkette und alle Vertriebswege im Blick behalten.

Welche Interdependenzen gibt es zwischen den einzelnen Gliedern der regionalen Lieferkette?

Die unterschiedlichen Akteure einer Lieferkette sind eng miteinander verbunden, idealerweise aber nicht voneinander abhängig. Klar ist, dass Preise, Produktionsmengen, Verfügbarkeiten, gesetzliche Vorgaben und Trends (wie Bio oder Regionalität) einander bedingen und beeinflussen. Störungen in einem Glied – z. B. Lieferverzögerungen oder Energieengpässe – wirken sich auf das Gesamtsystem aus. In den vergangenen Jahren hat der Lebensmittelhandel bewiesen, wie flexibel und gut er sich innerhalb der Lieferkette abstimmen kann. Damit steigert er die so wichtige Resilienz.

Gibt es Partikularinteressen innerhalb der regionalen Lieferkette, die sich störend auf die Entwicklung der Branche auswirken?

Natürlich gibt es unterschiedliche Perspektiven – das ist in einer komplexen Branche normal. Aber entscheidend ist: Die Lebensmittelwirtschaft hat bewiesen, dass sie trotz vielfältiger Interessen lösungsorientiert agieren kann, am Ende geht es immer um die bestmögliche Versorgung der Bevölkerung. Dort, wo es Zielkonflikte gibt – etwa zwischen Preis und Nachhaltigkeit – setzen wir auf Dialogformate, transparente Kommunikation und verlässliche Standards. Gemeinsame Verantwortung für die Versorgungssicherheit steht dabei immer im Vordergrund.

Wie wird sich die Relation von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft entwickeln?

Wir brauchen beides – konventionell und ökologisch. Der ökologische Landbau leistet einen wichtigen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz. Gleichzeitig zeigt sich, dass konventionelle Landwirtschaft unverzichtbar bleibt, um Ernährungssicherheit und Bezahlbarkeit zu gewährleisten. Entscheidend ist nicht das Entweder-Oder, sondern ein intelligentes Miteinander, das durch technologische Innovation, verbesserte Produktionsmethoden und faktenbasierte Politik unterstützt wird.

Was ist der Grund für die kritische Einstellung von Verbraucherverbänden gegenüber der Lebensmittelwirtschaft?

Verbraucherschützer begleiten den Lebensmittelmarkt mit kritischer Aufmerksamkeit – das ist ihre Aufgabe. Gleichzeitig erleben wir durch das tägliche Kaufverhalten der Verbraucher, dass unsere Vielfalt und Qualität umfänglich geschätzt werden. Der Lebensmittelhandel bietet heute mehr Bio-, Regional- und Fairtrade-Produkte denn je. Die Branche steht offen für Dialog und Weiterentwicklung. Entscheidend ist, dass wir gemeinsam an Lösungen arbeiten – auf Augenhöhe und mit realistischem Blick für die komplexen Zusammenhänge der Versorgung.

Was erwarten Sie als maßgeblicher Teil der Ernährungswirtschaft von der Politik?

Wir wünschen uns von der Politik verlässliche Rahmenbedingungen, den Glauben an die positiven Kräfte der Marktwirtschaft und eine konkrete Stärkung des Mittelstands. Bürokratieabbau, Planungssicherheit bei Investitionen sowie praxistaugliche Förderprogramme für die Landwirtschaft sind zentrale Anliegen. Gleichzeitig brauchen wir eine bessere Abstimmung zwischen den politischen Ebenen – insbesondere zwischen Umwelt-, Agrar- und Wirtschaftspolitik. Gerade in Brandenburg sehen wir große Chancen, wenn die Akteure gemeinsam an einem Strang ziehen.

Welche Rolle schreiben Sie in diesem Zusammenhang den Medien zu?

Medien sind ein wichtiger Partner in der gesellschaftlichen Debatte rund um Ernährung, Nachhaltigkeit und Verantwortung. Idealtypisch informieren sie faktenbasiert, verständlich und ausgewogen. Unsere Erwartung ist: Differenzierung, mehr Hintergrund und mehr Raum für die Leistung einer Branche, die tagtäglich die Grundversorgung sichert. Der Lebensmittelhandel steht bereit für offenen Dialog – auch und gerade mit den Medien.

Fotos: © Santiago Engelhardt

Direkvermarktung: Einsatz moderner Verkaufsautomaten

Kontaktloses Einkaufen rund um die Uhr liegt voll im Trend. Mit dem Einsatz von Vollautomaten in ländlichen Regionen können landwirtschaftliche Erzeuger von Lebensmitteln die Vermarktung ihrer Produkte in mehrfacher Hinsicht optimieren: Durch Stationierung moderner „Verkaufsmaschinen“ an mehreren (gut frequentierten) Standorten gleichzeitig steigt der Absatz, während die Kosten für den Einsatz von Verkaufspersonal gegen Null tendieren. Völlig unabhängig von staatlich verordneten Ladenschlusszeiten, also im 24/7-Betrieb, lässt sich auch quasi im Schlaf Geld verdienen. Automat ist aber nicht gleich Automat, das heißt je nach Verwendung und Sortiment kann und muss sich der Unternehmer zwischen unterschiedlichen Modellen entscheiden. Kristin Rotherm (Foto), Redakteurin der Zeitschrift „HOF direkt“ und Expertin in allen Fragen der Direktvermarktung von Lebensmitteln, stellt unterschiedliche Verkaufsautomaten und ihre Einsatzmöglichkeiten vor.

Hinsichtlich Technisierung und Design entwickeln sich die Automaten zu echten Allroundern: Touchscreens, bargeldloses Bezahlen, Glasfronttüren, auf die Produkte abgestimmte Beleuchtung, Lift- und Telemetriesysteme gehören heute zu den modernen Ausstattungsmerkmalen. Derzeit sind folgende Modelle im Einsatz:

Trommelautomat (links): Eignet sich vor allem für empfindliche Produkte wie Eier oder Beeren.
Spiralautomat (rechts): Bei diesem Modell hat der Kunde das gesamte Angebot im Blick.

Trommelautomat. Hier sind mehrere Regale bzw. Scheiben übereinander angeordnet, wobei jede Etage aus einer Trommel mit mehreren Kammern besteht. In diesen Fächern liegen die verpackten oder unverpackten Produkte. Der Kunde kann die einzelnen Trommeln drehen lassen, um die Produkte anzusehen und auszuwählen. Wird ein Produkt verkauft, ist das Fach leer und der Automat dreht die Schreibe zum nächsten vollen Fach. Dieses Modell eignet sich vor allem für empfindliche Produkte wie Eier oder Beeren. Häufig können innerhalb des Automaten unterschiedliche Temperaturzonen eingestellt werden.

Spiralautomat. Bei diesem Modell sind die Produkte zwischen Spiralen platziert. Beim Kauf bewegt sich die Spirale nach vorne und gibt das Produkt in das Warenfach. Der Kunde hat hier direkt das gesamte Angebot im Blick. Diese Automaten gibt es mit und ohne Liftsystem (siehe unten); sie eignen sich eher für unzerbrechliche Ware.

Schließfach-/Klappenautomat. Sie bewähren sich vor allem bei großer, schwerer Ware bzw. Gebinden wie Kartoffeln und Äpfel. Auch hier können die Fächer unterschiedlich groß sein. Solche Automaten kommen insbesondere dann zum Einsatz, wenn vorbestellte Ware kontaktlos übergeben werden soll.

Automaten mit Liftsystem. Die Ware liegt in Schachtschiebern. Wählt der Kunde ein Produkt aus, wird es vom System zum Ausgabefach befördert, das unten oder seitlich angebracht sein kann. Solche Automaten sind sehr flexibel und vielseitig: Im Ausgabefach haben durchschnittlich fast 30 Produkte Platz. Die Fächer lassen sich ohne großen Aufwand in Höhe und Breite verändern.

Schließfachautomat (links): Ideal für schwere Ware, Großgebinde und Vorbestellungen.
Automaten mit Liftsystem (rechts): Flexibel und vielseitig mit geräumigen Ausgabefächern.

Moderne Automaten bringen standardmäßig bestimmte Ausstattungsdetails mit. Beispiele: Isolierverglasung, Temperaturregelung samt elektronischer Temperaturüberwachung, Spannungskontrolle bei Stromausfall, unterschiedliche Kühlzonen. Viele Geräte verfügen auch über die so genannte Warenkorb-Funktion. Dabei wählt der Kunde nacheinander die gewünschten Produkte, bestätigt den Kauf – und alle Waren können „in einem Rutsch“ dem Ausgabefach entnommen werden. Nachteil: Bei solchen Sammelbestellungen ist nicht auszuschließen, dass alle Produkte unbeschädigt bleiben – sollten die Kartoffeln auf die Eier fallen, dann hat der Kunde den Salat…

Um solche und ähnliche Überraschungen zu vermeiden, sollten interessierte Direktvermarkter vor der Investition in ein Automatensystem mit dem Hersteller folgende Fragen klären:

  • Welche Produkte möchte ich anbieten?
  • Welchen Platzbedarf haben die Produkte?
  • Kann ich die Flächen flexibel umbauen und meinem Sortiment anpassen?
  • Wo kann ich die Automaten (witterungsgeschützt) aufstellen?
  • Wie sollen meine Kunden bezahlen?
  • Brauche ich zur Überwachung des Automaten ein Telemetriesystem?

In der nächsten Ausgabe des Newsletters (erscheint am 22. Mai 2025) berichtet unsere Autorin über die Notwendigkeit einer optimalen Standortwahl für Automaten, über deren Kosten und Nutzungsdauer, über unterschiedliche Bezahltechniken am Gerät sowie den Einsatz von Telemetrie zur Steuerung und Überwachung des Prozesses.

Die Zeitschrift HOFdirekt ist seit über 25 Jahren am Markt; zu seiner Kernzielgruppe gehören professionelle Direktvermarkter im Lebensmittelbereich. Neben den reinen Fachinformationen Print und Digital bietet die Redaktion Fortbildungen und Netzwerkmöglichkeiten. HOFdirekt ist eine Publikation des Landwirtschaftsverlages in Münster.

Fotos: © Landwirtschaftsverlag. Münster

Bürokratie aus Unternehmenssicht

Das Land Brandenburg legt ein beachtliches Tempo vor, um dem von der Wirtschaft zu Recht beklagten Ärgernis der Überregulierung beizukommen. Um den überbordenden Verwaltungsaufwand für Unternehmen (und Bürger) zügig zu entschlacken, hat das Parlament – wie berichtet – den Sonderausschuss Bürokratieabbau (Foto © Landtag Brandenburg / Stefan Gloede) eingesetzt, der den Prozess dokumentieren und dessen Transparenz unterstützen soll. Beim pro agro-Unternehmerstammtisch während der Grünen Woche hatte der Verband angeboten, dem Sonderausschuss via MLEUV zu dieser Thematik eine Liste von Beispielen aus dem Kreis seiner Mitglieder zur Verfügung zu stellen. Das erste Papier ist dem Ministerium am 20. Februar 2025 zugegangen. Wir berichten über einige der größten administrativen Belastungen unserer Branche und denkbare Lösungsvorschläge aus den Reihen der Unternehmerschaft.

Zunächst ist festzuhalten, dass Bürokratie per se kein Teufelswerk ist. So betont das Expertenteam der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) in einer Faktensammlung zum Thema Bürokratie vom Februar 2024 (siehe hier), dass „ein gewisser Regulierungsrahmen“ notwendig ist, um das Funktionieren von Staat und Wirtschaft zu organisieren. „Sie bestimmt den Handlungsspielraum von Unternehmen, schützt den Wettbewerb und schafft Rechtssicherheit.“ Dann allerdings folgt ein großes Aber:

„Die Komplexität und die Vielzahl der administrativen Hürden hierzulande haben sich auf ein Niveau hochgeschraubt, das von Unternehmen und Bürgern sowie von der Verwaltung selbst kaum noch zu bewältigen ist. Für die Wirtschaft entstehen dadurch Kosten in Milliardenhöhe, die ständig weiter anschwellen … Die Bürokratie wird zunehmend zum Standortnachteil. Warum in Deutschland investieren, wenn es anderswo schneller, einfacher und damit günstiger geht?“.

In Deutschland macht die überbordende Regulierungswut vor keiner Branche, Region und Regierungsebene Halt. Wie sich dieser (teilweise unhaltbare) Zustand auf den betrieblichen Alltag der Ernährungswirtschaft in Brandenburg auswirkt, hat pro agro auf Wunsch des MLEUV in einer Mitglieder-Umfrage ermittelt. Hier die Zusammenfassung der wichtigsten Unternehmer-Aussagen:

Datenerhebungen des Landes- und Bundesamtes für Statistik

Problem: Betriebe stehen infolge der behördlich verordneten Mitteilungspflicht in den unterschiedlichsten zeitlichen Abständen (pro Woche, Quartal und/oder Jahr) vor einem Wust administrativer Aufgaben. Das bindet in zunehmendem Maße wertvolle Personalressourcen und verursacht entsprechende Kosten. Verlangt werden u.a. Auskünfte bzw. Erhebungen über Produktion, Kostenstruktur, Jahresberichte, Investitionen (allgemein plus Umweltschutz), Energieeinsatz oder nicht systembeteiligungspflichtiger Verpackungen.

Lösungs-Vorschlag: Würde man die Abfragen bündeln und/oder zwischen den einzelnen Behörden einen effizienten Datenaustausch ermöglichen, ließen sich Zeit, Personal und Kosten sparen.

Hinzu kommt, dass alle geforderten Daten bereits durch Bilanzen und Steuermeldungen an das Finanzamt sowie die Sozialversicherungsträger übermittelt werden. Sie könnten also über Schnittstellen gezogen und ausgewertet werden. Der Datenschutz wäre nicht tangiert, da es sich bei den austauschenden Ämtern um öffentliche Stellen handelt und somit ein Datenmissbrauch nicht zu unterstellen ist.

Beantragung von Fördermitteln

Problem: Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen verzichten eher darauf, Fördermittel zu beantragen oder in Anspruch zu nehmen, da sie aus Zeitgründen die Fristen nicht einhalten oder die Formulierung von Zwischenberichten nicht leisten können. Wetterabhängige oder unvorhersehbare Schieflagen der Betriebe finden häufig keine Berücksichtigung. Den Antragstellern ist es meist nicht möglich, finanziell in Vorleistung zu treten, da die Auszahlungen durch die Behörden auf sich warten lassen. Schon kleine Verfahrensfehler der Antragsteller können dazu führen, dass sie keine Mittel erhalten.

Lösungs-Vorschlag: Projektanträge, Beschreibungen des Vorhabens und Finanzpläne sollten vereinfacht oder reduziert werden, um die Attraktivität bestimmter Förderprogramme zu steigern.

Des Weiteren wäre ein Förderportal denkbar, in dem alle Unternehmensdaten gespeichert werden, so dass individuelle Daten dem jeweiligen Antrag nur noch hinzugefügt werden müssen. Wünschenswert wäre ferner eine einheitliche Digitalisierung ohne zahlreiche Logins und Passwörter. Digital gestellte Anträge sollten ohne Original-Unterschrift eingereicht werden können.

Bauliche Genehmigungsverfahren

Problem: Stallumbauten oder die Installation von Photovoltaik-Anlagen sind mit langwierigen, oft widersprüchlichen Genehmigungsprozessen verbunden. Gründe sind die unterschiedlichen Vorschriften von Landwirtschafts-, Umwelt- und Baubehörden sowie ggf. der Denkmalschutzbehörde. Bei der Beantragung von Vorhaben stellen mehrere Abteilungen unterschiedliche Anforderungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten. In einigen Landkreisen müssen Antragsteller bis zu sechs analoge Vervielfältigungen zzgl. CD-Rom etc. für einen Bauantrag beibringen.

Lösungs-Vorschlag: Um den Arbeits- und Zeitaufwand für beide Seiten (Antragsteller/Genehmigungsinstanz) zu minimieren, sollte es möglich sein, die Unternehmensstammdaten bei den Landkreisen zu hinterlegen und bei Bedarf für ein entsprechendes Vorhaben (z.B. Bauantrag) individuell zu ergänzen.

Zur Vermeidung von Kostensteigerungen wegen langer Wartezeiten sollten die Behörden die Genehmigungsverfahren verschlanken und digitalisieren. Im Falle einer ökologischen Baubegleitung sollten die wirtschaftlichen Folgen im Blick bleiben.

Tierhaltung und -schlachtung

Problem: Zahlreiche Dokumentationen laufen parallel wie z.B. die Tierbestandsmeldung (HIT-Datenbank, Antibiotika-Monitoring, QM-System) oder die Meldung über die Tierhaltung bei der Tierseuchenkasse und dem zuständigen Veterinäramt mit gleichen Daten. Auch Stallbuch und Weidetagebuch müssen in digitaler und analoger Form parallel gepflegt werden. Die Flut von Vorschriften und Dokumentationen macht es Kleintierhaltern unmöglich, diese gewissenhaft umzusetzen; die Bearbeitung verursacht unverhältnismäßig hohe Kosten. Bei der mobilen Schlachtung gelten je nach Landkreis unterschiedliche Vorschriften und Genehmigungsverfahren; teilweise gibt es in Brandenburg hier auch Verbote.

Lösungs-Vorschlag: Vorschriften sollten landkreisübergreifend vereinheitlicht und vereinfacht werden. Eine zentrale, digitale Eingabe aller Daten oder eine automatische Synchronisation bzw. digitale Schnittstelle zwischen den Behörden würde dem Landwirt aufgrund der nur einmaligen Datenerfassung eine wesentliche Zeitersparnis bringen. Weiter würden alle Behörden über die gleichen Daten verfügen, um auch im Seuchen- oder Krisenfall schneller handeln zu können. In diesem Sinne sollten Ergebnisse und Dokumente der bestehenden Expertenfachgruppe Fleischhygiene des Landes Brandenburg als verbindlicher Verfahrensprozess für alle Landkreise festgelegt und anerkannt werden.

Weitere Kritikpunkte

Die Betriebe halten es beispielsweise im Personalwesen für wünschenswert, die behördlichen Auflagen und bürokratischen Hemmnisse auf ein sinnvolles und machbares Maß einzudämmen. Das betrifft insbesondere die Vorschriften für Arbeitsunfähigkeit, Arbeitszeiterfassung sowie saisonale und ausländische Arbeitskräfte. Auch der Verpackungsbereich ist mit einer Vielzahl von Regularien belegt, die den administrativen Aufwand für die Unternehmen erheblich belastet.

Brandenburger Bio-Ei: Dem Tierwohl verpflichtet

Das Unternehmen versteht sich als Erzeugergemeinschaft, deren Schwerpunkt auf der konsequent tiergerechten und umweltfreundlichen Haltung von Legehennen in mobilen Ställen liegt. Es handelt sich dabei um einen Zusammenschluss ökologisch bäuerlich wirtschaftender Betriebe, die als Einzelkämpfer kaum eine Chance hätten, im Dickicht des (globalen) Marktgeflechts sichtbar zu sein und im Wettbewerb mit den heimischen Großbetrieben zu bestehen. Doch als ökonomisch vereinte Gemeinschaft mit getrennter Produktion, aber gebündelter Vertriebskraft ist man für den Handel ein Vermarktungspartner auf Augenhöhe. Wie das in der praktischen Arbeit funktioniert, hat uns Geschäftsführer Lasse Brandt erzählt.

Die Idee zur Gründung der Erzeugergemeinschaft entstand vor wenigen Jahren, als der heutige Gesellschafter und Geschäftsführer Lasse Brandt (Foto) im Rahmen des FÖL-Projekts „Mobile Hühnerhaltung“ mitarbeitete. Dort traf er nämlich auf den Bio-Landwirt Gernot Engelmann, der zu dieser Zeit bereits seine sechs Mobilställe plante. Die Beiden fackelten nicht lange, hoben die Brandenburger Bio-Ei GmbH aus der Taufe und schufen in leerstehenden Gebäuden des landwirtschaftlichen Betriebes von Gernot Engelmann eine Packstelle. Heute besteht der Zusammenschluss aus sechs Gesellschaftern, nämlich den zwei Gründern, drei biozertifizierten Betrieben, von denen sich zwei der mobilen Legehennen-Haltung verschrieben haben, und der Regionalwert AG Berlin-Brandenburg. Die Brandenburger Bio-Ei GmbH ist Zeichennutzer im Rahmen des EU-notifizierten Bio-Zeichens „bio Brandenburg. Gesicherte Qualität“ des Landes Brandenburg.

Die mobilen Ställe sind auf ganzer Linie ein Gewinn. An erster Stelle steht das Tierwohl, also die artgerechte Haltung. Die Hühner (ca. 1.000 pro Stall) haben reichlich Auslauf, können sich also nach Lust und Laune in der freien Natur bewegen, auf grün bewachsenem Grund scharren, picken oder einfach liegen und chillen. Abends gehen die Tiere selbstständig in den sicheren Stall und verbringen dort die Nacht. Gegen Morgen öffnen sich die Stalltüren wieder und geben den Weg frei auf das Gelände.

Die Umwelt wiederum profitiert davon, dass sich durch den Grünauslauf die Bodenbelastung in Grenzen hält bzw. eine „Nährstoffakkumulation“ (wie die Experten sagen) durch Hühnerkot weitgehend vermieden und das Grundwasser dadurch geschützt wird. Wenn es aus diesen Gründen Zeit für einen „Tapetenwechsel“ ist, zieht der Traktor den auf Kufen gleitenden Stall einfach an einen neuen Standort. „Die Tiere sind also immer dort, wo das Gras noch saftig und der Boden gesund ist“, betont Lasse Brandt.

Zum Tierwohl-Paket gehört neben der großzügig bemessenen Freilandhaltung auch, dass die Besatzdichte geringer ist und die Bruderhähne mit aufgezogen werden. Die landen dann zur rechten Zeit als Suppenhühner in den Regalen des Handels bzw. in den Töpfen der Verbraucher. Zum Einsatz kommen überdies ausschließlich biozertifizierte Futtermittel.

Das Unternehmen arbeitet arbeitsteilig: hier die drei Eierproduzten, die ihre Ware nach Wustermark liefern, und dort die „Zentrale“, wo die Eier kontrolliert, sortiert, verpackt und vermarktet werden. Dienstags, mittwochs und freitags schwärmen die Lieferwagen aus und bringen die empfindliche Fracht zu den Abnehmern. Rund zwei Millionen Eier verlassen in dieser Taktung die Packstation – pro Jahr, versteht sich. Das Modell rechnet sich insbesondere für Kleinbetriebe: garantierte Abnahmemengen, faire Preise, kalkulierbares Einkommen.

In den Regalen der großen Brandenburger Lebensmittelketten (EDEKA, REWE und Bio Company) ist das Unternehmen gut distribuiert. Des weiteren zählen Verwender wie Gastronomie, Backbetriebe, Cafés, Kitas, Großküchen etc. zu den Abnehmern. Da die Eier ausschließlich in Brandenburg erzeugt, bearbeitet und vermarktet werden, ist hier eine geschlossene Wertschöpfungskette realisiert – gut für die Abnehmer, gut fürs Land!

„Wir sichern nicht nur die Einhaltung hoher Qualitätsstandards gegenüber Kontroll- und Prüfinstanzen, sondern entlasten auch die Bio-Betriebe bei der Abrechnung und Administration“, beschreibt der Geschäftsführer das Tagesgeschäft. Wozu natürlich auch das zentrale Marketing gehört, handelt es sich doch im wahrsten Sinne des Wortes um ein „Massenprodukt“, das einen starken Markenauftritt („Das bewegte Bio-Ei“) braucht – nicht nur im Sinne der Wiedererkennbarkeit für den Verbraucher, sondern auch als überzeugendes Argument für die Listungsgespräche mit dem Handel.

Parlamentarischer Abend im Landtag

Sieben Jahre waren ins Land gegangen, als die Mitglieder von pro agro erneut Gelegenheit hatten, den Landtagsabgeordneten Brandenburgs ihre wirtschaftlichen Themen, Wünsche und, Sorgen zu schildern. Anlass war der vom Agrarmarketingverband initiierte Parlamentarische Abend im Anschluss an die 7. Plenarsitzung des Landtages (26. Februar 2025 in Potsdam). Unter den teilnehmenden Parlamentariern waren auch vier Minister. Rund vier Stunden dauerte das Treffen von Politik und Wirtschaft, darunter über 100 Vertreter von Unternehmen und Einrichtungen aus Ernährungswirtschaft, Lebensmittelhandwerk, Direktvermarktung sowie Land- und Naturtourismus. Beide Seiten äußerten sich sehr zufrieden über die Möglichkeit, in diesem informellen Rahmen ins Gespräch zu kommen.

Gute Stimmung (v.r.): Prof. Dr. Ulrike Liedke (Landtagspräsidentin), Dorothee Berger (pro agro), Hanka Mittelstädt (Landwirtschaftsministerin) und Kai Rückewold (pro agro).

Trotz der entspannten Atmosphäre mangelte es nicht an klaren Worten. So machte die pro agro-Vorstandsvorsitzende Dorothee Berger deutlich, dass die Branche mit dem Start der neuen Landesregierung im Dezember vorigen Jahres und mit dem parlamentarischen Abend „einige Erwartungen und Hoffnungen“ verbindet. Mit Landwirtschaftsministerin Mittelstädt habe jemand im MLEUV die Verantwortung, der aus persönlicher Erfahrung die Herausforderungen wirtschaftlichen Handelns in der regionalen Ernährungswirtschaft kenne. „Hier hoffen wir auf praxisnahe und pragmatische Lösungskompetenz aus dem Ministerium“, betonte sie.

Immer im Einsatz: CDU-Fraktionsvorsitzender Jan Redmann (links) steht für regionale Wertschöpfungsketten.

An die Adresse des Wirtschaftsministeriums wiederum richtete sie die Botschaft, dass die regionale Wertschöpfungskette Lebensmittel – vom Hof auf den Teller – „eine belastbare Nahtstelle“ im Ministerium benötigt. Ihr Appell: „Erfolg in der regionalen Wertschöpfung in Brandenburg wird nur erreichbar sein, wenn die beiden Häuser, das Ernährungs- und das Wirtschaftsministerium, die Aufgaben gemeinsam angehen.“

In den Katalog der Erwartungen bezog Dorothee Berger auch Finanzminister Robert Crumbach ein. Die Branchenunternehmen würden als verlässliche Steuerzahler auch Unterstützung von Seiten der Finanzadministration brauchen, um weiterhin ihren Beitrag für die finanzielle Ausstattung des Landeshaushalts leisten zu können.

Diesbezüglich stellte Sie klar: „nicht weil wir finanzielle Förderung des Landes als Grundlage unseres unternehmerischen Erfolges sehen, sondern weil wir in Brandenburg unglaublichen Nachholbedarf an Modernisierung, Automatisierung und Digitalisierung haben“.

Ministerin Hanka Mittelstädt machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass die Land- und Ernährungswirtschaft nach Auffassung der Koalition eine zentrale Rolle im ländlich geprägten Brandenburg spielt.

„Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die regionale Wertschöpfung und Vermarktung in Berlin und Brandenburg zu stärken“, unterstrich sie. Als Indiz führte sie an, „dass wir nun die Ernährungswirtschaft mit im Titel des Ministeriums tragen und uns damit auch als Motor der Entwicklung verantwortlich zeigen“.

Außerdem teilte sie mit, dass als „ein wichtiger Meilenstein“ das Thema Bürokratie in ihrem Ministerium verankert sei. Erste Lösungsansätze sollen bereits Anfang Mai beim nächsten Runden Tisch der Ernährungswirtschaft diskutiert werden. Überdies bekräftigte sie, dass die im Vorjahr gestartete Marketingkampagne für regionale Verbraucherakzeptanz („Deine Wahl ist regional!“) trotz knapper Kassen und angespannter Haushaltslage fortgeführt werde. „Dafür machen wir uns stark“, versprach die Ministerin.

Fröhliche Genießer: Tetyana Hoppe (Spargel- und Aroniahof Hoppe) und Marcus Reh (EDEKA).

Dieses Bekenntnis zur Ernährungsbranche und das erkennbar hohe Tempo bei der Umsetzung besserer Rahmenbedingungen für die Wirtschaft war natürlich Balsam für die Seelen der anwesenden Unternehmensvertreter. Kein Wunder also, dass sie das Treffen als äußerst zielführend bewerteten, zumal sie ihre relevanten Themen im persönlichen Gespräch mit den Landtagsabgeordneten vertiefen konnten. Die Parlamentarier wiederum waren sehr angetan von der Gelegenheit, aus berufenem Munde einen Einblick in die unternehmerische Praxis zu erhalten. Fazit: Ein ertragreicher Abend für beide Seiten!

Digitaler Einkaufsführer „REGIOapp“

Der im Jahre 2005 gegründete Dachverband versteht sich als Interessenvertretung und Kompetenznetzwerk für die vielfältigen Akteure regionalen Wirtschaftens, die zu einer erfolgreichen und nachhaltigen Regionalentwicklung sowie zur Stärkung ländlicher Räume beitragen. „Nur durch den Erhalt und die Förderung der regionalen Wertschöpfung können ländliche Räume gestärkt und Bleibeperspektiven geschaffen werden“, sagt Claudia Schreiber, Leiterin Fachbereich Netzwerke, Regionale Wertschöpfung und Wissenstransfer. Der BRB sieht sich indessen nicht nur als Sprachrohr im wirtschaftlichen und politischen Raum, sondern unterstützt auch die kleinstrukturierte Landwirtschaft, das Lebensmittelhandwerk und Regionalinitiativen unmittelbar bei der Vermarktung ihrer Produkte und Dienstleitungen in der heimischen Region. Dazu zählt vor allem die digitale Plattform „REGIOapp“.

Dem Verband gehören heute über 360 Mitglieder an; rund 180 davon sind regionale Vermarktungsinitiativen wie der Verband pro agro. „In seinem großen Netzwerk formt und fördert der BRB den Kerngedanken von Regionalität“, fasst Claudia Schreiber (Foto) das Aufgabenspektrum zusammen. Er engagiere sich partnerschaftlich nach innen und politisch nach außen durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit, und zwar für eine glaubwürdige Regionalität im Sinne der Verbraucher ebenso wie für bessere Rahmenbedingungen im Interesse regionaler Akteure.

Eines der langjährigsten Projekte des Verbandes ist der „Tag der Regionen“. Eigentlich müsste er „Wochen der Regionen“ heißen, da er jeweils am und um den Tag des Erntedankfestes stattfindet. In diesem Jahr beginnen die bundesweit gestreuten Veranstaltungen am 5. September und enden am 5. Oktober, dem Erntedank-Sonntag. In diesem mehrwöchigen Aktionszeitraum finden hunderte von Veranstaltungen, Festen, Ausflügen, Märkten und anderen Ereignissen auf regionaler/lokaler Ebene statt. Claudia Schreiber: „Die Aktionen wollen den Menschen vermitteln, dass es mehr denn je nötig ist, regional, sozial und umweltbewusst zu wirtschaften bzw. zu handeln , d.h. Nahversorgungsregionen zu stärken und weiter aufzubauen.“

Zu den „Rund-um-die-Uhr“-Angeboten des Verbandes zählt aus Sicht der regionalen Konsumenten und Anbieter die im Jahr 2013 entwickelte und ans Netz gegangene REGIOapp (siehe auch hier ), deren Verbreitungsgebiet längst über die BRB-„Stammregion“ Bayern hinaus bis ins gesamte Bundesgebiet gewachsen ist. Bei der App handelt es sich um eine vom Verband koordinierte digitale Plattform, mit deren Hilfe regionale Anbieter ihre Produkte und Dienstleistungen präsentieren und – umgekehrt – die Konsumenten als Einkaufsführer für regionale Lebensmittel und Speisen, aber auch landtouristische Angebote nutzen können.

Ein solches bundesweit und detailliert angelegtes Konzept setzt natürlich genaue Kenntnis der jeweiligen Region voraus: Einkaufstätten und Sortiment einerseits, Restaurantbetriebe andererseits. Das kann der BRB, will er an seinen eigenen, hohen Ansprüchen wie Glaubwürdigkeit, Nachhaltigkeit und Nähe nicht scheitern, von seinem Standort Feuchtwangen aus überhaupt nicht leisten. Also wird diese Aufgabe dezentral erledigt, und zwar aus der Mitgliedschaft heraus, das heißt von Regionalinitiativen und anderen in der Region verwurzelten Einrichtungen, die nicht nur die Angebote vor Ort, sondern auch die dahinterstehenden Menschen persönlich kennen.

Diese „Bündler“, wie der BRB sie nennt, betätigen sich in ihrer jeweiligen Region quasi als „Pfadfinder“ und halten Ausschau nach potenziellem Unternehmen, die ihre Produkte und/oder Dienstleistungen über die digitale Plattform anbieten könnten, also direktvermarktenden Betrieben (Hof- und Dorfläden, Wochenmärkte etc.) oder Lebensmitteleinzelhändlern mit regionalen Produkten bzw. Gastro- und Hotelleriebetrieben. Damit ist es jedoch nicht getan: Sollte ein Interessent die REGIOapp nutzen wollen, sorgen die Bündler selbst auch für den Eintrag in die APP (Betrieb, Personen, Adresse, Sortiment bzw. Angebot, Fotos, Straßenkarte mit integrierter Navigationsfunktion etc.). Wichtiger noch: Die kontinuierliche Pflege der Daten liegt ebenfalls in ihren Händen. Alle Prozesse sind digitalisiert und somit effizient und unmittelbar nutzbar.

Hier ein paar Basiszahlen: Heute gibt es bundesweit ca. 13.000 Einträge („Profile“) in der REGIOapp und 80.000 Nutzer. Im Durchschnitt werden täglich 400 Zugriffe registriert. „Allerdings ist unser digitales Vermarktungsportal in Deutschland noch nicht lückenlos verbreitet“, sagt Claudia Schreiber und betont: „Es gibt noch einige weiße Flecken, wo wir bisher keine Bündler gefunden haben.“ Das gilt auch für Brandenburg mit derzeit 500 Profilen. Hier ist also noch Luft nach oben. Folgende Bündler bzw. Kristallisationspunkte sind schon dabei: Agrarmarketingverband pro agro, Spreewaldverein, Echt Fläming, Regionalinitiative Prignitz-Ruppin, Regionalwert Berlin-Brandenburg und Tourismusverband „Dein Havelland“.

„Wir freuen uns auf neue Kristallisationspunkte in ganz Brandenburg – melden Sie sich bei Interesse gerne bei mir“, wünscht sich Claudia Schreiber. Betriebe in den Regionen können sich einfach digital selbst in der REGIOapp registrieren und werden Bündlern zugewiesen.

Ein Tipp: pro agro bietet Ihnen gemeinsam mit dem Bundesverband Regionalbewegung „Live“-Informationen zur REGIOapp aus erster Hand, und zwar beim kostenlosen Webinar am Donnerstag, 27. März 2025 von 11.30 bis 12.00 Uhr. Von der Funktionsweise über technische Features bis zur Datenintegration werden alle Fragen zur REGIOapp direkt beantwortet.

Grüne Woche: Präsentieren, kontakten und netzwerken

Zufriedene Gesichter bei der Messe Berlin: Rund 310.000 Besucher aus dem In- und Ausland kamen vom 17. bis 26. Januar 2025 zur internationalen Leitmesse für Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau, um sich über weltweite Innovationen zu informieren. Das waren 13 Prozent mehr als im Vorjahr, und das, obwohl die Grüne Woche von der (inzwischen abgeklungenen) Maul- und Klauenseuche überschattet war. In der Brandenburghalle 21a herrschte wie immer großes Gedränge an den Ständen – egal ob Konsumenten oder Fachbesucher aus Handel, Gastronomie, Gemeinschaftsverpflegung und Direktvermarktung. „Der Zuspruch und das Resümee von Produzenten und Absatzpartnern lassen uns ein positives Fazit ziehen“, bilanzierte Kristin Mäurer, Fachbereichsleiterin Agrar- & Ernährungswirtschaft beim Verband pro agro.

Das Brandenburger Ministerium für Land- und Ernährungswirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz (MLEUV) zeigte sich als Ausrichter der Brandenburghalle ebenfalls sehr zufrieden. „Ich bin überzeugt, dass wir mit den Angeboten einen guten Erfolg landen konnten“, sagte Ministerin Hanka Mittelstädt. Konkret erwähnte sie die guten Kontakte der mehr als 260 Aussteller auf über 70 Ständen zu Konsumenten und Vermarktern sowie die Vernetzung der Produzenten untereinander. Wie 2024 hatten junge Startups auch in diesem Jahr die Möglichkeit, sich und ihre Angebote zu präsentieren.

Gerade für klein- und mittelständische Unternehmen aus der Region erweist sich die Brandenburghalle als guter Rahmen, um sichtbar zu werden und ihre Spezialitäten bzw. Nischenprodukte vorzustellen. Das Interesse von Konsumenten und Fachpublikum konzentrierte sich dabei nicht nur auf kulinarische Produkte, sondern auch auf die landtouristischen Angebote. Insgesamt war die Resonanz der Aussteller auf ganzer Linie positiv.

Das erfreuliche Gesamturteil fand Eingang in die Ergebnisse einer Kurzumfrage des MLEUV: Demnach wollen 91 Prozent der befragten Aussteller auch 2026 in der Brandenburghalle dabei sein. „Das verdeutlicht den Stellenwert der Halle für die Unternehmen, den 82 Prozent als sehr hoch bewerteten“, bekräftigt das Ministerium. Dieser Befund deckt sich mit den Erwartungen zum Nachmessegeschäft: Fast drei Viertel der Befragten (73 Prozent) rechnen in den nächsten Wochen und Monaten mit steigenden Abverkäufen.

26. pro agro-Marketingpreis

Traditionell stand der erste Messetag im Zeichen des pro agro-Marketingpreises 2025 und der Prämierung kreativer und innovativer Unternehmen. Die Preisverleihung nahmen die neue Verbandsvorsitzende Dorothee Berger und pro agro-Bereichsleiterin Kristin Mäurer vor. Am Wettbewerb hatten insgesamt 41 Unternehmen und Institutionen teilgenommen. In den einzelnen Kategorien sahen die Zahlen so aus: Direktvermarktung 22, Ernährungswirtschaft zehn sowie Land- und Naturtourismus neun Bewerbungen. Im Lebensmittelbereich wurden folgende Unternehmen ausgezeichnet:

Direktvermarktung

(1) Elbe-Elster Apfelkorn (Brotsommelier Paul Müller)

(2) wild.shop (Landesjagdverband Brandenburg)

(3) „Spreewald trifft Tirol“ (Drehnower Hofkäserei)

Sonderpreis: Emmas Kaufhalle in Teschendorf

Ernährungswirtschaft

(1) Golßeners Regionalkampagne (Golßener Lebensmittel)

(2) Bratwurst vom Weideschaf (Biomanufaktur Havelland/reffiSchaf)

(2) Digitalkampagne „Von Natur aus liebenswerda“ (Mineralquellen Bad Liebenwerda)

(3) Knusperwaffeln mit Sanddorncreme (Christine Berger).

Digitales Blättern: Broschüren-Inhalt durch Klick ins Foto.

Als Anerkennung erhalten die genannten Preisträger ein pro agro-Marketingpaket. Überdies werden die Produktinnovationen und Vermarktungskonzepte aller 41 Wettbewerbsteilnehmer in der Broschüre Neues aus Brandenburg – Ein Land voller Ideen dargestellt.

EDEKA-Regionalpreis

Zusätzlich zeichnete EDEKA als einer der starken Partner für die Vermarktung regionaler Produkte im Einzelhandel Brandenburg-Berlins in diesem Jahr zwei Bewerber aus den Kategorien Ernährungswirtschaft und Direktvermarktung mit dem EDEKA-Regionalpreis 2025 aus. Geschäftsführer Mathias Pinnow überreichte die Preise an die Christine Berger GmbH („Knusperwaffeln mit Sanddorncreme“), wodurch das Unternehmen diesmal neben dem Marketingpreis eine weitere Branchen-Trophäe abräumen konnte. Der zweite Regionalpreis ging an das Speiseeis von Urstrom Jersey‘s. Beide Gewinner erhalten eine exklusive Vermarktung über die EDEKA-Handelsgesellschaft. Weitere Informationen rund um den pro agro-Marketingpreis 2025 finden sie hier.

Doch damit nicht genug. Auch der Landesbauernverband Brandenburg (LBV) nutzte die Bühne der Brandenburghalle, um „herausragende Leistungen“ der heimischen Landwirtschaft ins rechte Licht zu rücken: Im Rahmen des Mitglieder-Wettbewerbs von LBV und pro agro „Zukunft durch Vielfalt“ zeichnete der LBV am 25. Januar die „zukunftsweisenden unternehmerischen Konzepte“ von Verbandsmitgliedern aus, und zwar in den Kategorien „Klimaanpasser“, „Kommunikationstalent“ und „Vermarktungskünstler“. In letzterer Kategorie errang Florian Schulze (Agrargenossenschaft Hoher Fläming eG Rädigke-Niemegk) mit der Marke „Hof Rabenstein“ den Preis. Der Gewinner (übrigens pro agro-Mitglied) sei mit dem Ansatz „Vom Feld aufs Brot“ ein „Paradebeispiel für regionale Erzeugung und Vermarktung in Brandenburg“, heißt es in der Laudatio.

Geballtes Fachwissen: Kristin Mäurer (pro agro) beim Hallenrundgang mit einer EDEKA-Delegation.

Rundgänge mit Fachpublikum aus Handel und Gastronomie

„Unsere vornehmliche Aufgabe auf der Grünen Woche sehen wir als Agrarmarketingverband in der Vielzahl der hervorragend umsetzbaren Vernetzungs- und Vermarktungsaktivitäten“, betont Kristin Mäurer. So stand während der Messetage vor allem die intensive Kontaktanbahnung zu unterschiedlichen Absatzpartnern auf dem pro agro-Programm. Konkret: Weit über 700 eingeladene Vertreter von Handel, Gastronomie, Gemeinschaftsverpflegung und Direktvermarktung wurden in der Brandenburghalle mit ausgewählten Produzenten zusammengeführt. Allein an den Rundgängen mit EDEKA (22. Januar) und REWE (23. Januar) haben insgesamt über 460 selbstständige Kaufleute des Berliner und Brandenburger Lebensmittelhandels teilgenommen

Stammtisch der Brandenburger Ernährungswirtschaft 

Am 20. Januar fand wie gewohnt der erste Unternehmerstammtisch des Jahres 2025 im Rahmen der Grünen Woche statt. Teilgenommen haben neben Vertretern der Ernährungswirtschaft und der Direktvermarktung auch Hanka Mittelstädt in ihrer neuen Funktion als Landwirtschaftsministerin. Die zahlreichen Teilnehmer nutzten die Gelegenheit, der Ministerin im persönlichen Austausch ihre Sorgen und Vorstellungen als Unternehmer zu unterbreiten, während sie selbst einen Einblick in ihre politischen Aufgaben und Pläne gab. Über die wesentlichen Inhalte des diskursiven Austauschs berichten wir in einem separaten Beitrag (siehe Rubrik Vernetzung).

Zwei Landesfeste

Am Brandenburgtag (20. Januar) gab die Landwirtschaftsministerin den Austragungsort der zentralen Eröffnungsveranstaltung der 30. Brandenburger Landpartie (14. und 15. Juni 2025) bekannt. Ausrichter wird diesmal Gut Schmerwitz im Hohen Fläming sein. Die komplette Broschüre mit allen wichtigen Informationen, teilnehmenden Betrieben und deren Angeboten erscheint Anfang Mai. Der Staffelstab für die Austragung des 22. Brandenburger Dorf- und Erntefestes (20. September 2025) ging von Drachhausen (Spree-Neiße) nach Altranft (Märkisch Oderland). Beide Landesfeste werden im Auftrag des Landes Brandenburg von pro agro koordiniert.

Regionale Kulinarik: Ministerpräsident Dietmar Woidke zu Gast beim pro agro-Kochstudio.

Brandenburger Kochstudio 

Der gut besuchte Anlaufpunkt machte an allen zehn Messetagen mit insgesamt 25 präsentierenden Landgasthöfen eindrucksvoll die enge Verbindung von Landwirtschaft, Gastgewerbe und Tourismus erlebbar. Abgestimmt auf die jeweilige Tagesregion des Bühnenprogramms und begleitet vom bekannten Radio-Moderator Detlef Olle demonstrierten Köche aus Brandenburger Restaurants und Landgasthöfen ihre Fertigkeiten und stellten haustypische Gerichte mit heimischen Produkten vor.

Weitere Informationen über den Auftritt der brandenburgischen Lebensmittelbranche auf der Grünen Woche 2025 finden Sie hier.

Engagierter Kampf gegen die Flaute

Zum Jahreswechsel 2024/2025 vermittelt die Umfrage des Agrarmarketing-Verbandes bei Unternehmen der Brandenburger Ernährungswirtschaft ein nicht ganz so düsteres Bild wie noch vor Jahresfrist. Wir erinnern uns: Seinerzeit war die Stimmung in der Unternehmerschaft ziemlich im Keller, was sich bis zur folgenden Erhebung in der Jahresmitte 2024 kaum änderte. Die jüngsten Ergebnisse lassen sich so interpretieren, dass zwar keine weitergehenden Ausschläge Richtung Stimmungstief zu verzeichnen sind, andererseits aber die Aussage von „gleichbleibenden“ Geschäftsaussichten stark gestiegen ist – „gleichbleibend schlecht“ müsste man eigentlich sagen, da die überwiegende Mehrheit der Befragten im Sommer 2024 eine eher düstere Geschäftsentwicklung erwartete. Hier die Hauptergebnisse des aktuellen Branchenbarometers.

Konkret: Insgesamt vermittelt das Branchenbarometer ein gespaltenes Meinungsbild innerhalb der regionalen Ernährungswirtschaft (landwirtschaftliche Direktvermarkter, Ernährungshandwerk und Lebensmittelproduzenten). 46 Prozent der Befragten sagten, die Geschäfte seien 2024 im Vergleich zum Vorjahr deutlich besser bis gleich gut gelaufen, 53 Prozent hingegen gaben eine schlechtere Performance zu Protokoll.

Die Aussichten für das laufende Jahr fallen ebenso gemischt aus: 33 Prozent erwarten eine Verschlechterung, 25 Prozent eine Verbesserung und 42 Prozent keine Änderung, also gewissermaßen gleichbleibend schlechte Geschäfte. Das belegt der Vergleich mit den Zahlen von Anfang 2024. Damals sprachen 51 Prozent von schlechteren, 24 Prozent von besseren und 27 Prozent von gleichbleibenden Aussichten

Dass die konjunkturelle Gesamtwetterlage in Deutschland auch die Brandenburger Ernährungswirtschaft nicht verschont hat, ist keine Überraschung. Kein Thema wurde in den Medien häufiger diskutiert als der Preisanstieg bei Lebensmitteln. Von höheren Preisen des Handels profitiert die Branche allerdings kaum. Ursache für die zurückhaltende Marktprognose ist – und das konstant seit Beginn der Erhebungen – die Schere zwischen stark steigenden Kosten und nur moderat durchsetzbaren Preiserhöhungen. So sagen 79 Prozent der Unternehmen, dass zu erlösende Preise bei Handelspartnern oder beim Verbraucher um mehr als 10 bis über 20 Prozent steigen müssten, um nachhaltige wirtschaftliche Zukunftsaussichten zu haben.

Dazu pro agro-Geschäftsführers Kai Rückewold: „Auf der einen Seite machen den Verbrauchern gestiegene Lebensmittelpreise zu schaffen, auf der anderen fehlt den regionalen Erzeugern der nötige Umsatz mit besseren Margen. Da die Umfrage erneut bestätigt, dass über den Lebensmitteleinzelhandel (52 Prozent) und die Direktvermarktung (25 Prozent) der größte Umsatzanteil bei den Erzeugern erwirtschaftet wird, ist es umso wichtiger, die Bedeutung der regional erzeugten Lebensmittel in den Kern-Käufergruppen weiter zu verankern. Regionale Marken haben die besten Entwicklungsoptionen.“

Als Hauptgrund für die kritische Lagebeurteilung werden die bürokratischen Auflagen wie gesetzliche Vorschriften, höhere Umweltauflagen, zunehmende Dokumentationspflichten etc. genannt. Mit 73 Prozent (Vorjahr: 55 Prozent!) der Antworten liegt das Thema Bürokratie einsam an der Spitze. Aus Sicht der Wirtschaft handelt es sich hier um ein doppeltes Ärgernis: erstens, weil die Politik (EU, Bund) schon lange darüber spricht, aber wenig bis gar nichts tut; zweitens, weil in den Betrieben wertvolle Ressourcen wie Zeit, Personal und Geld vergeudet werden. Auf den nächsten Plätzen der Negativ-Skala folgen hohe Personalkosten (58 Prozent), gestiegene Rohstoff- und Beschaffungskosten (55 Prozent) und hohe Energiekosten (52 Prozent).

Allein auf die Ermittlung der wirtschaftlichen Problemfelder wollte sich pro agro indessen nicht beschränken. Also hat der Verband zusätzlich mögliche Lösungsvorschläge aus Sicht der Unternehmerschaft abgefragt. Beim Thema „bürokratische Auflagen/Überregulierung“ schlagen 61 Prozent vor, viele Vorschriften und Nachweispflichten erst ab einer bestimmten Unternehmensgröße erfüllen zu müssen. Inhaltlich wäre eine Entlastung durch Abschaffung und/oder Bündelung folgender Probleme wünschenswert: Mehrfacherhebung statistischer Daten, Verwaltungsaufwand durch minutengenaue Arbeitszeiterfassung, Meldungen an Sozialversicherungsträger, Datenschutz oder Nachweise zur Verpackungsordnung.

In Sachen Personalkosten wiederum sprechen sich 66 Prozent für die Erhöhung des Grundfreibetrages auf beispielsweise 20.000 Euro aus. Das könnte zu mehr Attraktivität der Angebote im Segment Mindestlohn und zu spürbarer Entlastung der Lohnspirale führen. Und mit Blick auf die hohen Energiepreise im europäischen Vergleich sehen über zwei Drittel Handlungsbedarf für deren Senkung.

Doch trotz der insgesamt angespannten Lage werden 73 Prozent der Unternehmen der Brandenburger Ernährungswirtschaft investieren, und zwar in Anlagen und Maschinen (88 Prozent) sowie Gebäude (50 Prozent). Aber auch Investments in Digitalisierung (48 Prozent) und alternative Energieversorgung (50 Prozent) stehen hoch im Kurs. Die geplanten Investitionssummen belaufen sich bei 13 Unternehmen auf einer bis 25 Million Euro. Bei knapp der Hälfte stehen auch Neueinstellungen auf dem „Zettel“, allerdings nur auf niedrigem Niveau.

Interessant sind auch die Rückmeldungen zum „Investitionsstau in Deutschland“ und der damit verbunden Frage zur Lockerung der Schuldenbremse. Sind die Unternehmer auf Ebene des Bundes nur zu 51 Prozent für eine Veränderung der Schuldenbremse, so sieht es für das Land Brandenburg ganz anders aus. Hier halten 85 Prozent der Umfrageteilnehmer die Lockerung der Schuldenbremse für einen richtigen Weg zur Finanzierung von Zukunftsinvestitionen.

Zu guter Letzt wurde nach geeigneten Dialogformaten mit der Politik gefragt. Die eindeutige Präferenz liegt dabei in regelmäßigen Dialogrunden auf Landesebene (62 Prozent) und einer Bündelung der Interessen durch eine aktive Verbandsarbeit (52 Prozent). Auch die Bundesebene kam hier ins Spiel: 39 Prozent sehen in diesem Rahmen Dialogrunden zwischen der Branche und politischen Entscheidern als wichtige Plattform.

Informationen zum pro agro-Branchenbarometer: Von den rund 550 zum Jahreswechsel 2024/2025 angeschriebenen Unternehmen haben sich 77 aktiv an der Online-Befragung beteiligt. 52 Prozent der teilnehmenden Betriebe erwirtschaften bis zu einer Million Euro Jahresumsatz, 21 Prozent bis zehn Millionen Euro und 26 Prozent verteilen sich auf Umsatzgrößen von bis zu 25 Millionen Euro bzw. bis zu über 75 Millionen Euro. Rund 40 Prozent beschäftigen weniger als sechs Mitarbeiter, 29 Prozent haben über 50 Beschäftigte, davon 21 Prozent mehr als 100 Mitarbeiter. Das Branchenbarometer hat keinen Anspruch auf Repräsentativität, beschreibt aber ein belastbares Meinungs- und Stimmungsbild der Brandenburger Ernährungswirtschaft. 79 Prozent der Umfrageergebnisse kommen direkt von pro agro-Mitgliedern.

Unternehmerstammtisch: Austausch mit der Politik

Diesmal war der Unternehmerstammtisch ein ganz besonderes Ereignis, da Hanka Mittelstädt mit am Tisch saß – aber nicht, wie in den Vorjahren, als pro agro-Vorsitzende, sondern als frisch gekürte Brandenburger Landwirtschaftsministerin. Das gab der versammelten Unternehmerschaft der Ernährungswirtschaft die Gelegenheit, die Themen und Sorgen der Branche ungeschminkt (aber verbindlich im Ton, man kennt sich schließlich persönlich) vorzubringen. Die Ministerin ihrerseits versprach, sich für die Belange der Unternehmen einzusetzen und sich dort für Lösungen stark zu machen, soweit ihr Amt das zulässt. Hier die wichtigsten Punkte des Treffens.

Der Konferenzraum in der Brandenburghalle 21a platzte am späten Nachmittag des 20. Januar 2025 aus allen Nähten. Zahlreiche Branchenunternehmen nutzten die Gelegenheit, mit Hanka Mittelstädt in ihrem neuen Amt als Ministerin ins Gespräch zu kommen. Sie war ja nicht, wie früher, als „Botschafterin“ der heimischen Branche gegenüber der Politik zugegen, sondern als Teil der Politik selbst und somit als Adressatin der unternehmerischen Praxis. Moderiert wurde das Treffen von Dorothee Berger, ihrer Nachfolgerin als pro agro-Vorstandsvorsitzende, und pro agro-Fachbereichsleiterin Kristin Mäurer.

Die Themen des von den Unternehmen nahezu einhellig vorgetragenen Sorgenkatalogs kreisten im Wesentlichen um die im pro agro-Branchenbarometer zum Jahreswechsel ermittelten kritischen Punkte (siehe unseren Bericht in der Rubrik „Branche“). Davon sind im Grunde sämtliche Unternehmen, manche von ihnen jedoch besonders hart betroffen. Um nur drei wichtige unter etlichen Punkten hervorzuheben:

  • Ausufernde Bürokratie: Nicht selten müssen Unternehmen Extra-Personal für die Bearbeitung gesetzlicher Vorschriften und administrativer Auflagen einstellen. Zusätzlich wurde das ebenso gängige wie einprägsame Bild bemüht, der Landwirt sitze wegen des immensen bürokratischen Aufwands mehr am Schreibtisch als auf dem Traktor. „Die Menge an Dokumentations- und Nachweispflichten ist erdrückend“, fasste Frank Matheus (Agrargenossenschaft Neuzelle) zusammen.
  • Steigende Mindestlöhne: Gerade für landwirtschaftliche Betriebe mit personalintensivem Ernteeinsatz sei das „ein großer Schrecken“, so Willi Stollenwerk (Spreewald Feldmann); auf diese Weise „greift die Politik direkt in unsere Unternehmen ein – das ist Planwirtschaft“, sekundierte Lothar Parnitzke (Kunella Feinkost).
  • Hohe Energiekosten: Darunter leiden vor allem Betriebe mit enorm hohem Energiebedarf wie etwa Obstbauern mit Gewächshäusern. Da sei es schwierig bis unmöglich, kostendeckend zu arbeiten, sagte Gerrit van Schoonhoven (Werder Frucht).
Reger Austausch: Letzte Abstimmungen vor der Sitzung.

Das von Mirko Pabel (Dithmarscher Geflügel) gezogene Fazit wirft ein bezeichnendes Licht auf die negative Grundstimmung innerhalb der Unternehmerschaft: „Wir wünschen uns eine Politik auf Augenhöhe“, sagte er und gab damit zum Ausdruck, dass sich die Wirtschaft nicht verstanden oder sogar nicht ernstgenommen fühlt. Diese und weitere Probleme „müssen unbedingt gelöst werden, sonst macht das der Markt“. ergänzte Ernst-August Winkelmann (Spargelhof Klaistow) und beschwor damit die Gefahr von Firmenpleiten. Oder, wie Tino Ryll (Fläminger Genussland) mit Blick auf die Direktvermarkter warnte, „man wird von Großbetrieben übernommen, die keinen Bezug zu unserer Region haben“.

Jenseits dieser und weiterer Herausforderungen, mit denen die Unternehmen zu kämpfen haben, regte Rainer Kempkes (Golßener Lebensmittel) weitere gemeinsame Treffen und Aktivitäten an, um das Bewusstsein für Regionalität bei den Verbrauchern zu stärken. „Wir müssen das Thema Regionalität gemeinsam leben“, ermunterte er die heimische Ernährungswirtschaft.

In ihrer Entgegnung wies Ministerin Mittelstädt darauf hin, dass die neue Regierung bereits die ersten Pflöcke eingeschlagen hat. Beispielhaft nannte sie die Integration des Begriffs „Ernährungswirtschaft“ in den Namen ihres Ministeriums – ein deutliches Signal für die Aufwertung der Branche in Brandenburg. Gleichzeitig wird damit unterstrichen, dass die Land- und Ernährungswirtschaft als Teil einer gemeinsamen Wertschöpfungskette gesehen wird. Überdies hat die Landesregierung vor, die interministerielle Kooperation zur Vermeidung von Doppelarbeit und/oder Ressourcenverschwendung zu forcieren. Dies alles ist der Hintergrund dafür, dass der Verbraucherschutz wieder im Landwirtschaftsministerium angesiedelt ist.

Was konkrete Maßnahmen angeht, bekräftigte die Ministerin mit Verweis auf den Koalitionsvertrag, dass

  • die Runden Tische „Gute Saisonarbeit“ und „Ernährungswirtschaft“ weiter stattfinden,
  • die Brandenburghalle auf der Grünen Woche, die Landwirtschaftsausstellung BraLa, die Landpartie sowie das landesweite Dorf- und Erntefest als „wichtige Schaufenster“ der regionalen Agrar- und Lebensmittelwirtschaft und des ländlichen Raums weiterentwickelt und
  • die Verbraucherkampagne für die regionale Vermarktung fortgesetzt werden.

Geballte Frauenpower (v.r.): Ministerin Hanka Mittelstädt, Dorothee Berger und Kristin Mäurer.

Mit Blick auf das hohe Kosten verursachende Ärgernis der Überregulierung verwies die Ministerin ebenfalls auf den Koalitionsvertrag, in dem es heißt, dass der bereits begonnene Bürokratieabbau beschleunigt sowie Prozesse vereinfacht und digitalisiert werden sollen. Die Parlamentarier haben hier nicht lange gefackelt. So hat der Landtag bereits am 11. Dezember 2024 einen „Sonderausschuss Bürokratieabbau“ eingesetzt, der den notwendigen Prozess dokumentieren und dessen Transparenz unterstützen soll. Dirk Artmann, Leiter des Ministerbüros, appellierte an die Unternehmen, dem Sonderausschuss zu dieser Thematik eine Liste von Beispielen zur Verfügung zu stellen. Dorothee Berger bot an, dass pro agro diesen Prozess bis zum fertigen Arbeitspapier koordiniert.

Ich kämpfe weiter darum, dass die Landwirtschaft am Monster Bürokratie nicht erstickt“, versicherte Hanka Mittelstädt. Sie machte allerdings auch deutlich, dass nicht alles, was die heimische Ernährungsbranche in Sachen Bürokratieabbau und darüber hinaus geändert, vereinfacht und in ihrem Sinne gelöst haben will, allein in den Händen des Brandenburger Landwirtschaftsministeriums liegt. EU und Bundesregierung sind hier die Ebenen, die am längeren Hebel sitzen. Aber: Wenn man schon nicht selbst eine Entscheidungsbefugnis hat, dann kann das Land Brandenburg von Fall zu Fall auf die übergeordneten Instanzen „einwirken“, wie sie sagte, um ein optimales Ergebnis für die Branche zu erzielen.

Landesjagdverband: Einsatz für Natur- und Artenschutz

In der rein städtischen Zivilgesellschaft Deutschlands haben Jäger meist keinen leichten Stand. Nicht selten unterstellen ihnen urban geprägte Menschen, sie seien seelenlose Schießgesellen, deren fragwürdiger Zeitvertreib lediglich darin bestehe, arg- und wehrlosen Wildtieren aufzulauern und sie zu erlegen. „Das ist ein stark verzerrtes Meinungsbild“, erläutert Kai Hamann (Foto), Geschäftsführer des Landesjagdverbandes Brandenburg (LJVB), und stellt klar: „Das Jagen selbst macht im Zeitablauf den geringsten Anteil aus. Wir erbringen vor allem eine umfassende und von der nichtkundigen Öffentlichkeit wenig erkannte oder anerkannte private Gratisleistung beim Arten-, Biotop- und Naturschutz.“ Und neuerdings fungiert der Verband auch als digitale Plattform für die Vermarktung von Wildfleisch, das sich gerade in der städtischen Kulinarik besonderer Beliebtheit erfreut.

Aufgaben und Ziele des Verbandes sind laut Satzung u.a. die umfassende Unterstützung und Förderung des Naturschutzes und der Landschaftspflege; dazu gehört auch die Pflege und Sicherung der Lebensräume der Gesamtheit wildlebender Arten. „Aufgrund unserer Ausbildung, Erfahrung und der ständigen Präsenz in der Natur tragen wir Jäger eine besondere Verantwortung“, heißt es auf der LJVB-Website. Mehr noch: „Wir wollen die Jagd als moderne Form der Naturnutzung und als Kulturgut erhalten.“ In Brandenburg gibt es ca. 13.500 Jagscheininhaber, davon sind etwa 10.600 als Mitglieder im LJVB organisiert.

Damit habe man im Bundesvergleich die höchste Mobilisierungsrate von Mitgliedern, so Kai Hamann. Dem LJVB als regionalem Dachverband sind insgesamt 29 Mitgliedsverbände im ganzen Land Brandenburg angegliedert, die ihrerseits jeweils über eigene Organisationen verfügen. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die Aufgaben und Ziele sowie die Standards der intensiven Aus- und Weiterbildung (Schießwesen, Jagdhundehaltung etc.) einheitlich vermittelt und eingehalten werden.

Aufgrund der immer wieder aufkeimenden Image-Probleme ist für den Verband als Interessenvertretung seiner Mitglieder (und des Jagdwesens insgesamt) eine stringente Öffentlichkeitsarbeit unabdingbar, und zwar nicht nur von Fall zu Fall, sondern stetig. Dazu zählt etwa die aufmerksamkeitsstarke Kampagne „Lernort Natur“, in deren Rahmen die so genannten Lernort Natur Mobile durch‘s Land tingeln – ausgerüstet mit Präparaten und Schulungsmaterial für Kitas, Schulen oder Dorffeste (auch beim pro agro-Schlachtefest ist man regelmäßig präsent). Ziel ist, Kinder für Natur und Umwelt in Brandenburg zu begeistern. Im Vordergrund steht dabei das erlebnisorientierte Lernen durch Experimentieren und Anfassen – auch vor dem Hintergrund der Jagd.

Erlebnisorientiertes Lernen: Gespannte Aufmerksamkeit der Kinder.

Über viele weitere Aktivitäten theoretischer und praktischer Natur hinaus nimmt der LJVB eine wichtige Funktion im Austausch mit Politik und Verwaltung wahr. Hauptansprechpartner ist das Brandenburger Landwirtschaftsministerium bzw. die dort angesiedelte oberste Jagdbehörde. Hier hat die neue Ministerin Hanka Mittelstädt als eine der ersten Maßnahmen eine zentrale Forderung des Verbandes erfüllt, nämlich die Trennung von oberster Jagd- und Forstbehörde. „Mit dieser Neustrukturierung setzt das Ministerium ein starkes Signal für eine lösungsorientierte Verwaltung im Bereich Jagd und Wildtiermanagement“, heißt es.

Ganz nah an der Praxis ist der LJVB mit seiner erst vor knapp drei Monaten etablierten bzw. freigeschalteten App „wild.shop“. Dabei handelt es sich um eine digitale Plattform zur Direktvermarktung von Wildfleisch. „Bisher wussten interessierte Verbraucher nicht so richtig, woher sie die Ware beziehen sollen, während umgekehrt den Jägern der notwendige Zugang zu den Kunden fehlte. Das ist praktisch der digitale Marktplatz für Wildfleisch in Berlin und Brandenburg geworden“, freut sich Kai Hamann. Und die Resonanz? „Ganz hervorragend“, sagt er. „Wir laufen stramm in Richtung 5.000 Kunden, und über 50 angemeldete Jäger nutzen die Plattform als Absatz-Instrument.“

Gezielter Artenschutz: Aufzuchtstation für Rebhühner in Pritzwalk (Prignitz)

Die Anforderungen von Seiten der Behörden sind bei Wild genauso hoch wie bei „normalem“ Fleisch. Wer als Jäger Wildfleisch verkaufen möchte, muss also bei den zuständigen Veterinär- und Gesundheitsbehörden gemeldet sein sowie über zertifizierte Räumlichkeiten, Kühlmöglichkeiten etc. verfügen. Und außerdem: Soll die Rohware zu Wurst veredelt werden, muss der Jäger entweder selbst gelernter Fleischer sein oder aber nachweisen, dass ein externer Profi-Fleischer die Wurst produziert hat. Der Verband bietet jedenfalls die notwendigen Schulungen für die Vermarktung von Wildfleisch an. Nicht ohne Stolz weist Kai Hamann darauf hin, dass dieses innovative Konzept mit dem pro agro Marketingpreis 2025 für Direktvermarktung ausgezeichnet worden ist.

In der Vernetzung liegt die Kraft

Beim Agrarmarketingverband pro agro stehen auch 2025 etliche branchenrelevante Aktivitäten auf der Agenda, um die Brandenburger Erzeuger, Verarbeiter und Vermarkter von Lebensmitteln zu unterstützen und somit die regionale Wertschöpfung zu stärken. Zu den Instrumenten zählen unter anderem Wissenstransfer, Information und Kommunikation, Branchenevents und Unternehmensumfragen sowie Aktionen in Form von Kampagnen. Hier in Stichworten eine Auswahl dessen, was sich bereits heute an konkreten Maßnahmen und Angeboten „im Köcher“ befindet.

Vorstellung der Ergebnisse des pro agro-Branchenbarometers der Land- und Ernährungswirtschaft aus dem Dezember 2024 zur Einschätzung der wirtschaftlichen Situation durch Brandenburgs Unternehmen; Fortführung der Befragungen zum kontinuierlichen Monitoring der Branchenentwicklung bzw. des unternehmerischen Stimmungsbildes (u.a. mit Trendumfrage zur Jahresmitte).

Umsetzung von Branchenfachveranstaltungen für Informationsvermittlung und Wissenstransfer zu aktuellen Branchenentwicklungen und relevanten Marktanforderungen sowie für den Erfahrungsaustausch innerhalb der Branche, darunter

  • 20. Januar 2025: pro agro-Unternehmerstammtisch Ernährungswirtschaft – Was ist der Branche wichtig in 2025?
  • 22. Januar 2025: 4. Informations- und Austauschveranstaltung regionales Fleischerhandwerk
  • März 2025:  Online-Workshop-Reihe zum Thema „Künstliche Intelligenz – Anwendungsfelder & Chancen für Ihr Unternehmen!“
  • Frühjahr und Herbst 2025: pro agro-Unternehmerstammtische Ernährungswirtschaft zum Thema Handel; u.a. Termine mit Netto / Transgourmet / Chefs Culinar
  • 22. Juli 2025: Norddeutscher Ernährungsgipfel
  • 16. Oktober 2025: Tag der Direktvermarktung

Geplante Beteiligung an oder Organisation von Publikumsveranstaltungen in ganz Brandenburg als Plattformen für das Erlebbarmachen und Vermarkten von Regionalprodukten aus Brandenburg, hier einige Veranstaltungshöhepunkte:

  • 9. bis 11. Mai 2025: BraLa Brandenburgische Landwirtschaftsausstellung in Paaren-Glien (neu: drei Tage!)
  • 16. bis 18. Mai 2025: Gartenfestival Park & Schloss Branitz
  • 14. und 15. Juni 2025: 30. Brandenburger Landpartie
  • 26. Juli 2025: Potsdamer Erlebnisräume in Potsdam
  • 13. und 14. September 2025: Brandenburg-Tag in Perleberg
  • 20. September 2025: Brandenburger Dorf- und Erntefest in Altranft
  • 18. und 19.10.2025: Brandenburger Schlachtefest in Paaren-Glien

Vielfältige Verkaufsförderungsmaßnahmen des Verbandes pro agro mit dem Ziel, Bekanntheit und Absatz regionaler Produkte aus Brandenburg zu stärken; gezielte Kontaktanbahnung und nachhaltiger Kooperationsausbau regionaler Lieferanten aus Brandenburg mit verschiedensten Absatzpartnern; zielgruppenorientierte Verbraucheransprache zum Thema Regionalität, darunter

  • Regionale Tage in den Galeria Markthallen Berlin (Januar 2025)
  • pro agro-Warenbörse in Klaistow (Juni 2025)
  • Land- und Genussmarkt des Tagespiegels in Berlin (September 2025); Beteiligung mit regionalen Lieferantenaus Brandenburg
  • Imagewerbung zur Darstellung regionaler Lieferanten im Rahmen der an Verbraucher gerichteten Handzettelwerbung von Handelsunternehmen
  • landesweite Radio-Werbung zur Verbraucherkommunikation zum Thema Regionalität mit Darstellung einzelner regionaler Lieferanten aus Brandenburg

Die erfolgreich begonnenen Aktivitäten in Richtung Verbraucheraufklärung wie die Kommunikationskampagne „Deine Wahl ist Regional!“ aus dem Brandenburger Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz haben das Thema regionaler Wertschöpfungsketten in die Mitte der gesellschaftlichen und politischen Wahrnehmung gebracht.

pro agro wird sich weiter dafür stark machen, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen und auch 2025 mit deutlichen Impulsen die Verbraucherkommunikation zu professionalisieren. Einblicke dazu unter www.deine-wahl-regional.de.

Zur Unterstützung der Kampagne sollten die Inhalte von den Unternehmen aktiv geteilt werden, z.B. auf Instagram oder Youtube. Ein Kommunikations-Kit für Branchenunternehmen und -partner mit Kampagnen-Logo, Kampagnen-Motiven oder QR-Code zur Website wird unter https://www.deine-wahl-regional.de/kommunikations-kit-fuer-projektpartner/ bereitgestellt.

Zusammenfassend kommentiert Kristin Mäurer (Foto), pro agro-Fachbereichsleiterin Agrar- und Ernährungswirtschaft: „Wir haben als pro agro ein vielfältiges Aktionspaket für das kommende Jahr geplant, das für alle Zielgruppen unserer Verbandsarbeit etwas zu bieten hat – vom Direktvermarkter bis zum regionalen Handelslieferanten, in Kooperation mit Partnern aus Handel, Tourismus oder Medien in der Hauptstadtregion. 2025 bleibt herausfordernd für die Absatzförderung. Umso wichtiger sind Maßnahmen, die den Bekanntheitsgrad und die Wettbewerbsfähigkeit unserer regionalen Produzenten unterstützen.“

Bilanz: Rückblick 2024/Ausblick 2025

Liebe Mitglieder, sehr geehrte Partner, Wegbegleiter und Freunde!

„Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen!“ Diese Weisheit, die der berühmte griechische Gelehrte Aristoteles bereits vor rund 2.400 Jahren niedergeschrieben hatte, sollte uns gelassen stimmen. Es scheint doch so zu sein, dass die Menschen schon immer mit sich verändernden Richtungen und Bewegungen zu kämpfen hatten.

Ein erneut sehr bewegtes Jahr für die Land- und Ernährungswirtschaft neigt sich dem Ende zu. Der letzte pro agro-Newsletter 2024 hat Sie heute digital erreicht. Für mich als Geschäftsführer ein guter Grund, Ihnen einige persönliche Gedanken zum Jahreswechsel mitzugeben. Zuallererst möchte ich Ihnen ein großes Kompliment machen. Bereits seit einigen Jahren zeigen Sie als Unternehmer die Stärke, den multiplen Krisen der Zeitenwende zu trotzen. In hunderten Gesprächen habe ich viel Frust, viel Sorge, viel Unmut über die aktuelle wirtschaftliche Lage aufgenommen. Und doch endete der überwiegende Teil der Gespräche damit, dass um Lösungen, Chancen und Perspektiven gerungen wurde.

Begann das Jahr mit dem zweiten deutschen Bauernaufstand seit 2019, so endete es für den Bund mit dem Bruch der Regierungskoalition. Wer daran die Schuld trägt, sollte uns weniger interessieren als die Tatsache, dass der Wählerwille immer häufiger dazu führt, ungleiche Partner zusammenzuführen. So werden wir nach den Landtagswahlen in Brandenburg nun die Premiere einer SPD/BSW–Koalition miterleben und damit eine Regierung mit einigen neuen Gesichtern. Wir werden an mancher Stelle erneut von vorne anfangen müssen zu erklären, wie unsere Branche funktioniert und welche Rahmenbedingungen notwendig sind, um unsere regionalen Wertschöpfungsketten zu erhalten, sie zu verbessern oder im besten Fall sogar auszubauen.

Trotz wechselnder Winde darf ich ohne jeden Zweifel sagen, dass pro agro auch im Jahr 2024 stabil und dynamisch die Interessen seiner Mitglieder und der Branche vertreten hat. Von Grüner Woche zu Grüner Woche brennt unser 16-köpfiges Team für Verkaufsförderung, Netzwerkmanagement, Wissenstransfer, Dialoge mit dem Handel. Es brennt bei kleinen, feinen Expertenrunden und auch bei reichweitenstarken Großevents wie der Brandenburger Landpartie oder dem Brandenburger Schlachtefest – allein an diesen beiden Veranstaltungen nahmen insgesamt über 85.000 Besucher teil. Von regionalen Lebensmitteln über den Landtourismus bis zur Pferdewirtschaft – Mitarbeiter von pro agro stehen jederzeit Ihre Frau und Ihren Mann.

Wie sollten nun die Segel gesetzt werden – bei anhaltender Wirtschaftsflaute, Inflationswellen und zunehmender Knappheit an „Matrosen“? Wenn der Wind von vorne kommt, dann gilt es umso mehr, den Kurs zu bestimmen und das Ruder wieder fester in die Hand zu nehmen. Mit der Neubesetzung der für uns wichtigsten Ministerien verbindet sich die Hoffnung, dass die Polarisierung zwischen konventioneller und ökologischer Produktionsweise abgebaut wird. Die neuen „Kapitäne“ an Bord der Ministerien könnten sogar den Ehrgeiz entwickeln, Grenzen zu überschreiten und gemeinsame Regattaziele festzulegen. Eine längst überfällige Entscheidung!

Als pro agro unterstützen wir die Initiative aller grünen Verbände, die Ernährungssicherung für die Menschen Brandenburgs in die Landesverfassung aufzunehmen. Eine daraus entstehende Wertschätzung der Branche und staatsrechtliche Verankerung hat nicht nur symbolischen Charakter. Landwirte und Lebensmittelhersteller haben sich in eigenen Initiativen zusammengefunden und setzen Konzepte für regionale Verbraucherkommunikation und -aufklärung um. Mit Unterstützung der Politik sollten diese Initiativen verstetigt werden.

Wir brauchen gemeinsam endlich eine klare Haltung, die Baustellen der letzten Jahre nicht nur weiter aufzulisten, sondern aktiv dafür zu sorgen, dass sichere Häfen und Handelsplätze daraus entstehen. Entbürokratisierung muss bereits im Frühjahr 2025 spürbar werden – Handeln statt Reden ist das Gebot der Stunde in Ministerien, Behörden und Ämtern. Wir brauchen mit dem Start der neuen Kapitäne das Kommando „Lasst uns das umsetzen!“ statt „Das geht nicht.“

Wer sich im Sturm unter Deck versteckt, hat keine Chance zu überleben. Und dabei sollten wir nicht darauf warten, was nach den Wahlen am 23. Februar 2025 im Bundestag passiert. Wir leben in Brandenburg und Berlin; unseren Arbeits- und Lebensraum können wir direkt gestalten. Lasst uns gemeinsam als Mannschaft auf demselben Boot die Ärmel hochkrempeln, klare Haltung zeigen und Geschwindigkeit aufnehmen: Raus aus dem Krisenmodus – Kurs auf Zukunft!

Frohe Weihnachten und ein erfolgreiches Neues Jahr.

Ihr Kai Rückewold

Regionale Wertschöpfung – ganz individuell

„Ich kann nichts verkaufen, hinter dem ich nicht selbst stehe.“ So lautet das Credo von Dirk Berdychowski, dem Mann hinter der Marke Rhinkraut. Diese Aussage ist nicht nur zweideutig an sich, sondern auch doppelt authentisch – zum einen als Marketing-Aussage, die Glaubwürdigkeit verspricht, und zum anderen als Bekenntnis eines (Hobby-) Unternehmers, der seine Produkte (fast) ausschließlich selbst entwickelt, verarbeitet und vermarktet. Dabei betreibt der gelernte Koch Dirk Berdychowski (Foto, mit Lebensgefährtin Doreen Voß) seine Familien-Manufaktur im Nebenerwerb, während seine wissenschaftliche Ausbildung als Sozialpädagoge in einer Schule zur Anwendung kommt und hauptsächlich zum Broterwerb beiträgt.

Angefangen hat alles vor wenigen Jahren, als Dirk Berdychowski im Rahmen seiner Arbeit gemeinsam mit den Schulkindern Bärlauchsalz herstellte und dem Lehrerkollegium zur Verkostung anbot. Die Resonanz war derart positiv, dass er aus dem schulischen Projekt eine Geschäftsidee im Nebengewerbe machte. Bevor er loslegte, hat er sich natürlich das notwendige Wissen über den Bärlauch sowie dessen Verarbeitung und Anwendung angeeignet. Es handelt sich hier ja um keine Geheimwissenschaft, so dass Fachbücher und andere leicht zugänglichen Quellen reichten, um das notwendige Know-how zu erhalten.

Da er gewerbsmäßig unterwegs war, wollte er auf Nummer Sicher gehen. „Also habe ich mir vor drei Jahren bei der Forstverwaltung die Genehmigung geholt, den Bärlauch in einem bestimmten Waldstück bei Neuruppin regelmäßig zu ernten. Auf einer Fläche von zehn bis zwölf Hektar befindet sich dort ein richtig fettes Vorkommen dieser Pflanze“, erzählt er. Seitdem schwärmt er mit der Familie – Frau, Kindern und Schwiegereltern – jeweils in der zweiten Märzhälfte zur Ernte aus. Der Löwenanteil wird frisch verarbeitet, der Rest eingefroren, um gegebenenfalls in der Nachsaison verarbeitet zu werden.

In einem ersten Arbeitsschritt – 80 Prozent aller Handgriffe tätigt der Chef selbst – wird der Bärlauch gereinigt und gehäckselt, um ihm anschließend Salz beizugeben. Wenn die Masse schließlich die typisch grüne Farbe der Pflanze angenommen hat, wird sie getrocknet und abgefüllt. Neben dem Salz entstehen noch weitere Bärlauch-Sorten: Paste, Öl und Senf. Für das Öl etwa werden die Blätter in Streifen geschnitten und in Rapsöl eingelegt. Nach vier bis sechs Wochen Reifezeit hat das Öl so viel des markanten Aromas aufgenommen, dass es gefiltert und abgefüllt werden kann.

Im Schnitt stehen auf diese Weise pro Saison ca. 500 Flaschen zum Verkauf; das Basis-Produkt Rapsöl stammt natürlich aus Brandenburg.

Auf den Bärlauch folgen im April die Löwenzahnblüten, die zu Sirup eingekocht und in kleine Gläser gefüllt werden, was sich heute gut als vegane Honig-Alternative verkaufen lässt. Nicht zu vergessen die Holunderblüten, die zu Sirup und Saft verarbeitet werden. Oder die Himbeerzeit, deren Früchte sich in Salz und Senf wiederfinden, und vieles mehr. Insgesamt besteht das Rhinkraut-Portfolio aus ca. 16 unterschiedlichen Produkten, von denen pro Saison maximal 500 Artikel für den Verkauf zur Verfügung stehen. „Wir produzieren keine Massen, sondern nur das, was wir als Familie leisten können. Und wenn die Produkte ausverkauft sind, dann ist eben Schluss“, sagt Dirk Berdychowski.

Zu diesem Prinzip der „limitierten Auflage“ bekennt sich der Hobby-Unternehmer nach dem Motto: Wo keine Massenproduktion, da kein Massenabsatz. Seine Geschäftspartner jedenfalls sind flexibel genug, diese nicht alltägliche Direktvermarkter-Haltung zu akzeptieren: Hofläden, kleine Regionalläden, so mancher Rewe- oder Edeka-Kaufmann und Gastronom. Nicht zu vergessen der Online-Shop und Regionalladen „Herr Fontane“ in Neuruppin. Sie alle sind einverstanden mit dem Liefer-Grundsatz: „Solange der Vorrat reicht.“

Nachhaltigkeitskommunikation: Strenge EU-Regeln für Werbung

Durch die von der Europäischen Union (EU) formulierte Verpflichtung der Unternehmen, ihre Nachhaltigkeitsmaßnahmen von Amts wegen zu veröffentlichen, soll letztlich mehr Transparenz und Vergleichbarkeit geschaffen werden. Auf Basis der Workshop-Reihe „Nachhaltigkeit – Anforderungen und Chancen für Ihr Unternehmen“ haben wir im pro agro-Newsletter 11/2024 dargestellt, welche weitreichenden Folgen mit der Umsetzung der entsprechenden Richtlinie verbunden sind. Dazu zählt unstrittig ein höherer administrativer Aufwand der betroffenen Betriebe. Doch perspektivisch überwiegen die strategischen Vorteile, sofern man sie auch nutzt. Heute geht es konkret darum, wie die Verbraucher zum Thema Nachhaltigkeit stehen und wie Unternehmen die Nachhaltigkeit ihrer Produkte und Angebote korrekt bewerben können. Mit zwei Best Practice-Beispielen, die wir in der ersten Newsletter-Ausgabe des Jahres 2025 veröffentlichen, schließen wir die Nachhaltigkeits-Serie ab.

Das Thema Nachhaltigkeit beim Kauf und Verzehr von Lebensmitteln steht nach wie vor hoch im Kurs. Und das nicht ohne Grund, da „unsere Ernährung einen großen Einfluss auf den Ressourcenverbrauch und den Klimawandel“ hat, wie Camille Amling von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) konstatiert. Im Rahmen einer Studie hat die AMI Anfang 2024 herausgefunden, dass 37 Prozent der Verbraucher beim Wocheneinkauf bewusst auf nachhaltige Lebensmittel achten.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass Nachhaltigkeit kein eindimensionaler Begriff ist, sondern viele Aspekte bedient: Saisonalität, Umweltschutz, umweltverträgliche Verpackung, ökologische Erzeugung, Tierwohl, Regionalität und vieles mehr.

Gleichzeitig ist dem Ernährungsreport 2024 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zu entnehmen, dass die deutschen Verbraucher nicht nur Wert auf Nachhaltigkeit legen, sie wünschen sich auch die notwendige Transparenz und achten beim Einkauf deshalb auf entsprechende Siegel. An erster Stelle steht hier mit 65 Prozent das Tierwohllabel, gefolgt vom Regionalfenster (62 Prozent) und EU-Biosiegel (59 Prozent), um nur die häufigsten Angaben zu nennen (weitere nützliche Informationen finden Sie hier). Darüber hinaus hat die AMI-Studie ergeben, dass vor allem die jüngeren (42 Prozent der Nennungen) sowie einkommensstärkeren Haushalte (43 Prozent) auf Nachhaltigkeit setzen.

Wenn nun ein Unternehmen auf Basis dieser Sachlage seine Marketingaktivitäten – egal ob Produkt- oder Imagewerbung – inhaltlich auf den Begriff Nachhaltigkeit fokussieren will, muss es sich strikt an die von der EU vorgegebenen Vorschriften halten. Um hier keine (teuren) Fehler zu machen, hat der Branchendienstleister GS1 Germany den Leitfaden „Sustainable Product Claims 2.0“ entwickelt. Zweck des Leitfadens ist es, die Unternehmen bei der Erfüllung der hohen Ansprüche ihrer nachhaltigkeitsbezogenen Kommunikation zu unterstützen.

Worum es dabei geht, beschreibt der Leitfaden gleich am Anfang: „Wo Produkte vertrieben werden, gibt es Aussagen zu ihrem Ursprung, ihren Bestandteilen, ihren Eigenschaften, ihrer Herstellung und ihrer Verpackung. Diese so genannten Product Claims stehen immer häufiger im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsbotschaften. Steigende gesetztliche und kundenseitige Anforderungen verlangen einen sensiblen Umgang mit diesem Thema.“ Den kompletten Leitfaden finde Sie hier.

Während des genannten pro agro-Workshops hat GS1-Managerin Joanna Behrend darauf hingewiesen, dass beispielsweise allgemeine Umweltaussagen wie „umweltfreundlich“, „grün“ oder „klimafreundlich“ verboten sind. Das gilt auch für die Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln in Bezug auf ökologische und/oder soziale Merkmale, die nicht auf einem Zertifizierungssystem beruhen oder nicht von staatlicher Stelle festgesetzt wurden. Details können Sie in der so genannten Empowering Consumers-Richtlinie der EU nachlesen (siehe hier).

Hinzu kommt die Green Claims Directive der EU, die am 26. März 2024 in Kraft getreten ist und in den Mitgliedsstaaten bis zum 27. März 2026 umgesetzt werden muss. Diese Richtlinie fordert laut Joanna Behrend einheitliche Standards zu den Informationspflichten und zur Belegbarkeit umweltbezogener Werbung. Dadurch sollen die Verbraucher in die Lage versetzt werden, fundierte Kaufentscheidungen zu treffen. Letztlich geht es um die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für die Marktteilnehmer, die mit Green Claims werben. (Einzelheiten siehe hier).

Grüne Woche: Kompakte Plattform zum Netzwerken

Vom 17. bis 26. Januar 2025 öffnet die Messe Berlin wieder ihre Tore, um weltweite Innovationen aus Landwirtschaft und Food-Branche vorzustellen. Die internationale Leitmesse für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau erwartet rund 300.000 Besucher aus aller Welt. Auf 119.000 qm Bruttofläche zeigen 1.400 Aussteller aus 60 Ländern ihre Angebote. Das Land Brandenburg wird wieder in Messehalle 21a dabei sein, die mit 72 Ausstellerplätzen Plattform für eine große Vielfalt von Produkten und Angeboten der Agrar- und Ernährungswirtschaft sein wird. Auf der großen Bühne stellen sich an den zehn Messetagen die Regionen des Landes vor. Mit einer Vielzahl von Aktivitäten sorgt außerdem der Verband pro agro dafür, dass die Brandenburg-Halle zu einer ertragreichen Begegnungsstätte für Aussteller und (Fach-) Besucher wird. Die wichtigsten Aktivitäten stellen wir nachfolgend vor.

Preisverleihung

  • 17. Januar 2025: Zur Förderung innovativer Produktentwicklungen und Vermarktungskonzepte im ländlichen Raum wird zum 26. Mal der pro agro-Marketingpreis – natürlich Brandenburg! verliehen. Die Prämierung der Gewinner findet ab 13 Uhr in der Brandenburghalle 21a statt. Ausgezeichnet werden die von einer Fachjury ermittelten Preisträger in den Kategorien Direktvermarktung, Ernährungswirtschaft sowie Land-, Natur- und Pferdetourismus.
  • Bewerber der ersten beiden Kategorien haben auch am Wettbewerb um den EDEKA-Regionalpreis 2025 teilgenommen, der gleichzeitig verliehen wird.

Brandenburg-Tag

  • 20. Januar 2025 (Bühne der Brandenburghalle): Verkündung des Standortes der zentralen Eröffnungsveranstaltung zur 30. Brandenburger Landpartie 2025 sowie Staffelübergabe zwischen dem alten (2024 Drachhausen) und neuen (2025 Altranft) Ausrichter des Brandenburger Dorf- und Erntefestes 2025. Abends traditioneller Brandenburg-Empfang des Landes auf der Grünen Woche.

Branchentreffen

  • 20. Januar 2025 (Großer Beratungsraum der Brandenburghalle): Informations-und Erfahrungsaustausch der Branche beim pro agro-Unternehmerstammtisch Ernährungswirtschaft Thema: Wo steht die Branche, was leistet sie und welche Rahmenbedingungen braucht die Ernährungswirtschaft in Brandenburg 2025? (Im Idealfall mit Teilnahme der neuen Brandenburger Ministerin für Land- und Ernährungswirtschaft Hanka Mittelstädt). Zeit: 17.30 bis 19.30 Uhr.
  • 22. Januar 2025 (Großer Beratungsraum der Brandenburghalle): Informations- und Austauschtreffen für das Fleischerhandwerk und Fleisch verarbeitende Unternehmen aus Brandenburg und Berlin. Zeit: 14.30 bis 16.30 Uhr.

Rundgänge mit Fachpublikum

  • Auf Einladung des Verbandes pro agro Führung von Vertretern aus Handel, Gastronomie, Gemeinschaftsverpflegung/Großverbraucher oder Direktvermarktung der Hauptstadtregion Berlin/Brandenburg durch die Brandenburghalle. Ziel: Bekanntheit und Absatz regionaler Produkte stärken, bestehende Kontakte durch persönliche Begegnung pflegen und neue Kontakt knüpfen. Verbindliche Anmeldungen folgender Absatzpartner liegen bereits vor:

Freitag, 17. Januar: Netto ApS & Co. KG

Dienstag, 21. Januar: Brandenburger Gastronomen, Chefs Culinar, Kaufland, Penny

Mittwoch, 22. Januar: Edeka B/BB, Rewe MV

Donnerstag, 23. Januar: Rewe B/BB

Freitag, 24. Januar: Marktschwärmer

Durchgängige Aktivitäten

Organisation des Brandenburger Kochstudios in der Brandenburghalle – an allen zehn Messetagen zeigen Köche und Produzenten aus Brandenburgs Regionen ihre Interpretation von Regionalität auf der Speisekarte.

„Die Grüne Woche ist zum Jahresauftakt die Dialogplattform Nummer 1 in Deutschland und bietet die Gelegenheit, im persönlichen Kontakt mit Verbraucherinnen und Verbrauchern, Kaufleuten des Lebensmitteleinzelhandels und wichtigen Branchenpartnern zusammenzukommen“, kommentiert pro agro-Geschäftsführer Kai Rückewold und fügt hinzu: „Starke Verbindungen in Netzwerken und zwischen Menschen sind zu allen Zeiten die Grundlage von vertrauensvoller Zusammenarbeit. In herausfordernden Zeiten wie diesen sind sie wesentlich, um gemeinsam Zukunftsperspektiven zu entwickeln.“

Klosterfelder Senfmühle: Tatkräftiges Team mit innovativen Ideen

Constance Trautmann (links) und Stefanie Mendling im Hofladen der Klosterfelder Senfmühle.

Es war der Experimentierfreude und der Geduld ihrer Eltern zu verdanken, dass die Senfmühle entstanden ist, erzählt Constance Trautmann. Wobei die Senfproduktion nicht von ungefähr kam. Ihre Eltern waren nämlich nach der Wende mit einer Gewürzhandlung gestartet, so dass das Ehepaar bereits ein Faible und ein Händchen für die kleinen Produkte mit der großen Duft- und Geschmacksentfaltung hatte. Vor 25 Jahren war es dann so weit: Die ersten marktfähigen Senf-Produkte verließen die Versuchsküche im privaten Wohnhaus – es war die Geburtsstunde der in den folgenden Jahren so erfolgreichen Klosterfelder Senfmühle. Zug um Zug wurden Know-how und Maschinenpark erweitert, bis es an der Zeit war, das Unternehmen auszuquartieren und in neuen Firmenräumen unterzubringen, natürlich im Heimatdorf Klosterfelde, einem Ortsteil von Wandlitz.

Seit der Firmengründung hat sich viel getan. Das Sortiment ist gewachsen, die Vermarktung ist erweitert worden und die administrativen Aufgaben haben zugenommen – Zeit also, das Zepter der jüngeren Generation zu übergeben. Vor ca. anderthalb Jahren gingen sämtliche Anteile des gut bestellten Unternehmens an Constance Trautmann und Stefanie Mendling über. „Wir freuen uns sehr, die Firma weiterzuführen, und haben klar definierte Aufgaben“, sagt Stefanie Mendling. „Ich kümmere mich vornehmlich um Produktion und Versand, und Constance ist zuständig für die Backstage-Aufgaben: Administration, Management, Marketing und alles, was dazugehört.“

Geblieben ist also die Konstellation des Zwei-Personen-Betriebes oder besser gesagt: des Zweieinhalb-Personen-Betriebes, denn Monika Trautmann, die Mutter und bisherige Inhaberin, packt zeitweise in Produktion und Versand noch mit an. Das sei für alle Beteiligten wichtig, da sie ihre Arbeitskraft und ihr langjähriges Know-how einbringen kann.

Die Produktrange besteht heute aus 30 Sorten und repräsentiert die verschiedensten Varianten: von sehr süß bis sehr scharf, von fruchtig bis herzhaft. Die Senfsaaten selbst stammen von landwirtschaftlichen Betrieben aus Brandenburg. „Wir produzieren neben den üblichen traditionellen Sorten auch exotische Produkte wie Apfel-Senf mit Ingwer oder Bier-Senf, Whisky-Senf und Winzer-Senf. Diese Ausreißer haben viele Fans bei unseren Kunden“, erklärt Constance Trautmann. Dessen ungeachtet habe man ein Auge darauf, „dass wir bei der Produktentwicklung nicht über’s Ziel hinausschießen und ein ganzes Sammelsurium von Sorten im Portfolio haben“. Es sei besser, sich auf ein variantenreiches Kernsortiment zu konzentrieren.

Bei der Entwicklung von Innovationen steht heute eher die Zusammenarbeit mit anderen Manufakturen im Vordergrund. Ein Beispiel dafür ist der im vergangenen Jahr eingeführte Senf-Gin, der in Kooperation mit der Berliner BLN Bio-Brennerei entstanden ist. Hier kommt nicht nur die Klosterfelder Senfsaat, sondern auch deren Wurzelwerk zum Einsatz, was dem Getränk einen leicht erdigen Geschmack verleiht. „Da steckt also recht viel von uns drin: die Senfsaat und die Wurzeln, womit wir in Brandenburg ein Alleinstellungsmerkmal haben dürften“, heißt es. Das sieht man auch für den „Brandenburger Senf“ – ein Produkt, das die Klosterfelder gemeinsam mit Edeka entwickelt haben. Die Komponenten dieses Senfs, der praktisch eine Eigenmarke des Händlers ist, stammen zum größten Teil aus Brandenburg.

Des Weiteren hat das kreative Frauen-Team eine Schokolade mit Senfschrot entwickelt, die in Zusammenarbeit mit einer Berliner Schokoladenmanufaktur entstanden ist. Hier wird die in Klosterfeld geschrotete Senfsaat in die Schoko-Masse eingearbeitet, wodurch das Produkt eine interessante Schärfe erhält. Offiziell präsentiert wird es auf der Grünen Woche 2025 in Berlin. „Solche Kooperationen sind sehr inspirierend für uns. Und es zeigt sich, dass Vernetzung mit anderen Unternehmen der Branche immer wieder gute Ideen hervorbringt. Bei aller Arbeit macht das viel Spaß“, betont Constance Trautmann.

Der Output kann sich sehen lassen: Zwei Chargen Senf stapeln sich täglich neu im Lager – eine reife Leistung für eine so kleine Manufaktur! Wobei „Manufaktur“ wörtlich zu nehmen ist: Der Vater hat die verschiedenen Senfmühlen zum Schroten und Mahlen der Saat selber gebaut. Mit ihnen werden die Senfkörner zu Mehl gemahlen, daraus wird durch Zugabe von Wasser und anderen Zutaten die Maische hergestellt, die einige Zeit quillt und im nächsten Schritt in einer Nassmühle weiterverarbeitet wird. Der verzehrfertige Senf wird schließlich in die Gläser abgefüllt, gedeckelt, etikettiert und kommissioniert – alles per Hand.

Was die Vermarktung angeht, ist man relativ breit aufgestellt. Dazu zählen der Online-Shop und der eigene Hofladen, externe (auch überregionale) Hofläden, Klosterstandorte (für Touristen) und natürlich der Lebensmitteleinzelhandel (Edeka, Rewe, Kaufland, KaDeWe). Ausgewählte Feinkostgeschäfte gehören ebenso dazu wie der Großhändler Weihe im Fruchthof Berlin, der bundesweit Lebensmittelgeschäfte und die Gastronomie beliefert. Für die Zukunft haben sich die beiden Unternehmerinnen vorgenommen, ihre Marketingstrategie stärker in Richtung LEH zu justieren. „Da haben wir noch Potenzial“, sagen sie. Außerdem haben sie den Ehrgeiz, jedes Jahr eine Innovation auf den Markt zu bringen – nicht, wie gesagt, die x-te Senf-Variation, sondern idealer Weise echte Neuheiten in Kooperation mit regionalen Partner-Betrieben.

Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen

Das Thema Nachhaltigkeit ist allgegenwärtig, und zwar nicht nur als ethisches Ideal, sondern auch als gesetzliche Pflicht und zunehmend als Kriterium für die Unternehmensbewertung durch interessierte Wirtschaftskreise (neudeutsch „Stakeholder“), also beispielsweise durch gegenwärtige und zukünftige Mitarbeiter, durch Kunden und Lieferanten, Investoren und potenzielle Partner oder durch öffentliche Meinung und Politik. In der Workshop-Reihe „Nachhaltigkeit – Anforderungen und Chancen für Ihr Unternehmen!“ (online am 5. und 7. November 2024) vermittelte pro agro erstklassigen Input zu den rechtlichen Grundlagen nachhaltiger Unternehmensführung sowie zu den rechtskonformen Inhalten einer nachhaltigen Kundenkommunikation. In unserem heutigen Beitrag geht es um die Grundlagen der Thematik (einschließlich nützlicher Querverweise); in der folgenden Dezember-Ausgabe des Newsletters berichten wir über die Verbrauchermeinung zum Thema Nachhaltigkeit und darüber, wie man Nachhaltigkeit von Produkten und Angeboten korrekt bewirbt.

Einführend gab Mia Angelov (Foto) von der Schweriner Agentur 2020 Hinweise, was bzw. wann im Rahmen der von der EU geforderten Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) auf die Unternehmen zukommt. Die Abkürzung „CSRD“ steht für „Corporate Sustainability Reporting Directive“, den Titel der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Sie schreibt vor, dass Unternehmen nicht nur die betriebswirtschaftlichen Zahlen (zum Beispiel Bilanz), sondern auch die nicht-finanziellen Daten veröffentlichen müssen.

Dadurch soll die Berichtspflicht in Sachen Nachhaltigkeit EU-weit vereinheitlicht, verbessert und erweitert sowie zusätzlich mehr Transparenz und Vergleichbarkeit geschaffen werden. Faktisch führt dies zur Gleichstellung von Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Die Berichtspflicht gilt für solche Unternehmen, die zwei der folgenden Bedingungen erfüllen: mehr als 25 Millionen Euro Bilanzsumme, mehr als 50 Millionen Euro Umsatz, mehr als 250 Mitarbeiter. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, freiwillig die EU-Regeln der Nachhaltigkeitsberichterstattung anzuwenden. Angesichts des komplexen Regelwerks, des nicht unerheblichen administrativen Aufwands und der strikten zeitlichen Taktung könnte es ratsam sein, sich externe Unterstützung durch Experten einzuholen. Am Ende des jährlichen Prozesses steht das Testat einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Einen Überblick über die CSR-Richtlinie und die damit verbundenen Anforderungen der unternehmerischen Nachhaltigkeitsberichterstattung finden Sie hier.

Das alles hört sich an wie ein neues von der EU-Behörde initiiertes bürokratisches Monster, das den betroffenen Unternehmen nichts als zusätzliche Arbeit und Kosten bringt. Allerdings wäre das eine stark verkürzte Sichtweise, wie Daniel Obst (Foto, ebenfalls Experte der Agentur 2020) hervorhob und seinen inhaltlichen Fokus stattdessen auf die Chancen konsequenter Nachhaltigkeit legte. Dazu zählen die Steigerung von Kosteneffizienz, Prozessoptimierung, Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, Motivation und Bindung der Mitarbeiter, Stärkung der Marke und vieles mehr, was den Unternehmen der Ernährungsbranche strategische Vorteile bringt.

Beispiele hierfür sind:

  • Ressourceneffizienz, wodurch sich Energie- und Rohstoffkosten senken lassen,
  • Kreislaufwirtschaft, was neue Einkommensströme generieren und das Unternehmens-Image verbessern kann,
  • Kommunikation und Zertifizierungen, die einen Beitrag zur Stärkung der Marke und des Kundenvertrauens leisten können
  • CSRD-konforme Prozesse helfen, sich von der Konkurrenz abzuheben, Innovationen voranzutreiben und neue Märkte zu erschließen.

Um die Nachhaltigkeit im Unternehmen zu verbessern, empfiehlt Daniel Obst eine Wesentlichkeitsanalyse zur Standortbestimmung. Dadurch lassen sich die wesentlichen Themen für den Betrieb identifizieren und Prioritäten setzen. Grundsätzlich sollten Nachhaltigkeits-Maßnahmen schrittweise in den Geschäftsplan, die Strategie und die Entscheidungsprozesse des Unternehmens integriert werden. Als vorteilhaft könnte auch die „tiefgehende Auseinandersetzung mit der Lieferkette dazu beitragen, den ökologischen Fußabdruck der Ernährungswirtschaft gemeinschaftlich zu reduzieren“.

Produktmarketing: „Fall auf oder Du bist weg!“

Nicht wenige Unternehmer haben schon mal wirtschaftliche Durststrecken durchlebt, die es in sich hatten. Diesmal aber kam’s und kommt’s besonders dicke: Corona, Kriege, Energiekrise – und nun zu allem Überfluss auch noch die politischen Erdbeben in den USA und in Deutschland. Angesichts dieses Dauerzustands gibt es allen Grund, nervös zu sein. Gut, wer in diesen Zeiten seinen Instrumentenkasten des Marketings ordentlich gefüllt hat. Und gut, wer die Instrumente richtig einzusetzen weiß. Von Günter Mainka (Foto) lässt sich das allemal sagen. Er ist ein Marketing-Profi und ein bekannter Keynote Speaker, der aus eigener unternehmerischer Erfahrung mit der Entwicklung und Vermarktung von Produkten spricht. Hier sein ebenso launig formulierter wie inhaltlich auf den Punkt gebrachter Bericht.

„Brandenburg ist groß, schön und das Epizentrum der kleinen Manufakturen von Senf, Wurst, Marmelade bis hin zu Dünger in Papiertüten. Der Endkunde liebt ausgefallene, regionale Produkte und packt hier und da bei seinen Brandenburgtouren im Hofladen an der Ecke gerne das kleine Glas Leberwurst aus biologischer Tierhaltung in seinen mitgebrachten Jutebeutel. Das Leben könnte so schön sein, und Hersteller und Endverbraucher könnten sich vor Freude weinend in den Armen liegen. Geschieht aber eher selten. Warum?

Erst finden, dann kaufen

Oft scheitert die regionale Kaufabsicht an mangelnder Kenntnis über die Existenz der im Mondschein erlegten Superwurst vom Spezialhersteller. Produkte, egal wie gut oder wie teuer sie sind, müssen zunächst ins Blickfeld des Verbrauchers geraten, und dieser Weg ist auf der Konsumebene digitaler Vergleichbarkeit heutzutage schwierig. Galt früher die Regel, dass ein Produkt mindestens fünf Mal den Verbraucher auf eine beliebige Art und Weise erreicht haben sollte, so ist diese Zahl inzwischen inflationär auf zehn bis zwanzig Kontakte gestiegen. Das Produkt muss zunächst den Weg in das sensorische Gedächtnis des Kunden finden, das jedoch mit Ampelchaos, Katzenvideos und Rheumadeckenwerbung überflutet ist.

Viele Hersteller sind von ihren eigenen Produkten dermaßen überzeugt, dass sie in der Konsumschlacht vergessen, auf eine erhöhte Position zu steigen, um vom Kunden überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Es gibt unzählige, regionale Top Produkte, die den Sprung in das Regal eines Hofladens, Supermarktes oder pauschal in den Einzelhandel nicht schaffen. Es reicht nicht mehr aus, das beste Produkt zu haben – die Produktkommunikation ist genauso wichtig.

Emotionalisierung von Produkten

Hersteller können ihre Produkte emotionalisieren und sollten das eigene Business in eine Produkt- oder Herstellungs-Story packen. Erfolg garantiert? Nein. Es reicht nicht, sich eine triviale Geschichte zum Produkt auszudenken, sondern die Story, der ausgefallene Name oder die ultimative Einmaligkeit der geräucherten Barschbacken aus Oberhavel sollen und müssen den Kunden emotional berühren. Man darf und sollte auffallen. Es gibt kaum ein Produkt, das sich nicht emotional aufladen lässt, denn es ist letztlich eine Frage der Kreativität und des Mutes der Unternehmer. Wenn Sie den besten Bienenhonig herstellen, dann verkaufen Sie in erster Linie das gute Gefühl. Dennoch bleibt die Eine-Million-Frage: Warum sollte der Kunde Ihren Honig nehmen? Der südalbanische Billighonig aus der Plastiktube tut es auch, oder? Nein, tut er nicht. Das weiß der Kunde, und dennoch fehlt der emotionale Schubs, sich für diesen besseren, wertvolleren Honig zu entscheiden.

Der idealtypische Hofladen: bunt, vielfältig, regional.

Menschen lieben Geschichten

Erschwerend kommt hinzu, dass in Zeiten klammer Haushaltskassen der Griff zum möglicherweise etwas teureren Produkt oftmals nur noch bedingt passiert. Die Zielkäuferschicht, die sich im nostalgischen Hofladen ein gutes Produkt einen Euro mehr kosten lässt, ist kleiner geworden. Umso wichtiger ist es, den verbliebenen Verbrauchern, die sich für regionale Schätze interessieren, die eigene Story mit auf dem Heimweg zu geben. Menschen lieben Geschichten, und nun sitzen Sie als Hersteller im Ohrensessel und können ihre Produktstory erzählen. Wie? Jeden Tag auf allen Ebenen, die ihnen zur Verfügung stehen. Von Social Media, Website, Flyer, Produktbotschafter bis hin zum Etikett Ihres Produkts. Clips, Filme, Posts, Artikel, Tipps, Fotos, Youtube-Tutorials – einfach alles, denn alles vermittelt Informationen, Stimmung und Emotion und fängt Fans, Follower und Kunden. Es ist nicht der eine Punkt, der entscheidend ist, sondern Ihre kumulierte Marketing-DNA, die alles zu einem Produkterlebnis vereint.

„Was soll ich noch alles machen?“

Wenn Sie sich nicht die Zeit für die obigen Punkte nehmen, wird man Sie vergessen, wie einen Moderator von RTL 2, der jetzt im Seniorenheim die Bingozahlen aufruft. Wenn Sie es selbst nicht können oder wollen, dann fragen Sie Ihre Tochter oder Ihren Sohn, denn die beherrschen in der Regel zumindest im Social Media-Bereich eh besser die Onlineklaviatur. Sollte das nicht funktionieren, gibt es bezahlbare Agenturen, die sich nach einem Briefing dieser Aufgabe annehmen. Früher war alles besser und einfacher? Im Gegenteil, denn die damalige Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen, war um ein Vielfaches eingeschränkter.

Hier eine kurze Übersicht von Links, die Ihnen ggf. noch nicht bekannt sind und Ihnen neue Absatzchancen bieten könnten:

https://brandenburger-hoflaeden.de

https://listflix.de

https://www.heimischehoflaeden.de/hofladenfinder/alle

https://hofladen.info/regionale-produkte/deutschland

https://www.manufactum.de

https://aus-dem-hinterland.de/

Es ist die Kombination verschiedener Vertriebskanäle, die ihnen einen regionalen Umsatz ermöglicht. Kombiniert man Online-Hofläden mit realen Hofläden und ergänzt das mit einem eigenen, kreativen Onlineshop, kann das für den Anfang reichen. Im zweiten Schritt wird man in der Regel entweder ein großes Online-Werbebudget benötigen oder man erweitert seinen Personalstamm um einen engagierten Vertriebsmitarbeiter, der sich um potenzielle Abnehmer kümmert. Halten Sie durch!

Knuspr: „Nähe“ als praktiziertes Geschäftsmodell

Frisch sortiert: Knuspr-Eigenmarken der Rohlik-Gruppe.

Mit seinem Markteintritt in Deutschland, das war 2021 im Großraum München, hat der Ableger der tschechischen Rohlik Group einen Bilderbuchstart hingelegt. Denn kein Jahr später eroberte der Lebensmittel-Lieferdienst bereits das Rhein-Main-Gebiet, im April 2024 gefolgt von der Hauptstadt-Region Berlin/Brandenburg. Ein solche Expansion im Eiltempo kriegt man natürlich nur hin, wenn das Geschäftsmodell stimmt, wenn also die Verbraucher sich für Warenangebot und Lieferqualität so begeistern, dass aus Probierkunden Stammkunden werden. Timea Rüb-Scholz, „Press Officer“ für Deutschland und Österreich, hat uns die Türen für einen Blick hinter die Kulissen geöffnet.

Das Basiskonzept des Online-Supermarkts lässt sich mit dem Begriff „Nähe“ umschreiben – Nähe zu den Erzeugern und Verarbeitern von Lebensmitteln ebenso wie zu den Verbrauchern. Dieses Konzept klingt bereits im Firmennamen an: „Knuspr“, ein anheimelnder Begriff, der für eine gewisse Emotionalität steht (kurzer Abstecher nach Österreich: Dort firmiert man unter dem Namen „Gurkerl“). In der Praxis bedeutet das die Lieferung frischer und hochwertiger Lebensmittel in nur drei Stunden nach Bestellung direkt an die Haustür.

Das Angebot des Online-Vollsortimenters ist so umfangreich wie das eines großen Supermarktes. Im Zentrum stehen Frischwaren wie Obst und Gemüse, Fleisch und Fisch, Molkereiprodukte und Backwaren. Dazu kommen Trockensortiment, Tiefkühl- und Feinkost, Haushaltswaren und Drogerieartikel, Getränke und Apothekenartikel. Das summiert sich, je nach Standort, auf bis zu 19.000 Artikel (einschl. maßgeblicher Anteile von Bio- und veganen Produkten), die in den firmeneigenen Logistikzentren (für Berlin/Brandenburg ist das Schönefeld) vorgehalten werden. „Je nach Kundenwünschen wird das Sortiment auch erweitert“, hebt Timea Rüb-Scholz hervor. Über drei Viertel des Vollsortiments bezieht Knuspr direkt von Landwirten und Herstellern, geht also nicht über den Umweg von Groß- und/oder Zwischenhändlern. Mehr noch: In der jeweiligen Hauptsaison stammen bis zu 80 Prozent des Obst- und Gemüsesortiments von lokalen/regionalen Partnern.

In Wartestellung: Frisch gepackte und kommissionierte Ware.

Im Großraum Berlin/Brandenburg halten etwa 460 Mitarbeiter das Geschäft am Laufen, darunter 200 Fahrer mit 150 Lieferfahrzeugen, die den Endverbrauchern die bestellte Ware bringen oder gegebenenfalls die von Knuspr georderten Kontingente bei den Lieferanten aus der Region abholen. Deren Gesamtzahl erreicht inzwischen schon fast die 200er-Grenze, wobei es sich nicht selten um Bauernhöfe, kleinere Manufakturen oder lokale Fachgeschäfte auf dem Land handelt, die nicht unbedingt die notwendigen Logistik-Kapazitäten haben. „Das zeigt, dass unsere Lieferketten grundsätzlich auf die Bedürfnisse unserer Partner zugeschnitten sind“, erklärt Timea Rüb-Scholz und präzisiert: „Wir fordern auch keine bestimmten Liefermengen, sondern nehmen das, was gerade verfügbar ist“.

Dass die Partnerschaft mit regionalen Kleinbetrieben keine leere Worthülse ist, beweist das „Genuss Helden“-Programm zur Unterstützung regionaler Kleinbetriebe. Darunter fallen sechs wesentliche Maßnahmen:

  • Unkomplizierte Verträge statt ellenlanger Papiere
  • Verkürztes Zahlungsziel (innerhalb von 14 Tagen)
  • Persönliche Einführung ins digitale Lieferketten-Tool von Knuspr
  • Bereitstellung umweltfreundlicher Verpackungen mit individuellem Branding
  • Marketing-Unterstützung im Wert von über 10.000 Euro („Starterpaket“)
  • Gemeinsame Erarbeitung maßgeschneiderter Erntepläne
In Reih und Glied: Knuspr-Fuhrpark im Logistikzentrum.

Absolute Transparenz bei der Preisgestaltung gehört ebenso zu den Essentials der Zusammenarbeit – auch im Interesse der Kunden. Dazu zählt vor allem der tägliche Preisvergleich mit dem Standard-Sortiment konkurrierender Online-Supermärkte, also mit Vollsortimentern. Im Fokus hat das Unternehmen aber auch die großen Discounter, um einen Vergleichsmaßstab für die eigenen Produkte im Low-Price-Segment („Knuspr-günstig“) zu haben. Generell lautet die Handlungs-Maxime: „Unsere Preise sollen maximal so hoch sein wie beim Wettbewerb, auch bei unseren Eigenmarken.“

Ein so breit aufgestelltes Handelsunternehmen wie der Online-Vermarkter tut gut daran, sein Sortiment stetig zu arrondieren und zu erweitern – sprich: den Konsumtrends anzupassen. Schon heute und gewiss auf lange Sicht spielen Bio und Regionalität eine tragende Rolle im Verbraucherbewusstsein – und dies erst recht in der Metropolregion Berlin/Brandenburg. „Wir brauchen immer neue Partner und Produkte aus der Region, weil das jetzt und in Zukunft ein zentraler Baustein unseres Geschäftsmodells ist“, sagt Timea Rüb-Scholz. Deshalb ermuntert sie landwirtschaftliche Erzeuger und Verarbeiter von Lebensmitteln, sich nicht zu scheuen und sich direkt bei ihr zu melden (Adresse siehe unten). Sie wird die notwendigen Kontakte im Unternehmen herstellen und koordinieren.

Unternehmenskooperation auf Vertriebsebene

Die drei Koordinationspartner des Wertschöpfungsnetzwerks Berlin-Brandenburg.

Neben der Brandenburger Landesregierung hat sich auch der Bund (präzise: das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, BMEL) das Thema „Regionale Wertschöpfungsketten“ auf die Fahnen geschrieben. Konkret geht es hier allerdings um die „Förderung des Aufbaus von Bio-Wertschöpfungsketten“, deren Details in einer Richtlinie festgehalten und deren Maßnahmen im Bundesprogramm Ökologischer Landbau“ (BÖL) formuliert sind. Das Programm träft den Namen „Wertschöpfungsnetzwerk Berlin-Brandenburg“ (WertNet BB); zur Zielgruppe gehören bio-zertifizierte Erzeuger und (handwerkliche) Verarbeiter – übrigens auch in Mecklenburg-Vorpommern. Das am 1. August gestartete Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren. Was es damit auf sich hat, erfuhren wir von Deborah Muschick, die als Wertschöpfungskettenmanagerin von Ökodorf Brodowin die Maßnahmen koordiniert.

Die drei Koordinationspartner des WertNet BB – Ökodorf Brodowin (als Projektleitung), Märkisches Landbrot und Lobetaler Bio-Molkerei – haben es sich zur Aufgabe gemacht, regionalen Bio-Kleinbetrieben eine Vermarktungs- und Vertriebsplattform zu bieten, einen Marktzugang in der Region zu ermöglichen und gemeinsame Synergieeffekte zu schaffen und zu verstärken. Ziel ist, den Absatz der Betriebe deutlich zu beleben, das Angebot an Bio-Lebensmitteln generell zu erhöhen und auf diese Weise dafür zu sorgen, dass der Bioanteil von landwirtschaftlich genutzten Flächen in der Region zunimmt.

Aus Sicht von Deborah Muschick bringen die drei Koordinationspartner gute Voraussetzungen und bereits bestehende Synergien zwischen den Unternehmen mit, um diese Aufgaben zu erfüllen:

  • Ökodorf Brodowin ist als Demeter-Betrieb selbst Erzeuger und Verarbeiter von regionalen Lebensmitteln, die er direkt vermarktet (Hofladen, Lieferservice). Synergieeffekte: Das Unternehmen ist Lieferant für Getreide und vermarktet Schnittbrot sowie Joghurt über seinen Großhandel.
  • Märkisches Landbrot bezieht als ökologische Bäckerei In Berlin das Getreide von Brandenburger Höfen; die GmbH hat 350 B2B-Kunden in Berlin und Umgebung. Synergieeffekte: Der Betrieb ist Kunde der Landwirtschaft sowie Lieferant für den Großhandel und den Hofladen des Ökodorfs Brodowin.
Deborah Muschick, Wertschöpfungskettenmanagerin des Projektleiters Ökodorf Brodowin.
  • Lobetaler Bio-Molkerei mit inklusiver Landwirtschaft vermarktet seine Produkte über den LEH und Außer-Haus-Verpflegung. Synergie: Produkte werden u.a. über den Großhandel vermarktet.

„Unser Großhandel soll kleineren Betrieben dabei helfen, den Weg in die Regale des Lebensmittelhandels zu schaffen“, ergänzt Deborah Muschick. „Dabei stellen wir nicht nur die Logistik zur Verfügung, sondern sind gleichzeitig auch Türöffner für den Handel.“ Über das Modell der Vermarktungs- und Vertriebskooperation hinaus sollen noch weitere partnerschaftliche Modelle – etwa bei der Erzeugung oder Verarbeitung von Lebensmitteln – erprobt und ausgebaut werden. Zur Zielgruppe gehört in erster Linie der inhabergeführte Handel, also Rewe- und Edeka-Kaufleute sowie der Biofachhandel, deren Betreiber selbstständig über regionale Zusatzsortimente entscheiden können. „Das schließt nicht aus, dass Inhaber kleinerer Biohöfe und -manufakturen ihrerseits bei Händlern vorstellig werden, um sich und ihre Produkte persönlich zu präsentieren“, betont die Vernetzungsmanagerin.

Mobiler Großhandel von Ökodorf Brodowin.

Da die drei Gründungsunternehmen des Netzwerks selbst Erzeuger und/oder Verarbeiter von Lebensmitteln sind, beherrschen sie die Klaviatur der Handelsansprache und kennen sich aus in der taktischen Führung von Listungsgesprächen. Wer also Teil des Wertschöpfungsnetzwerks ist, profitiert nicht nur von den logistischen Kapazitäten, sondern auch von den praktischen Erfahrungen der Kooperations-Gemeinschaft. Oder wie Deborah Muschick sagt: „Wir schlagen die Brücke von der Produktion zum Handel!“. Im Rahmen des Projektes werden regelmäßig „Stammtische“ stattfinden, die dem Austausch und der Weiterbildung dienen. Nächster Termin: 13. Februar 2025. Interessierte Unternehmen sind herzlich eingeladen, sich unabhängig davon schon jetzt direkt an das Vernetzungs-Team zu wenden (Kontakt siehe unten).

Glina Destillerie: Whisky-Brenner aus Leidenschaft

Von Haus aus ist er Obstbauer und gelernter Gärtnermeister, hat auf dem landwirtschaftlichen Familienbetrieb in Glindow (Werder a. d. Havel) Obst und Gemüse angebaut und Obstweine gekeltert.  Bis er in seinen Sturm- und Drang-Jahren, Anfang der neunziger Jahre, bei einem Besuch in Süddeutschland das Handwerk des Destillierens kennenlernte und sich spontan in die Obstbrennerei verguckte. „Seitdem ist das Brennfieber in mir“, sagt Michael Schultz (Foto). Und tatsächlich fackelte er nicht lange, absolvierte in Göppingen und Esslingen eine Aus- und Weiterbildung zum Destillateur und machte seine Leidenschaft zum Kern des familiären Geschäfts. Heute produziert und vermarktet der „Master Distiller“ und Edelbrand-Sommelier neben dem Obstwein auch Brände, Liköre und Gin. Und vor allem Whisky, von dem hier die Rede sein soll.

„Ich bin schon längere Zeit Whisky-Liebhaber und habe mich damals natürlich gefragt, ob sich aus unserer Gerste überhaupt ein guter Whisky destillieren lässt. Nach den ersten Versuchen habe ich festgestellt, dass sich unser regionales Produkt gegenüber dem internationalen Wettbewerb nicht verstecken muss“, erzählt Schultz. Warum das so ist, liegt in erster Linie an zwei Faktoren: Boden und Gerste. In Brandenburg gibt es nämlich sehr leichte Böden, wodurch „das Getreide, das wir anbauen, ein bisschen fruchtiger und lieblicher Ist“. Die Erträge seien zwar deutlich geringer als in anderen Landstrichen, aber von hoher Qualität – und damit gut für die Produktion von Whisky.

Michael Schultz ist ein Mann der Tat und legte sofort los. Doch bevor er sich ins unternehmerische Risiko stürzte, drückte er noch mal die Schulbank und eignete sich das theoretische Rüstzeug an. Dann, als die Büffelei erfolgreich überstanden und das notwendige Destillateurs-Zertifikat erreicht war, ging’s an die eigenverantwortliche Praxis. Da er anfangs nicht über die notwendigen Apparaturen, wohl aber über die natürlichen Ressourcen (eben: eigener Boden und selbst angebaute Gerste) verfügte, produzierte er die Maische erst mal auf dem heimischen Hof und karrte sie nach Süddeutschland, um dort „seinen“ Whisky zu brennen. Das erweiterte sein Fertigungs-Know how, optimierte seine Produktionsroutine und – am wichtigsten – gab ihm die Gewissheit, dass sein Produkt höchsten Qualitätsansprüchen genügt. Im Jahre 2004 war es dann so weit: Die erste eigene Brennerei wurde auf dem Hof in Glindow in Betrieb genommen.

„Wenn man sich für die Whisky-Brennerei entscheidet, dauert es Jahre, bis man ein marktfähiges Erzeugnis hat“, beschreibt Schulz seine Arbeit. Damit spricht er nicht allein die Zeit seiner Lehr- und Wanderjahre an, sondern meint vor allem den Produktionsprozess selbst – vom Gersten- und Roggenanbau bis zur Whiskyreife. Das nimmt Jahre in Anspruch, so dass jeder neue Produktions-Zyklus praktisch eine Investition in die Zukunft ist. Zur Erklärung muss man einen Blick auf den Einsatz der Holzfässer werfen: Viele davon stammen aus heimischer Manufaktur, nämlich von der Böttchermeisterei Messerschmidt aus dem brandenburgischen Neu Zittau; hinzu kommen gebrauchte Fässer ausgesuchter Weingüter aus Bordeaux und Burgund sowie Portwein- und Sherryfässer aus Portugal bzw. Spanien.

Warum neue und gebrauchte Fässer? Das ist keine Kostenfrage, sondern letztere dienen dazu, das Whisky-Destillat über die mehrjährige Reifezeit mit den entsprechenden Aromen zu durchsetzen. Das führt zu geschmacklicher Differenziertheit und zur Steigerung der Qualität. Mit den neuen Fässern aus Brandenburg wiederum wird derselbe Zweck verbunden: In diesen reifen bis zu mehreren Jahren die Schultz’schen Obstweine, bis die Zeit reif ist für die Befüllung mit Whisky, der dort seinerseits wieder mehrere Jahre liegt. Der gesamte Reifungsprozess vom Obstwein bis Whisky braucht auf diese Weise fünf bis zehn Jahre – ein Zeitraum, in dem man keinen Cent verdient. „Das ist das Problem, wenn man beginnt, Whisky zu destillieren. Doch ist man im Rhythmus drin, dann funktioniert es“, sagt Schultz.

Je nach Wetter- und Kostenlage (z.B. Energiepreise) werden in Glindow ca. 300 Fässer Whisky im Jahr produziert. Gemessen am gesamten Umsatz liegt dieser mit rund 40 Prozent an der Spitze des Sortiments, gefolgt von Gin (ca. 25 Prozent), Obstbränden und Likören (je ca.10 Prozent). Den Rest machen Obstweine aus. Vermarktet werden die Produkte hauptsächlich über den regionalen Lebensmitteleinzelhandel (Rewe, Edeka, Kaufland) sowie über die Gastronomie, Feinkostgeschäfte und online. Eine große Auswahl bietet auch der eigene Hofladen. Die vom LEH geforderten Mengen kann die Glina Destillerie jederzeit liefern, da die Produkte nicht zur Massenware zählen und deshalb nicht unter die Kategorie „Schnelldreher“ fallen.

„Wir sind praktisch eine Farm-Destillerie, steuern also sämtliche Prozesse selbst. Bei uns liegt alles in einer Hand; das hat für uns den Wert und die Bedeutung eines Alleinstellungsmerkmals“, hebt Michael Schultz hervor. Objektiv gibt es jedenfalls ein markentechnisches Alleinstellungsmerkmal: die Whisky-Flasche. Dort sind nämlich die Konturen seiner Hand verewigt, gewissermaßen als Griff-Relief, begleitet von dem Etiketten-Text: „Meine Hand für mein Produkt – verewigt in dieser Flasche“. Das liest sich und fühlt sich an wie ein Qualitätsversprechen: „Hand drauf!“.

Tag der Direktvermarktung 2024

Handwerklich hergestellte, saisonale und frische Lebensmittel aus der Heimatregion finden bei den Verbrauchern nach wie vor großen Anklang. „Eigentlich“, muss man an dieser Stelle hinzufügen, da politische und wirtschaftliche Krisen wie derzeit nicht der geeignete Nährboden für Kauflaune und erhöhten Konsum sind. Angesichts dieser Gemengelage tut die Politik gut daran, die notwendigen Rahmenbedingen zu schaffen, damit die Branche nicht unter die Räder kommt. Auch die Unternehmerschaft selbst ist natürlich angehalten, die Herausforderungen anzunehmen und initiativ zu werden. Der vom Verband pro agro gemeinsam mit dem Forum ländlicher Raum – Netzwerk Brandenburg veranstaltete sowie vom Landwirtschaftsministerium unterstützte Tag der Direktvermarktung und des Ernährungshandwerks bot den 65 Teilnehmenden wieder reichlich Stoff für Ideen, wie eine schwierige Lage zu überwinden ist. In diesem Sinne hatte sich der von pro agro-Bereichsleiterin Kristin Mäurer moderierte inhaltliche Mix aus Grundsatzfragen, Praxiserfahrungen und Handlungsempfehlungen auch diesmal bestens bewährt.

In ihrer Begrüßungsrede wies die Unternehmerin und stellvertretende pro agro-Vorsitzende Dorothee Berger mit Nachdruck auf die wichtige Funktion der Brandenburger Ernährungswirtschaft als Grundversorger der Bevölkerung und als Wirtschaftsfaktor für das Land hin. Gleichzeitig appellierte sie eindringlich an die noch zu bildende Landesregierung, das Thema Entbürokratisierung anzugehen, Regional-Kampagnen weiter zu fördern und für eine bessere Verzahnung von Landwirtschafts- und Wirtschaftsministerium zu sorgen, „um Regionalität zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen“. Es bestehe nämlich die Gefahr, „dass uns die wirtschaftlichen Strukturen im ländlichen Raum abhandenkommen und die oft beschworene Resilienz so nicht zu garantieren ist“.

Nachdem die Wünsche an die Politik klar benannt worden waren, ging es um die Wissensvermittlung für die in der Tagung versammelte Unternehmerschaft und um den Erfahrungsaustausch über den Einsatz geeigneter Vermarktungsinstrumente untereinander. So wurden auch diesmal etliche Best Practice-Beispiele präsentiert – wie immer aus berufenem Munde, meistens von handelnden Personen aus Brandenburg und nicht ohne Blick über den regionalen Tellerrand. Hier die Beispiele:

Günter Mainka, Geschäftsführer der Brandenburger Eventlocation MQ-Ranch und erfahrener Keynote Speaker. Als dem Unternehmer während der Corona-Krise die Aufträge wegbrachen, stand er vor der existenziellen Frage: Was tun? Die Antwort gab er sich gleich selbst: „Fall auf oder du bist weg!“. Auf seiner MQ-Ranch heckte er die Produktidee „Lieblingsmist“ aus. Das sind die pelletierten Hinterlassenschaften seiner und benachbarter Pferde, die er als Düngerprodukt für Gartenfreunde und -profis erfolgreich vermarktet. Weitere Informationen finden Sie hier und hier.

Marcel Schallmea/Jan Kutzbach, Drehnower Hofkäserei. Im Zuge seiner Professionalisierung hat Marcel Schallmea auf Almen in den Tiroler Bergen das traditionelle Handwerk der Käserei gelernt. Den Rohstoff liefern ihm die Ziegen und Rinder (Tiroler Grauvieh) auf dem familieneigenen Hof im Spreewald. Deshalb nennt er seine Verkaufsstellen (Hofladen und Verkaufswagen) „Spreewald-Alm“. Schallmea ist der Käser, Kutzbach der Vermarkter. Zum Produktportfolio gehören Quark und Joghurt sowie Käse in etlichen Variationen. Weitere Informationen finden Sie hier.

Christian Behrendt, Kanow-Mühle Sagritz. Die historische Wassermühle liegt im Spreewald und zählt zu den ältesten Unternehmen in Brandenburg. Seit jeher handelt es sich um eine Mahl- und Ölmühle. Zum Ölsortiment gehören 25 Öle, darunter das Leinöl als Hauptprodukt. Die Öle sind nicht gefiltert, sondern naturtrüb und kaltgepresst. Großer Wert wird auf Regionalität und Transparenz gelegt. Im Hofladen können Besucher einen Blick auf die Produktion werfen. Aktuell wird mit LEADER-Mitteln Geld investiert, um den Hofladen zu vergrößern sowie die Abfüll-, Verpackungs- und Versandbereiche auf dem Anwesen auszubauen. Weitere Informationen finden Sie hier.

Deborah Muschick, Ökodorf Brodowin. Der größte Demeter-Betrieb Deutschlands realisiert zusammen mit den Partnern Märkisches Landbrot und Lobetaler Bio-Molkerei ein vom Bund gefördertes Projekt zur Stärkung von Bio-Wertschöpfungsketten in der Region Berlin-Brandenburg. Es soll eine Plattform geschaffen werden, mit deren Hilfe regionale Bio-Betriebe ihre Vertriebsstrukturen erweitern können. Langfristig geht es auch darum, den Anteil ökologisch bewirtschafteter Flächen in der Region zu erhöhen. Weitere Informationen finden Sie hier.

Dr. Christian Mai, Werderaner Tannenhof. Der Juniorchef berichtete über Ideen und Maßnahmen, die das Saisongeschäft ganzjährig am Laufen halten. Rückläufiger Absatz von Weihnachtsbäumen, steigende Kosten und damit sinkendes Betriebsergebnis machten solche Überlegungen nötig. Außerdem will man das Personal ganzjährig binden. Die Tanne soll rund ums Jahr erlebbar gemacht werden.

Abgesehen davon, dass die beiden Firmenstandorte in Werder und Thüringen als ganzjährige Erlebnishöfe weiterentwickelt werden, wird das Produktsortiment Zug um Zug ausgebaut. Weitere Informationen finden Sie hier.

Patrick Scheuermann/Christian Lambeck, Emmas Kaufhalle. In Teschendorf/Oberhavel ist ein vollautomatisierter 24/7-Einkaufsort für die Nahversorgung im ländlichen Brandenburg entstanden. Es handelt sich um ein deutschlandweit einmaliges Konzept, das auch von älteren Menschen gut angenommen wird. Die Indoor-Variante hat Platz für sechs bis 14 Systemschränke bzw. 300 bis 700 Artikel. Ein weiteres, frei stehendes Automaten-Kaufhaus in Container-Form ist für 2025 in der Region Oberhavel geplant. Weitere Informationen finden Sie hier.

Kleine Markthalle 50, Claudia Hollm. Die „Marktfrau“, wie sie sich selber nennt, hat in der Prignitz eine Kombination aus lebendigem Treffpunkt und Kaufort für lokale Produkte geschaffen. Dies sei jederzeit ein übertragbares Konzept für kleinere Kommunen in Brandenburg, sagt sie. Gestartet war sie im Sommer 2023 in Putlitz, heute hat sie sich in einer Location in Wittenberge und Stepenitz niedergelassen. Weitere Informationen finden Sie hier.

Fleischerhandwerk in Bayern, Lars Bubnick. „Wie machen wir unser Handwerk sichtbarer?“. Auf diese Frage hat der Verbandsgeschäftsführer eine Vielzahl von Antworten, die sich alle auf einen Nenner bringen lassen: Gegen den Strich bürsten und Aufmerksamkeit schaffen. Oder wie er sagt: „Staub abklopfen und machen – moderne Kommunikation statt Ideen totzureden“. Wichtig zu wissen: „Sichtbarkeit kostet Geld, Zeit und Geduld.“ Einen Eindruck davon, was gemeint ist, vermittelt der Blick auf die Website des Verbandes, siehe hier.

DigiOekoRegio-Netzwerktreffen der Modellregion 1 Nord-West Brandenburg

Am 15. Oktober 2024 fand das 1. Netzwerktreffen der Modellregion I (Nord-West Brandenburg) in den Räumen des Landesbauernverbandes Brandenburg (Geschäftsstelle Kreisbauernverband OPR) in Kyritz statt.

Das Netzwerktreffen wurde im Rahmen des von der BÖL geförderten Projektes DigiOekoRegio durchgeführt, welches zum Ziel hat eine digitale Infrastruktur zur logistischen Optimierung einer ökologischen regionalen Fleischproduktion zu entwickeln. Über die ersten Ergebnisse zum aktuellen Stand des Projektes informierten jeweils die  Verbundpartner LBV e.V., pro agro e.V, IFTA AG und FFG.

Mit den teilnehmenden Akteuren der Wertschöpfungskette Rindfleisch aus dem nordwestlichen Brandenburg wurden die Ergebnisse und Herausforderungen zur regionalen Produktion diskutiert und Anregungen zur Umsetzung der digitalen Plattform aufgegriffen.

Einen Einblick in Unterstützungsangebote von Verbänden gaben Math Mönnich und Sebastian Woskowski von Bioland und informierten über die Anforderungen an eine ökologische Wirtschaftsweise bzw. der Umstellung von Betrieben auf diese.

Referenten Laura Schönmeier (pro agro, li.) und Math Mönnich (Bioland, re.) sowie Projekt-Initiatorin Maria Mundry im Gespräch mit Hannes-Peter Dietrich (Mitte)

Der anschließende Beitrag von Hannes-Peter Dietrich zur Beauftragung von Lohnunternehmen für die Verarbeitung lieferte den Anwesenden wertvolle Hinweise und Anregung zu weiterer Diskussion. Das Thema regionale Fleischproduktion löst bei allen Akteuren der Rindfleischproduktionskette großes Interesse aus.

Die Möglichkeiten zur praktischen Umsetzung einer geschlossenen Wertschöpfungskette Rindfleisch sind regional jedoch sehr unterschiedlich, was auch die ersten DigiÖkoRegio-Projektergebnisse zeigen. Es gibt deutlichen Handlungsbedarf, der je nach vorhandener Struktur in der Region abweichend sein kann.

Das Interesse der Akteure an DigiÖkoRegio ist vorhanden und lässt auch bei zukünftigen Vernetzungstreffen ergänzend in den weiteren Modellregionen II und III (Brandenburg Ost bzw. Süd) eine rege Beteiligung erwarten.

Wir halten Sie dazu gerne auf dem Laufenden und freuen uns auf Ihre Kontaktanfrage und Teilnahme!

Ausführliche Informationen zum Projekt und aktuelle Informationen finden Sie auf der Internetseite des Projektes https://www.digioekoregio.de/.

Branchenkooperation auf Produktebene: Regionale Wertschöpfung, breiter aufgestellt

Linkes Bild: Phillip Kliem (Fleischerei Lehmann, links) und Steffen Papendorf (Neumarkt Fleischerei, rechts) erfreuen sich am Gewusel der Fläminger Duroc-Schweine; Rechtes Bild: Bernhardt von der Marwitz (Gut Friedersdorf, links) Isabella Krause (KIWERTa, Mitte) und Jan Heinemann (WDM, rechts) präsentieren die Kichererbse.

Regionale Wertschöpfungsketten schaffen und ausbauen – diese Devise ist in Brandenburg keine leere Floskel, sondern gelebte Praxis. Das gilt insbesondere für die Akteure der heimischen Ernährungswirtschaft – egal ob Erzeuger, Verarbeiter oder Konsumenten von Lebensmitteln. Und immer mit dabei die Politik, die dieses Verhalten nicht nur gutheißt, sondern auch aktiv fördert. Das steht nämlich schwarz auf weiß im Koalitionsvertrag von 2019, dem „Pflichtenheft“ der Brandenburger Landesregierung, und wird vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) Zug um Zug umgesetzt. Mehr noch: Die Lebensmittelproduzenten selbst beziehen immer mehr Kollegenbetriebe und damit „seitliche“ Glieder der regionalen Wertschöpfungskette in die Prozessoptimierung sowie Produktentwicklung und -vermarktung mit ein. Wir zeigen Ihnen drei Beispiele einer erfolgreichen Kooperation auf Produktebene.

Das Bestreben, ein zu 100 Prozent natürliches Eis herzustellen, treibt die Eismanufaktur jeden Tag aufs Neue an. Die Zufriedenheit der Kunden bestätigt diese Mission. Die hauseigenen Rezepturen hat die Eismanufaktur über die Jahre verfeinert, um heute sagen zu können: „Unser Eis am Stiel schmeckt nach dem, was drin ist.“ Das Unternehmen verarbeitet echte Früchte, Milch und Joghurt aus der Region Brandenburg und verwendet ausschließlich Fairtrade Zucker.

„Besonders die Zusammenarbeit mit Benjamin Meise, Inhaber und Geschäftsführer der Fürstenwalder Agrarprodukte GmbH, ist für uns eine ganz besondere Verbindung und Vernetzung mit der Region. Die Qualität seiner Milch- und Joghurt-Produkte hat uns und unsere Kunden in der Weiterverarbeitung absolut überzeugt“, so Jörg Ellmer, Inhaber von California Pops. Die Fürstenwalder Agrarprodukte bestätigen dies ihrerseits mit einem Verkauf des Eis am Stiel auf ihrem eigenen Hof. Für die künftige Zusammenarbeit gibt es, so Ellmer, schon neue Ideenansätze.

Der bio-vegane Brandenburger Kichererbsen-Topf im Glas ist ein Ergebnis des vom Land Brandenburg geförderten Projekts KIWERTa. Im Rahmen von KIWERTa wird gemeinschaftlich versucht, in der Region eine nachhaltige Wertschöpfungskette rund um die Kichererbse zu entwickeln, die von der Erzeugung über die Verarbeitung bis zum Handel und der Gastronomie reicht. Projektnehmerin ist die Regionalwert AG Berlin-Brandenburg. Gut Friedersdorf baut die biozertifizierten Kichererbsen an und WDM („Wünsch Dir Mahl“) sorgt für die Weiterverarbeitung sowie den Vertrieb in der Region.

Um im Anbauspektrum neben klassischem Getreide, Körnermais oder Sonnenblume den Betrieb in Zeiten des Klimawandels zukunftsfähiger zu gestalten, experimentiert Gut Friedersdorf bereits seit 2021 mit Kichererbsen. Die regional angebauten Hülsenfrüchte sind die Hauptzutat des Eintopfs. Die Kichererbsen überzeugen, so WDM, durch ihren milden, nussigen Geschmack und ihre zarte Textur. Sie werden in einem ausgewogenen Mix aus frischem, saisonalem Gemüse wie saftigen Möhren und sonnengereiften Tomaten verarbeitet.

„Vom Futter bis zur Wurst – alles aus der Region Fläming“. So lautet das Motto der Neumarkt Fleischerei in Jüterbog „Im Herzen der Mark Brandenburg, auf den Feldern im Übergang vom Niederen zum Hohen Fläming, liegen unsere Weidelandschaften und Anbauflächen. Die Basis guten, ehrlichen Fleischgeschmacks erzeugen wir seit 1990 mit naturnaher, artgerechter Tierhaltung, eigener Futtermittelherstellung und Verarbeitung in handwerklicher Fleischertradition.“, so Geschäftsführer Steffen Papendorf. Als Tochtergesellschaft profitiert die Neumarkt Fleischerei im großen Umfang vom Anschluss an die Jüterboger Agrargenossenschaft, die die Futtermittelproduktion und die Aufzucht der Tiere (Fleckvieh-Kühe, Fläminger Duroc-Schweine) übernimmt.

Andere Fleischerbetriebe wurden nie als Konkurrenten, sondern stets als Chance für die Kooperation betrachtet. Durch den Strukturwandel bzw. die immer weniger werdenden Handwerksbetriebe bewährt sich die langfristig praktizierte Kooperation und wird auch die Zukunft bestimmen. Insbesondere in Zusammenarbeit mit der Fleischerei Lehmann aus Trebbin oder mit der Hoffleischerei Kaplick in Alt Bork im Fläming werden die Tiere der Neumarkt Fleischerei geschlachtet. Zur Verarbeitung und Verpackung geht das Fleisch zurück nach Jüterbog.

pro agro-Branchenbarometer: Die Lage bleibt angespannt!

Brandenburgs Lebensmittelerzeuger und -produzenten zeichnen weiter ein düsteres Bild ihrer Lage, wenn auch das Urteil über die Geschäftsaussichten für den Rest des laufenden Jahres um Nuancen freundlicher ausfällt als im Januar 2024 für das gesamte Jahr. Das ändert nichts daran, dass die Stimmung generell weiter pessimistisch ist. Kein Wunder, dass die Appelle der Unternehmen an die Politik nichts an Dringlichkeit verloren haben – auch und gerade im Vorfeld der anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg (22. September 2024). Nachfolgend berichten wir über die wichtigsten Ergebnisse der pro agro-Onlinebefragung vom Juli-August 2024, die vor kurzem veröffentlicht worden sind.

Die jüngst erhobenen Daten für die Geschäftsaussichten im zweiten Halbjahr 2024 zeigen, dass die Stimmung in den Unternehmen der Ernährungswirtschaft nach wie vor miserabel ist. Mag sein, dass die positiven Erwartungen mit 25 Prozent leicht gestiegen sind und die Zahl der negativen Prognosen mit 32 Prozent im Vergleich zum Beginn des Jahres abgenommen haben (vgl. Ausgabe 01-02/2024 des Newsletters). Doch Zuversicht sieht anders aus. Denn 43 Prozent der Befragten geben jetzt zu Protokoll, dass sie ihre Meinung nicht geändert haben, also mehrheitlich negativ in die Zukunft blicken.

Als Hauptgründe für diese Lagebeurteilung werden die anhaltend hohen Kostenbelastungen bei Löhnen/Gehältern sowie Rohstoff- und Energiepreisen genannt; das sagt deutlich über die Hälfte aller Befragten. Von einem Drittel der Befragten werden weiter zurückgehende Absatzmengen beklagt. Nach positiven Tendenzen für die Erzeugerpreise befragt, glauben 49 Prozent, dass keine Veränderungen zu erwarten sind, 39 Prozent hoffen auf einen leichten Anstieg.

Dazu pro agro-Geschäftsführer Kai Rückewold: „Es gibt nach wie vor mehr Verlierer als Gewinner in der Inflationskrise, selbst wenn einige Unternehmen bei den Absatzmengen wieder ein kleines Plus vermerken. Für die Mehrheit der Unternehmen ist die Lage aber unverändert: Die Kosten sind hoch, Absatz und zu erzielende Preise stagnieren. Es wird also von der Substanz gelebt oder gespart, wo es nur geht. Das Hauptaugenmerk muss daher auf Absatzförderung liegen, um das Marktgewicht für regionale Produkte zu stützen.“

Angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen in Brandenburg hat pro agro die Lebensmittelproduzenten exklusiv befragt, was sie von den politischen Entscheidern nach dem 22. September erwarten. Hier ein Auszug aus dem „Wunschzettel“:

  • Reduzierung der bürokratischen Lasten (49 Prozent)
  • Offensive der Landesregierungen in Berlin/Brandenburg zur Stärkung des Selbstversorgungsgrades (45 Prozent)
  • Bessere Förderangebote für Investitionen ohne KMU-Barrieren (44 Prozent)
  • Weitere finanzielle Unterstützung der Verbraucherkampagne für regionale Produkte (43 Prozent).

Ein weiteres aufschlussreiches Ergebnis der Befragung ist, dass die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) bei den Lebensmittel-Produzenten noch nicht in der Breite angekommen ist. 70 Prozent der Unternehmen haben bisher keine Berührungspunkte; 30 Prozent berichten zwar von ersten Anwendungen, allerdings hauptsächlich nur bei Textverarbeitung, Korrespondenz und Werbung. In Prozessen der Produktion, des Vertriebs oder der Personalplanung kommt KI indessen kaum vor (alle Werte unter 20 Prozent). Verankert ist das Thema überwiegend bei den Inhabern und in der Geschäftsleitung; bei den Nichtanwender fehlen Ideen für die praktische Anwendung oder das Wissen über die Vorteile von KI.

Zu den wirtschaftlichen Sorgen zählt bei 44 Prozent der Unternehmen nach wie vor der Arbeitskräftemangel. Hauptsorge ist nach wie vor die Stabilisierung der Personaldecke in den Bereichen Hilfskräfte und Fachpersonal in der Produktion (je 59 Prozent). Allerdings geben auch 37 Prozent der Unternehmen Engpässe beim Verkaufspersonal an. Und was tun die Unternehmen, um Personal zu gewinnen? 56 Prozent sagen, dass neue Mitarbeiter über bereits vorhandene Mitarbeiter geworben werden. 50 Prozent wählen Stellenangebotsoffensiven als wichtigen Punkt aus. Dabei nennen 79 Prozent der Unternehmen Social-Media als Hauptrekrutierungsplattform, gefolgt von der eigenen Unternehmenswebseite (68 Prozent). Im öffentlichen Raum werden Plakate/Aushänge (36 Prozent) und Zeitungen (29 Prozent) genutzt.

Viele Unternehmen glauben, dass ein starker Hebel bei einer Verbesserung der Angebote zur beruflichen Integration durch die Arbeitsagentur liegen könnte.  Jeweils 28 Prozent wünschen sich mehr überbetriebliche Schulungs- und Fortbildungsinitiativen der Branche und eine Landeskampagne zur Imageförderung von Arbeitsplätzen in der Land- und Ernährungswirtschaft.

Informationen zum pro agro Branchenbarometer

Rund 550 Unternehmen wurden an der Online-Befragung beteiligt, 111 Unternehmen haben mitgemacht: davon sind über 50 Prozent als GbR, GmbH, OHG oder KG organisiert, der andere Teil besteht aus KMUs und Einzelunternehmen. Das Branchenbarometer hat keinen Anspruch auf wissenschaftliche Repräsentativität. Über 60 Prozent der Umfrageergebnisse kommen direkt von pro agro–Mitgliedern.

Hinweis: Die Grafiken zur Umfrage können Sie hier herunterladen:

Bäckerei Bubner: Nah am Kunden – mit Herz und Verstand

Gutes Marketing: Monika und Thomas Bubner vor „ihrem“ Roggenfeld.

Handwerkliche Tradition und moderne Marketingmethoden: Diese Kombination hat Bäckermeister Thomas Bubner aus dem ländlichen Doberlug-Kirchhain zum nachhaltigen Geschäftsmodell entwickelt. Das 1897 von seinem Ur-Großvater gegründete Unternehmen – damals ein landwirtschaftlicher Betrieb mit angeschlossener Bäckerei – repräsentiert heute 23 Filialen, die in einem Radius von maximal 50 km um die Firmenzentrale im Herzen des Elbe-Elster-Kreises angesiedelt sind. Rund 340 Mitarbeiter halten das Geschäft in Schwung. Seinem Vater war eine solche Entwicklung nicht möglich, da die Betriebsgröße zu DDR-Zeiten auf höchstens zwei Filialen begrenzt war. „Wer sich nicht daran hielt, dem drohte die Enteignung“, erzählt Thomas Bubner, der 1987 in den elterlichen Betrieb einstieg, schon bald darauf die Wende erlebte und das Unternehmen in der freien Marktwirtschaft zur Blüte brachte.

Bubners Unternehmensstrategie und Marktbearbeitung werden bestimmt durch das Vertriebsgebiet. „Wir leben und arbeiten in einer sehr ländlich geprägten Region, das heißt unser Geschäft beruht kaum auf Laufkundschaft, sondern konzentriert sich auf die Stammkundschaft. Da Stammkunden Abwechslung im Angebot wollen, müssen wir uns immer wieder interessant machen“, sagt er. Zu diesem Zweck hat er eigens eine Mitarbeiterin eingestellt, die für Marketing und interne Kommunikation zuständig ist. Gemeinsam mit ihr entwickelt er innovative Sortimentsideen und Aktionen, die der Kundenbindung dienen und damit letztlich für den geschäftlichen Erfolg unabdingbar sind.

Gute Teamarbeit: Voraussetzung für den Erfolg.

Beim Stichwort Marketing nennt der in der vierten Generation tätige Firmenchef vielfältige Aktionen und Produkte, die zum einen saisonal bedingt sind (z.B. Früchte für Kuchen und Torten) oder sich an kirchlichen und weltlichen Ereignissen orientieren (z.B. Ostern oder Valentinstag). Mag man solche Aktivitäten noch als „business as usual“ ansehen, so haben andere Events schon eher außergewöhnlichen Charakter wie Specials zum Internationalen Kindertag oder eine Eis-Aktion am letzten Schultag und vieles mehr. Innovative Produktideen wie der „Sommersnack des Jahres“ (Brotwrap mit Grillgemüse) oder zeitlich limitierte Angebote wie der Apfel-Zipfel kommen der Maxime entgegen, sich selbst interessant und die Kunden neugierig zu machen und dadurch für Frequenz zu sorgen.

Bei so viel Action und wechselnden Produktangeboten ist es wichtig, seine Mitarbeiter zu motivieren, mitzunehmen und auf dem Laufenden zu halten. Das ist Aufgabe der internen Kommunikation. „Wir sind zwar nur ein regionales, aber weit verzweigtes Unternehmen. Unser Verkaufspersonal in den Filialen muss wissen, worum es geht, unsere Philosophie mittragen und unsere wechselnden Angebote erklären können. Damit zeigen wir, dass wir nah am Kunden sind. Das ist für uns viel Arbeit, aber notwendig fürs Geschäft“, betont der Bäckermeister.

Sein Geschäftsmodell versteht Bubner gewissermaßen als Rundum-Versorger: Neben einem umfangreichen und vielfältigen Sortiment, das zum Einkaufen einlädt, sieht er seine Filialen zusätzlich als Kommunikations- und Treffpunkt der Menschen, wo man sich niederlassen, etwas verzehren und sich unterhalten kann. „Wir wollen nicht nur gute Ware und kompetente Beratung anbieten, sondern auch Gastlichkeit leben“, sagt er. So ist rund die Hälfte der Standorte als Cafés eingerichtet, wo man in einer Wohlfühl-Atmosphäre verweilen kann. Die kleineren Filialen sind eher mit Sitzecken und/oder Stehtischen für den Verzehr zwischendurch ausgestattet.

Guter Standort: Bubner-Vorkassenfiliale bei Edeka in Finsterwalde.

„Gerade hier auf dem Land müssen wir dem Kunden viele Gründe bieten, zu uns zu kommen: zum Einkaufen, Frühstücken, Mittagessen und nachmittags zum Kaffeetrinken. Hat man ihn nämlich im Laden, dann wird er gewöhnlich zum Konsumenten“, so Bubner. Beides zusammen – Filialkonzept und Marketingmaßnahmen – fördert also Kundenfrequenz und -reichweite. Das gilt auch für seine acht Verkaufsstellen in den Vorkassenzonen einiger Supermärkte: Edeka, Rewe, Netto und Penny. Vermarktet werden die Produkte nicht nur in den eigenen Filialen, sondern auch partiell über den Online-Shop. Hinzu kommen einige Großverbraucher wie Krankenhäuser, Altenheime und gastronomische Betriebe.

Eine „besondere Herzensangelegenheit“ ist dem Unternehmer das Thema Regionalität. Das betrifft nicht nur Lieferanten und Rohstoffe sowie Verarbeitung und Vermarktung, sondern auch die „Handvoll Produkte, die wir in Bio-Qualität herstellen.“ Er ist also der Verfechter einer (möglichst) lückenlosen regionalen Wertschöpfungskette. Aushängeschild ist die seit neun Jahren bestehende Kooperation mit einem landwirtschaftlichen Betrieb in der Nähe der Backstube, der in Bubners Auftrag eine bestimmte Roggensorte anbaut, die im Spreewald gemahlen und bei ihm verarbeitet wird. Und selbstverständlich von einer wirksamen Marketingmaßnahme begleitet wird: Schildern an strategischen Punkten „seines“ Roggenfeldes, die auf die exklusive Zusammenarbeit hinweisen.

Weinanbau in Brandenburg: Gewerbe mit Zukunft – aber keine Massenkultur

Im Einsatz: Matthias Jahnke bei der aktuellen Weinlese.

Weinanbau in Brandenburg? Klingt für unsere Breitengrade ein bisschen exotisch. Ist es aber nicht, wenn man vom Vergleich mit den traditionellen Anbaugebieten Deutschlands und deren Produktionsmengen absieht. „Klein, aber oho“, das kommt der Wirklichkeit schon näher – jedenfalls in Sachen Qualität. Und nicht nur das. Richtig spannend kann nämlich die Entwicklung in Zukunft werden, wie uns Matthias Jahnke erzählt: „Durch den Klimawandel entwickelt sich unsere Region allmählich zu einem ernstzunehmenden Weinbauland“, prognostiziert der Vorsitzende der Fachgruppe Weinbau im Gartenbauverband Berlin-Brandenburg. Limitierende Faktoren sieht er weniger im Wetter, vielleicht in den Böden und jedenfalls in den gesetzlichen Vorschriften. Nach unserer Analyse des Obst- und Gemüseanbaus in Brandenburg (siehe hier und hier werfen wir diesmal einen Blick auf die Weinproduktion.

Zu den Fakten: Derzeit gibt es in Brandenburg rund 50 Weinbau-Betriebe, die zum Teil in Vereinen bzw. Arbeitsgemeinschaften oder Genossenschaften organisiert sind. „Allein wären sie nicht überlebensfähig“, erklärt Jahnke, Mitinhaber des Weinguts Patke in Pillgram/Jacobsdorf (Oder-Spree). „Das darf man nicht mit den großen Weinbaugebieten in Deutschland vergleichen. Dort hat ein normaler Winzerbetrieb schon allein so große Rebflächen wie Brandenburg insgesamt. Die Rede ist hier von 45 Hektar Rebfläche (bundesweit 108.000 Hektar) mit einer durchschnittlich produzierten Menge von insgesamt 1.600 Hektoliter bzw. 90 Hektoliter pro Hektar Anbaufläche und Jahr.

Die 90 Hektoliter pro Hektar kommen nicht von ungefähr. Das ist nämlich das Maximum, was ein Winzerbetrieb derzeit pro Jahr produzieren darf. So steht es jedenfalls in der „Verordnung zur Durchführung des Weinrechts im Land Brandenburg“. Das hängt zusammen mit der politisch gewollten Agrarstruktur in der Region und natürlich mit der gewünschten Weinqualität. Dessen ungeachtet fallen die Erträge in Menge und Qualität von Jahr zu Jahr unterschiedlich aus – schon allein wegen der Wetterkapriolen. Für das Jahr 2023 stellt sich das folgendermaßen dar: Die produzierte Weinmenge lag im Schnitt zwischen 60 und 90 Hektoliter pro Hektar, wobei die Traubenqualität infolge des günstigen Wetters sehr gut war.

Früchte der Arbeit: Sehr gute Trauben- und Mostqualität.

Wie die Mengen-Resultate im laufenden Jahr aussehen werden, kann man heute, mitten in der Weinlese, noch nicht verlässlich sagen. Da muss nur ein Hagelschlag kommen, der alle Prognosen zunichte macht. „Eine einigermaßen sichere Aussage über Mengen und Qualitäten lässt sich frühestens ab Anfang Oktober machen“, so Jahnke. „Wir erwarten aber eine sehr gute Trauben- und Mostqualität, da wir in unseren Breitengraden eine relativ hohe Sonnenstunden-Zahl haben und unsere Weine durch die vergleichsweise kühlen Nächte eine gute und stabile Säure aufweisen.“

Eine Vorreiterrolle in Deutschland spielen die Brandenburger Winzer bei der Bepflanzung mit pilzwiderstandsfähigen Rebstöcken: Auf mehr als der Hälfte der Weinanbauflächen werden die „Piwi“-Sorten eingesetzt, was gut für die Umwelt und die Portemonnaies der Winzer ist. Und das sind die Vorteile: rund 70 Prozent weniger Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, geringere Bodenverdichtung durch weniger Schlepper-Fahrten, weniger Dieselverbrauch und weniger Personalaufwand. Dies alles führt zu einer spürbaren Verringerung der gesellschaftlichen und persönlichen Kosten.

Vermarktet werden die Weine hauptsächlich in Brandenburg und Berlin, und zwar im Wege der Direktvermarktung, das heißt insbesondere über Hofläden an heimische Kunden oder Touristen und an regionale Gastronomen. Wieso nicht über den Lebensmitteleinzelhandel? „Hier haben wir keine guten Erfahrungen gemacht“, sagt der Winzer und Branchenvertreter und begründet kurz und knapp: „Der Preisdruck ist zu hoch, und die nationalen wie internationalen Weinbaubetriebe sind zu mächtig.“

Blitzblank: Tanks in der Kelterei.

Da die meisten heimischen Winzer die Kosten für Werbung und andere individuelle Marketing-Maßnahmen scheuen, sieht sich der Verband in der Pflicht, Vermarktungs-Plattformen zu schaffen, wo die Brandenburger Weine gezielt in Szene gesetzt werden können. So hat die Wein-Fachgruppe im Gartenbauverband für das kommende Jahr verschiedene verkaufsfördernde Aktivitäten geplant. Dazu zählt etwa eine Jahrgangspräsentation von Weinen in Potsdam und Cottbus sowie Ende August der im ganzen Land stattfindende „Tag des offenen Weinguts“ (ähnlich der alljährlichen „Brandenburger Landpartie“ von pro agro), wo die Winzer Gelegenheit haben, ihre Weingüter und Produkte im unmittelbaren Austausch mit den Kunden zu präsentieren. Über die konkrete Umsetzung befinde man sich mit pro agro bereits im Gespräch, heißt es.

Unabhängig von den Verkaufsförderungsmaßnahmen, die dem Absatz Brandenburger Weine einen positiven Schub verleihen können, beurteilt Jahnke die natürlichen Bedingungen für das heimische Weingewerbe positiv. Nicht nur, dass hier im deutschen Vergleich momentan die besten klimatischen Voraussetzungen herrschen, was im Übrigen „kein Hirngespinst“ von ihm sei, sondern Winzer anderer Regionen jederzeit bestätigen würden. Mehr noch: Durch den Klimawandel werde sich Brandenburg „allmählich zu einem ernstzunehmenden Weinbauland“ entwickeln. Das werde indessen nicht den Charakter einer „Massenkultur“ wie in den großen Weinbaugebieten erreichen. Drei Gründe sprechen seiner Meinung nach dagegen: „Erstens kann man das wegen der gesetzlichen Gegebenheiten nicht erwarten; zweitens sind die Lagen mit guten Böden für den Weinbau hierzulande eher begrenzt; und drittens ist der Weinbau ein äußerst investitionslastiges Gewerbe.“

Was heißt das – „investitionslastiges Gewerbe“? Das beginnt mit dem Kauf, dem Anbau und der Pflege der Pflanzen, gefolgt von der Ernte, der Verarbeitung zu Wein, der Abfüllung in Flaschen, der Etikettierung und schließlich dem Vertrieb. Die komplette Wertschöpfungskette befindet sich also praktisch im Betrieb – und damit auch die Kosten. Der Winzer bringt das auf eine kurze Formel: „In den ersten drei Jahren ist nur Arbeit und kein Ertrag.“ Diese Tatsache wiederum nimmt Matthias Jahnke zum Anlass für folgenden Appell: „Wir wünschen uns von der Politik, dass sie unserer Branche und Arbeit mehr Aufmerksamkeit schenkt; und wir hoffen, dass die Brandenburger Verbraucher die heimischen Produkte stärker wertschätzen.“

Regionalität bei Penny Ost

Hingucker: Präsentation der regionalen Eigenmarke für Obst und Gemüse in der Handzettelwerbung.

„Penny ist der Discounter mitten im Leben der Menschen“, sagt die REWE Group über ihre Tochtergesellschaft. Sie sei ein moderner Nahversorger, der die Nachbarschaft in den Mittelpunkt seiner Aktivitäten und Kommunikation stellt. Diesen Nachbarschaftsgedanken lebt Penny konsequent in seinen rund 2.150 Filialen in ganz Deutschland. Darunter natürlich auch in seinen exakt 476 Standorten der Region Ost, also in Berlin und den fünf Bundesländern Ostdeutschlands. Wie bei REWE, der Vollsortiments-Schwester, werden auch hier Regionalität und Lokalität im Warenangebot großgeschrieben. Was das für Berlin und Brandenburg heißt, erzählte uns Bernd Kinzig (Foto), der Leiter des regionalen Einkaufs Penny Ost.

Wenn auch die Konzernzentrale in Köln prinzipiell die Hoheit über das Warenangebot ihrer Märkte hat, also die Einkäufer in der Domstadt entscheiden, was in die Regale kommt und was nicht, „können wir uns bei der Auswahl unserer regionalen Lieferanten innerhalb gewisser Leitplanken recht frei bewegen“, erklärt Bernd Kinzig. „Je nach Kategorie, also beispielsweise Fleisch oder Obst und Gemüse, haben wir eine Vermittlerfunktion zwischen Lieferant und nationalem Einkauf.“ In Klartext: Wenn auch die regionale Listungskompetenz bei den Einkäufern vor Ort liegt (sie kennen Lieferanten und Produkte), wird jeder Vorschlag im Einzelfall mit den nationalen Kollegen diskutiert, abgestimmt und dann über die Listung des Produkts entschieden. „Das ist ein ständiger Prozess.“

Übrigens sitzen die für Ostdeutschland zuständigen Niederlassungen von Penny und REWE in Teltow quasi Tür an Tür, also im selben Gebäude, arbeiten aber unabhängig voneinander. Bernd Kinzig und sein Team entscheiden mit Blick auf die Penny-Märkte (Performance, Handzettelwerbung, Aktionen etc.) also unabhängig von REWE. „Wir brauchen keine Rücksprachen und sind recht autark“, sagt er. Was natürlich nicht heißt, dass man auf den gelegentlichen Erfahrungsaustauch grundsätzlich verzichtet.

Zur Klarstellung: Wenn Penny Ost von gelisteten regionalen Produkten spricht, dann handelt es sich um solche, die aus dem gesamten Verbreitungsgebiet stammen bzw. dorthin distribuiert werden. Mit anderen Worten: Regionale Produkte in den Filialen von Berlin/Brandenburg kommen nicht nur aus heimischen Gefilden, sondern auch aus anderen Bundesländern Ostdeutschlands. Und umgekehrt. In diesem Zusammenhang weist Bernd Kinzig darauf hin, dass derzeit ca. 1.300 Artikel aus der Region Ost in den Penny-Ost-Filialen distribuiert sind; 500 davon haben den Status einer festen Listung. 130 dieser Artikel sind aus den Bundesländern Berlin/Brandenburg. 

Fingerzeig: Einkäufer Bernd Kinzig markiert die Gebiete, für die er zuständig ist – Penny Ost und Penny Süd.

Die restlichen 800 sind so genannte „in/out-Artikel“ – nicht gelistete Werbeartikel, die über einen Zeitraum von 52 Wochen mit Handzetteln beworben werden.

Dazu Bernd Kinzig: „Das sind Produkte, die zeitlich befristet nur für bestimmte Aktionen im Sortiment zu finden sind. Was im Übrigen eine gute Testmöglichkeit ist. Deshalb ist dieses Verfahren für uns sehr wertvoll. Das kann dazu führen, dass je nach Kundenresonanz in Abstimmung mit den nationalen Kollegen daraus ein fester Listungsartikel für die Region wird oder die Artikel in regelmäßigen Abständen wiederholt bei Aktionen eingesetzt werden.“

Sichtbarkeit: Aufmerksamkeitsstarke Platzierung regionaler Produkte.

Abgesehen von Sonderplatzierungen und Aktionsware sind gelistete Artikel in die jeweiligen Warengruppenregale integriert. Damit das für den Kunden sichtbar wird, arbeitet Penny mit regionalen Einsteckern bzw. Auslobungen im Rahmen der Preisauszeichnung. Dort fällt sofort der Schriftzug „Regional“ samt Nennung des jeweiligen Herkunftslandes ins Auge. Anders bei Obst und Gemüse: Hier sind die Produkte mit dem Schriftzug „Marktliebe“, der regionalen Eigenmarke, gekennzeichnet.

Insgesamt weist Bernd Kinzig mit Nachdruck darauf hin, dass Penny-Ost für die Zusammenarbeit mit weiteren Lieferanten aus der Region offen ist. Das gilt grundsätzlich für alle Sortimente, wobei man sein Auge vor allem auf Frische-Bereiche und Getränke geworfen hat. Und: „Wir legen Wert auf partnerschaftliche und nachhaltige Zusammenarbeit“, sagt Bernd Kinzig und

betont: „Wir reden auf Augenhöhe miteinander und wollen voneinander lernen.“

Davon können sich Erzeuger und Verarbeiter von Produkten aus Berlin/Brandenburg schon in Kürze selbst ein Bild machen, nämlich am 13. August 2024 beim pro agro-Stammtisch der Ernährungswirtschaft bei Penny-Ost in Teltow. Das sei eine „hervorragende Gelegenheit, mit vorhandenen und potenziellen Partnern zusammenzukommen und Strategien für die Zusammenarbeit zu entwerfen“, heißt es in Teltow. Für Penny jedenfalls ist dieses Informations- und Austauschformat absolutes Neuland: „Wir machen das zum ersten Mal in der Region Ost“, gesteht Bernd Kinzig.

Marktschwärmerei Deutschland: Nach Durststrecke wieder in der Erfolgsspur

Private Atmosphäre: Abholen der Ware in einer Marktschwärmerei.

Zehn Jahre in Deutschland, ein kleines Firmenjubiläum also. Das ist doch schon mal was! Das 2011 in Frankreich gegründete und 2014 in Berlin eingeführte Vermarktungs-Netzwerk hat sich in der letzten Dekade hierzulande etabliert, hat in externen Krisen (Pandemie, Krieg, Inflation) Federn lassen müssen und befindet sich heute wieder auf der Erfolgsspur. Trotz Kosten- und Umsatzkrise in der jüngsten Vergangenheit hat sich gezeigt, dass die Kombination aus Onlineshop und Bauernmarkt ein robustes Geschäftsmodell ist und das Prinzip, Verbraucher und Erzeuger regionaler Lebensmittel zusammenzubringen, weiter auf nachhaltiges Interesse stößt. Felix Virmani (Foto © Franziska Evers), Geschäftsleiter Deutschland, bringt uns auf den neuesten Stand.

Gegenwärtig arbeitet man in der Hauptstadtregion mit 362 landwirtschaftlichen Erzeugern („Partnern“) zusammen, die monatlich insgesamt rund 1.200 Kunden („Mitglieder“) beliefern. In Berlin und Brandenburg gibt es 33 Abholpunkte („Schwärmereien“/„Gastgeber“), wo die bestellte Ware bereitliegt und sich Kunde wie Erzeuger persönlich treffen und austauschen. Die Zahlen mögen niedriger sein als vor der Krise, was aber nicht heißt, dass das Netzwerk-Konzept ein Auslaufmodell ist. Im Gegenteil, wie Felix Virmani, sagt: „Wir haben zwar momentan etwas weniger, aber nach wie vor außerordentlich treue Kunden, deren Warenkörbe immer gut gefüllt sind. Um wieder zu alter Stärke zu gelangen, bedarf es üppiger Marketing-Budgets, über die der kleine Direktvermarkter nur selten verfügt. Da braucht es Geduld und einen langen Atem.“

Natürlich ist das Kaufverhalten der Verbraucher derzeit immer noch von Vorsicht geprägt, aber das Image regionaler Produkte ist weiter ungebrochen positiv: Vertrauen und Verlässlichkeit, kurze Wege und emotionale Bindung an die Region sind immer noch Werte, die bei den Kunden hoch geschätzt sind, selbst wenn man dafür etwas tiefer ins Portemonnaie greifen muss. Eine Bestätigung sieht Felix Virmani darin, dass „selbst die großen Handelsketten in ihrer Kundenansprache bekräftigen, wie wichtig ihnen Regionalität ist“. Abgesehen von hoher Qualität der Produkte, die praktisch Standard sein muss, „liegt unsere Stärke auch darin, dass wir eine

direkte Beziehung zu den Lebensmitteln herstellen und durch den Kaufakt gleichzeitig die Menschen, die hinter den Produkten stehen, sowie das Gewerbe in der Nachbarschaft unterstützen“.

Obwohl die Marktschwärmer ein anderes Geschäftsmodell als der klassische Lebensmitteleinzelhandel praktizieren, dient der LEH gewissermaßen als „Referenz im Angebot frischer Ware bzw. in der Frage regional/nichtregional“. Das bezieht sich nicht nur auf das Sortiment, sondern auch auf die Preistransparenz. So testet Marktschwärmer aktuell eine Produktkategorie, mit der die „guten Preise“ auf der Plattform noch sichtbarer werden sollen. Die Kunden können auf diese Weise feststellen, dass bei den Marktschwärmern im Vergleich zum LEH keineswegs Mondpreise aufgerufen werden. Das ändert nichts daran, dass die Partner, also die landwirtschaftlichen Erzeuger von Lebensmitteln, die Preise für ihre Produkte nach wie vor selbst festlegen.

In diesem Punkt, wie in vielen anderen auch, hat sich das Geschäftsmodell in den vergangenen zehn Jahren nicht verändert. Im Unterschied zu früher hat man jedoch 2023 ein neues Strukturelement eingeführt, das die Erfahrungen und Bedürfnisse vor Ort bei grundsätzlichen Entscheidungen mit einbezieht. Das heißt konkret, dass bei den monatlichen Meetings in der Berliner Zentrale jeweils zwei Personen aus der Gastgeber-Ebene mit von der Partie sind, wenn etwa Marketing- oder Budgetfragen diskutiert werden. Das ist nicht nur gut für’s gegenseitige Vertrauen, sondern berücksichtigt auch stärker die lokalen oder regionalen Bedingungen.

Zum Basissortiment einer jeden Marktschwärmerei gehören Obst und Gemüse, Fleisch, Milch, Eier und Brot. „Es ist unser Anspruch, dass diese Warengruppen flächendeckend zur Verfügung stehen“, sagt Felix Virmani, fügt aber hinzu, dass „es hin und wieder Lücken im Warenkorb gibt, die wir beheben wollen“. Genannt werden in diesem Zusammenhang vor allem Brot und Obst. Das gelte insbesondere für den Raum Berlin/Brandenburg, wo noch ein gewisses Potenzial bestehe.

Zu guter Letzt die Frage: Gibt es einen Jubiläums-Event? Ja, und zwar eine große Verkostungsaktion in über 30 Schwärmereien in ganz Deutschland. Das ist ein Kooperationsprojekt mit der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, dem Bundesverband der Regionalbewegung und anderen. Für die Hauptstadtregion ist auch pro agro als Partner mit im Boot. Wann und wo das Ereignis stattfinden wird, kann man ab Mitte August auf der Website „Tag der Regionen“ einsehen.

Cluster Ernährungswirtschaft Brandenburg: Impulsgeber und Vermittler

Clustermanager Dr. Detmar Leitow (Mitte, Foto WFBB)…

Als Teil der Wirtschaftsförderung Land Brandenburg (WFBB) fungiert das für die Ernährungswirtschaft zuständige Cluster als Netzwerk und Plattform für die Branche der Hauptstadtregion: Menschen zusammenbringen, Projekte initiieren, innovative Kooperationen entlang der Wertschöpfungskette schaffen, Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft herstellen. Ziel der Aktivitäten ist es, die heimischen Erzeuger und Verarbeiter von Lebensmitteln zu unterstützen und im Wettbewerb zu stärken sowie die Zusammenarbeit aller Clusteraktiven zu fördern und nachhaltig zu etablieren.  „Wir verstehen uns als Impulsgeber, Initiator und Moderator gleichermaßen“, beschreibt Clustermanager Dr. Detmar Leitow sein vielseitiges Arbeitsfeld, das er gemeinsam mit seiner Kollegin Janina Löbel verantwortet.

In einem weiter gefassten Sinne versteht sich das Clustermanagement auch als Begleiter und Verbinder der Wirtschaft und Wissenschaft. „Je nach Themenbereich strecken wir unsere Fühler in der eigenen Branche oder an den Nahtstellen zu anderen Wirtschaftsbereichen aus, wo ein nützliches Erfahrungspotenzial besteht“, erklärt der Clustermanager.

… und Projektmanagerin Janina Löbel (links, Foto WFBB/Enters) im Gespräch mit Akteuren aus dem Cluster.

Die Ernährungswirtschaft ist im Bereich der Produktentwicklung und -weiterentwicklung kreativ und innovativ unterwegs. Bei branchenübergreifenden Themen wie Digitalisierung, der bioökonomischen Verwertung von Rest- und Nebenströmen oder der Logistik ist sie jedoch vor allem Anwendungsbranche und damit auf Anstöße anderer Wirtschaftszweige angewiesen. Mit Hilfe des Clustermanagements und geeigneter Kooperationen können innovative und vor allem zielführende, praxisorientierte Lösungen für die Branche gefunden werden. Da wird dann geschaut, wo die entsprechenden Experten sitzen – in der eigenen Branche, in der Wissenschaft oder in sonstigen relevanten Einrichtungen. Durch umfassende Vernetzung mit Experten aller Art kann das Clustermanagement dazu beitragen, dass auch Detailfragen beantwortet werden.

So gesehen hat die Tätigkeit des Clusters viel von einer Vermittlungsagentur, in deren Netzwerk sich die „Gewerke“ befinden, die vor der Vermarktungsstufe operieren: Produktentwicklung, Lebensmitteltechnologie, Lebensmittelrecht und vieles mehr. Bei Fragen der Vermarktung wiederum kooperiert man partnerschaftlich mit dem Marketingverband pro agro, der nicht nur wichtige Kontakte und Zugang zum regionalen Handel hat, sondern auch über eine Fülle von Kommunikationsinstrumenten verfügt. Für Fragen rund um Personal und Arbeitsrecht kann das Clustermanagement z.B. auf die Wirtschaftsvereinigung der Ernährungsindustrie Berlin-Brandenburg (WVEB) verweisen (siehe auch unser Interview im pro agro-Newsletter 06/2024).

Wirtschaftsminister Jörg Steinbach und Clustersprecherin Dorothee Berger umrahmen die Gewinner des Brandenburger Innovationspreises 2024 von Havelmi (Foto MWAE/Maltry).

Über die Vermittlungstätigkeit hinaus (Detmar Leitow bezeichnet sich und Janina Löbel als „Scouts“) besteht eine wesentliche Aufgabe des Clusters darin, Denkanstöße und Impulse zu geben. Das geschieht vornehmlich durch Branchenveranstaltungen, die für die Teilnehmer nicht nur der Informationsaufnahme, sondern auch der Vernetzung durch persönlichen Austausch dienen. Da wäre etwa der „Food Talk Innovative Ideen für die Ernährungswirtschaft“ (am 4. September 2024) oder das Format „Praxis trifft Forschung“ zu nennen; nicht zu vergessen die jährliche „Cross-Cluster-Konferenz“, in deren Rahmen das Wirtschaftsministerium den Brandenburger Innovationspreis vergibt.

Das Cluster Ernährungswirtschaft trägt zwar die Herkunft „Brandenburg“ in seinem Namen, arbeitet aber auch mit Partnern in Berlin zusammen – seien es Lebensmittel- und andere Unternehmen oder Universitäten und vergleichbare Institutionen. Detmar Leitow: „Generell verstehen wir uns zwar als Vermittler. Manchmal sind wir aber auch schlicht Übersetzer – wenn Wissenschaftssprache auf Wirtschaftssprache trifft. Da heißt es hin und wieder dicke Bretter bohren“, schmunzelt er.

Agargenossenschaft Neuzelle: Geschlossene Kreisläufe als Qualitätsmerkmal

„Wir sind ein Mehrfamilienbetrieb im Südosten Brandenburgs“, heißt es auf der Website des landwirtschaftlichen Betriebes. Das klingt ein bisschen nach Understatement, wenn man weiß, was sich hinter dieser Selbstbeschreibung verbirgt: ein mit modernster Technologie ausgestattetes und über 18 Gemeinden bzw. 13 Standorte „verstreutes“ Unternehmen, das sich in der Hand von über 60 Familien, sprich: aktiven Genossenschaftsmitgliedern befindet. Rechnet man die angestellten Mitarbeiter hinzu, summiert sich die Gesamtzahl der Beschäftigten auf 150; und die 5.000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche verteilen sich „wie ein großer Flickenteppich von einem zum anderen Zipfel“ auf ca. 50 Kilometer, so Frank Matheus (Foto), Vorstandvorsitzender der Genossenschaft und damit Chef des multifunktionalen Unternehmens.

Die 1991 gegründete Genossenschaft beackert heute rund 3.500 Hektar Land, das sind etwa 70 Prozent ihrer Gesamtfläche. Die verbleibenden 30 Prozent sind stillgelegt, schwer zu bewirtschaften oder dienen als Rinderweide. Mit Ausnahme der Kartoffeln, die vermarktet werden, sind die angebauten Feldfrüchte (darunter Silomais, Getreide, Luzerne, Lupine oder Sonnenblumen) hauptsächlich den Futtertrögen der Tiere vorbehalten. Nicht umsonst lautet der Firmen-Slogan „Alles aus einer Hand“, wobei hier mehr als nur die praktisch autarke Futterproduktion für die über 2.500 Rinder (darunter 800 Milchkühe) und 2.400 Mastschweine (plus 1.000 Ferkel) gemeint ist: Auch die Verarbeitung zu verkaufsfähigen Produkten geschieht in Eigenregie.

Mit einer Ausnahme: Die rund 8,5 Millionen Liter Milch, die die Kühe praktisch als „Gegenleistung“ für gute Haltung und gehaltreiches Futter abgeben, gehen komplett nach Leppersdorf zu Sachsenmilch und werden dort zu allerlei Mopro-Spezialitäten veredelt. „Wir generieren damit zu wenig Absatz, das rechnet sich für uns nicht“, erklärt Frank Matheus (Foto). Was sich im Unterschied dazu rechnet, ist der Verkauf von Wurst- und Fleischwaren aus eigener Produktion. Dazu betreibt die Genossenschaft einen eigenen Schlachthof mit 16 bis 18 Mitarbeitern, wo im Schnitt 70 Schweine und fünf Rinder pro Woche geschlachtet, zerlegt und zu Wurst (40 Sorten), Schinken, Fleischsalaten und Frischfleisch verarbeitet werden.

Nicht zu vergessen: die Kartoffeln. Sie werden teils direkt an Endverbraucher verkauft oder zu unterschiedlichen Salaten verarbeitet, und zwar ganz im Sinne der regionalen Wertschöpfung, also unter Einsatz von Kunella-Mayonnaise oder Spreewälder Gewürzgurken und anderen heimischen Zutaten. Dabei handelt es sich um eine Spezialität in einem weit gefassten Sinn. Dazu der Genossenschafts-Chef: „Wir ernten rund ein Drittel weniger Kartoffeln als die Kollegen in den großen Anbaugebieten Deutschlands. Außerdem wässern wir unsere Kartoffeln nicht, so dass sie langsamer wachsen und dadurch mehr Geschmack haben. Das macht unseren Kartoffelsalat teurer als den von anderen Herstellern. Und trotzdem wollen die Verbraucher unser Produkt. Vor Weihnachten 2023 haben wir zwei Tonnen pro Woche produziert.“ Dieses Konzept bewährt sich übrigens nicht nur in harter Währung, sondern brachte auch einen geldwerten Vorteil, on top sozusagen: den pro agro-Marketingpreis 2024 in der Kategorie Direktvermarktung.

Vertrieben werden die Produkte hauptsächlich in Brandenburg – sei es in der eigenen Landfleischerei oder dem so genannten Bauernmarkt in Neuzelle, wo unter dem Label „Neuzeller Bauernfleiß“ Fleisch- und Wurstwaren (nebst Imbiss), Kartoffeln und Gemüse sowie sonstige regionale Produkte angeboten werden. Neben zwei weiteren stationären Geschäften in Guben und Eisenhüttenstadt ist zusätzlich ein Verkaufswagen im Einsatz, der die Standorte Eisenhüttenstadt, Cottbus und Müllrose zu festen Wochenmärkten abfährt.

Darüber hinaus zählt die Genossenschaft Großverbraucher wie Gastronomie, Krankenhäuser, Altenheime, Kitas und vergleichbare Institutionen zu ihren Abnehmern. Hier kommt die Großhandelstochter Früchtequelle ins Spiel, die zum Beispiel Kartoffeln in abgepackter Form an Obst- und Gemüsehändler, Raiffeisenmärkte und andere Wiederverkäufer liefert. Zum Portfolio gehört hier auch geschälte Ware für Großküchen in Berlin – immerhin 500 bis 600 Tonnen pro Jahr.

Zu guter Letzt ist man im klassischen Lebensmitteleinzelhandel vertreten, wenn auch (noch) nicht flächendeckend, jedenfalls mit Blick auf Verbreitungsgebiet und Handelspartner. Konkret: Derzeit stehen vor allem selbstständige Kaufleute der EDEKA (einschließlich „nah & gut“) sowie deren filialisierte „Marktkauf“-Großflächen auf der Kundenliste – und auch nicht in der gesamten Hauptstadtregion, sondern lediglich in Brandburg bis vor die Tore Berlins. Und warum nicht bei REWE? „Gelistet werden ist nicht leicht“, sagt Frank Matheus und fügt hinzu: „Da muss man dicke Bretter bohren. Wir wollen erst mal das Geschäft mit EDEKA ausbauen, was aber nicht heißt, dass wir nicht offen für andere Handelsunternehmen sind.“

WVEB als Kompetenzzentrum und Netzwerk

Haus der Wirtschaft in Berlin: Sitz der WVEB und anderer Wirtschaftsverbände (Foto: UVB).

Die Wirtschaftsvereinigung der Ernährungsindustrie in Berlin-Brandenburg (WVEB) repräsentiert einen freiwilligen und solidarischen Zusammenschluss von Unternehmen einer der größten Branchen in der Hauptstadtregion. Die Mitglieder des Verbandes erwirtschaften mit rund 23.000 Beschäftigten mehr als sechs Milliarden Euro Umsatz pro Jahr und vernetzen zahlreiche Industriezweige – von Brauereien bis Süßwarenhersteller. Wir sprachen mit den beiden Geschäftsführern Nils Schuster und Klaus Jeske über Aufgaben und Ziele der WVEB, über die Herausforderungen des Wirtschaftens in schwierigen Zeiten und die notwendige Optimierung der politischen Rahmenbedingungen aus unternehmerischer Sicht.

Was zählt zu den grundlegenden Aufgaben der WVEB?

Schuster: Der Verband ist für seine Mitglieder das Kompetenzzentrum und Netzwerk bei der Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Wir setzen uns ein für eine starke regionale Ernährungsindustrie, damit sich die Unternehmen im globalen Wettbewerb dauerhaft behaupten können. Die WVEB ihrerseits ist Mitglied des Spitzenverbandes der regionalen Wirtschaft, der Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB). Das stärkt noch einmal unsere Stimme für wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen.

Jeske: Wir stehen für die Soziale Marktwirtschaft mit einer Politik, die Wettbewerb, Freiheit und Verantwortung stärkt. Leider geht von den aktuellen Rahmenbedingungen derzeit kein Rückenwind für Wachstum und Beschäftigung aus. Wir hoffen, dass es hier bald eine Trendwende gibt.

Klaus Jeske: Bei den Verwaltungen dauert Vieles zu lange (Foto: Annette Koroll).

Welche Marktgegebenheiten sowie Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen fordern aktuell die Ernährungswirtschaft in Berlin/Brandenburg?

Schuster: Teure Rohstoffe und hohe Energiekosten sind derzeit die größte Belastung für die Lebensmittelproduzenten. Die Lieferketten sind nach der Corona-Krise inzwischen überwiegend intakt. Unsere Unternehmen haben Beschaffungswege stärker diversifiziert und konnten damit ihre Wertschöpfungsketten resilienter aufstellen. Im Zeitalter multipler Krisen überlegen die Verbraucher sehr genau, was sie sich noch leisten wollen. In den vergangenen Wochen hat sich der private Konsum wieder etwas erholt. Offensichtlich kommen die hohen Tarifabschlüsse allmählich im System an.

Jeske: Ein weiteres großes Thema ist der Fachkräftemangel. Einige unserer Mitglieder kooperieren mit Schulen oder Oberstufenzentren. Wir als WVEB fördern diese Bindung an die Schulen, indem wir mit den Initiativen „Partner Schule Wirtschaft Berlin-Brandenburg“ und „netzwerk zukunft“ im Land Brandenburg eng zusammenarbeiten und den Firmen zeigen, welche Möglichkeiten unser Netzwerk in diesem Bereich bietet.

Schuster: Eine Herausforderung wird auch das neue EU-Lieferkettengesetz sein. Wir wissen, dass viele unserer Betriebe langjährige und solide Geschäftsbeziehungen ins Ausland haben und diese sehr pflegen. Damit diese Partnerschaften nicht gefährdet werden, muss die Umsetzung der EU-Richtline so schlank wie möglich geschehen, um die Unternehmen nicht zu überfordern.

Welche Rahmenbedingungen benötigt die regionale Ernährungswirtschaft, um sich im Wettbewerb behaupten zu können?

Jeske: Ganz oben stehen für uns die drei Wahlen, zu der Brandenburg in diesem Jahr aufgerufen ist. Mit Blick auf die Landtagswahl hat sich unser Dachverband UVB klar positioniert: Unsere Branche braucht genügend Gewerbeflächen, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren und einen Investitionsturbo für die wirtschaftsrelevante Infrastruktur – von Glasfaser bis Energiespeicher. Die Region Berlin-Brandenburg ist ein attraktiver Standort, von der breit gefächerten Wissenschaftslandschaft kann die Ernährungsindustrie profitieren. Aber bei den Verwaltungen dauert Vieles zu lange. Dass es auch schneller gehen kann, hat das Projekt Tesla ja bewiesen.

Schuster: Mit großer Sorge beobachten wir, dass das Wohnungsangebot in Berlin und im Umland, etwa in Potsdam, immer knapper wird. Finden Arbeitnehmer hier keine Wohnungen für sich und ihre Familien, führt das, neben der demografischen Entwicklung, zu einer weiteren Verschärfung des Fachkräftemangels. Hier müssen Berlin und Brandenburg gegensteuern.

Nils Schuster: Neues Lieferkettengesetz als Herausforderung (Foto: Annette Koroll).

Welchen besonderen Herausforderungen müssen sich die Unternehmen jetzt und in Zukunft stellen?

Jeske: Digitalisierung, Klima und Nachhaltigkeit sind für unsere Mitglieder wichtige Themen. In Sachen Nachhaltigkeit gibt es zwei Push-Faktoren: Einerseits verlangen die Verbraucher von den Unternehmen gute, innovative Produkte, die umweltschonend hergestellt werden. Und andererseits wollen die Betriebe durch mehr Nachhaltigkeit effizienter werden, indem sie etwa Abwärme besser nutzen, Reststoffe weiter verwerten, ressourcenschonende Produktionsverfahren weiterentwickeln, Prozesse digitalisieren und energieeffizienter arbeiten. Eine umfassende Transformation braucht aber Zeit – schon wegen der Umstellung auf neue Technologien. Hier ist noch Entwicklungsarbeit nötig.

Schuster: In der Ernährungsbranche sind zudem Vertrieb und Logistik immer ein Thema, unabhängig vom Konjunkturzyklus. Im Bereich umweltfreundliche Verpackungen und Prozessinnovationen gibt es große Fortschritte und neue Technologien. Last but not least spielen bei unseren Mitgliedern Qualitäts- und Arbeitssicherheit eine große Rolle. Entsprechend streng und umfangreich sind die rechtlichen Vorgaben. Kontrollmechanismen wie Audits und Zertifizierungsmethoden sorgen zusätzlich für mehr Sicherheit.

Was ist Ihnen bzw. dem Verband darüber hinaus wichtig?

Jeske: Die Öffentlichkeit muss verstehen, dass die Industrie die größten Herausforderungen seit Jahrzehnten bewältigen muss. Unsicherheit, Standortbedingungen, Marktentwicklung – unsere Mitgliedsbetriebe befinden sich in einer Bewährungsprobe. Das hat noch nicht jeder in Politik und Gesellschaft verstanden.

Schuster: Das diskutieren wir intensiv in unseren Gremien. In den Unternehmen gibt es einen hohen Informationsbedarf. Das gilt auch für den Bereich Sozialpolitik, hier stimmen wir uns mit der bundesweit aktiven Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss eng ab. Besonders hervorheben will ich die Einbindung der WVEB in die Industry Innovators Group der UVB. Hier tauschen sich Unternehmen im digitalen Wandel aus – über die Zusammenarbeit mit Start-ups, über Künstliche Intelligenz oder über Cybersecurity.

Verbraucherkampagne startet ab Juli durch

Digitaler Auftritt: Screenshot der Website mit vielen Informationen (Foto: pro agro)

Mit Beginn der Ukrainekrise und den inflationsbedingten Preisentwicklungen bei Lebensmitteln auf breiter Front wirkt sich die Kaufzurückhaltung auch auf kleine und mittelständische Unternehmen der Ernährungswirtschaft in Brandenburg aus. Dessen ungeachtet zeigen Konsumentenstudien aus der Hauptstadtregion die hohe Identifikation mit regionalen Produkten und deren Herstellern. Und da versierte Marketingexperten gerne den Rat geben, antizyklisch zu werben, gilt strategisch der Leitsatz: In der Krise ist nach der Krise. Die Chance, in diesen Zeiten die Einstellungen und nicht zuletzt mittelfristig das Kaufverhalten zu beeinflussen, hatte bereits die Brandenburger Unternehmer-Initiative Ernährungswirtschaft erkannt und mit Kampagnen in den Jahren 2022 und 2023 flankiert.

Im ersten Quartal 2024 hat das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz Brandenburg (MLUK) den Agrarmarketingverband pro agro e.V. mit der konzeptionellen Betreuung und operativen Begleitung einer Fortsetzung der Verbraucherkommunikation im laufenden Jahr beauftragt. „Bis Dezember 2024 stehen 500.000 Euro aus dem Landeshaushalt zur Verfügung, um die positiven Wirkungen regionaler Partnerschaften vom Hof bis ins Regal für unsere Gesellschaft zu verdeutlichen. Es ist uns wichtig, den Dialog mit Verbrauchern kontinuierlich zu gestalten. Denn von einer positiven Haltung zu regionalen Lebensmitteln bis zum Einkauf ist es oft ein weiter Weg“, begründet Minister Axel Vogel die Notwendigkeit für eine nachhaltige Kommunikationskampagne.

In Szene gesetzt: Filmaufnahmen in einem REWE-Supermarkt (Foto: pro agro/Lorelai Wimmer).

Der Verband pro agro wird für den gesamten Zeitraum die Kampagnenführung verantworten. Die Schwerpunkte von Juli bis Dezember werden in einem ausgewogenen Mix von Social-Media- und klassischen Medien-Aktivitäten (TV-, Radio- oder Kinowerbung) liegen. In einem Auswahlverfahren unter vier Agenturen wurde der Auftrag für den Social-Media Part an die Agentur bernd GmbH aus dem Berliner Westhafen vergeben. Das junge Team überzeugte vor allen Dingen durch die Kernidee zur Entwicklung interessanter Inhalte für die Webseite, Facebook, Instagram, youtube und Google.

Mit einem „Tiny-House auf Rädern“ werden die Social-Media-Spezialisten Regionen in Brandenburg besuchen und Geschichten von Unternehmen, Verbrauchern, Landschaft, Luft und Liebe zu Brandenburg produzieren. Dass bei den Rundreisen durch Brandenburg auch Lebensmittelerzeuger und -hersteller zu Wort kommen, ist selbstverständlich. Insgesamt stehen drei Touren auf dem Programm. Ab Juni beginnt die Reise in die Uckermark, in den Barnim und zu Supermärkten in Brandenburg und Berlin. EDEKA und REWE haben hier volle Kooperationsbereitschaft zugesagt.

Die Geschichte mit dem Tiny-House wird in unterschiedlichen Formaten aufbereitet, publiziert und beworben. „Mit der Grundidee einer medialen Reise durch Brandenburg gehen wir mit der Agentur neue Wege. Interessante Botschaften für Verbraucherinnen und Verbraucher zu verbreiten, bedeutet in diesem Fall auch sehr viel inhaltliche Vorbereitung und die engagierte Mitarbeit vieler „Botschafter“ unserer regionalen Identität. Wir haben das Ziel, Kopf und Herz der Berliner und Brandenburger zu erreichen. Dazu gehören auch das kleine Schmunzeln und Überraschungseffekte“, lässt sich pro agro-Geschäftsführer Kai Rückewold vorab bereits ein wenig in die Karten schauen.

Vor der Kamera: Unternehmer Gunnar Hemme im Tiny-House auf Rädern (Foto: pro agro/Lorelai Wimmer).

In Abstimmung mit dem Ministerium wird der Verband die Flankierung der Social-Media-Kampagne durch garantiert reichweitenstarke Medien einplanen. Zeitliche Schwerpunkte dafür werden im September/Oktober und im Dezember liegen. Hier werden Werbespots bei BB-Radio, Werbebudgets für Kinowerbung und hunderte von Plakaten in hochfrequentierten U-Bahnhöfen und in S-Bahnen im öffentlichen Raum für Aufmerksamkeit sorgen. Emotionale Botschafter sind die wesentlichen Produktbereiche des Landes wie Brot, Obst und Gemüse, Milch und Molkereiprodukte oder Fleisch-und Wurstwaren.

Zentraler Kommunikationsanker ist die neue Webseite deine-wahl-regional.de. Da positive Emotionalität in der werblichen Kommunikation kurz und knapp erzeugt werden muss, kommt der neuen Webseite für die Kampagne die Aufgabe zu, komplexere Inhalte für interessierte Menschen aufzubereiten. Von einer stark visuell geprägten Homepage wird es möglich sein, Daten und Fakten zur Ernährungswirtschaft in Brandenburg, die Stationen von Lieferketten, wie zum Beispiel von der Aussaat in den Brotkorb, und nützliche Tipps zum Besuch von Veranstaltungen geben. Zentrales Element sind auch hier die Geschichten vom Tiny-House auf Rädern – ein Bereich, der stetig mit neuen multimedialen Inhalten befüllt wird. Zur Entspannung zwischendurch sind kleinere Gewinnspiele vorgesehen. Die Webseite ist seit dem 1. Juli online. Das Social-Media-Marketing startet im Juli, die Budgetschwerpunkte werden aber erst nach den Sommerferien ausgespielt.

Erschwernisse beim Obstanbau

Foto: Sylvia Schießer

Die deutschen Verbraucher haben sich daran gewöhnt, in den Supermärkten jeden Tag so viel frisches Obst vorzufinden, dass „sich die Balken biegen“. Das betrifft nicht nur die Menge, sondern auch die Vielfalt des Angebots. Und das, obwohl in Deutschland produziertes Obst nicht ausreicht, um die Nachfrage komplett abzudecken: Laut Bundesanstalt für Landwirtshaft und Ernährung (BLE) lag der Selbstversorgungsgrad im Wirtschaftsjahr 2022/23 gerade mal bei 22,7 Prozent. Das heißt, fast die vierfache Menge musste importiert werden. Zur Verbesserung dieses Missverhältnisses wird das Land Brandenburg nur wenig beitragen können. Nach unserer Analyse des Gemüseanbaus in Brandenburg (siehe hier) werfen wir diesmal einen Blick auf die Obstproduktion.

Zunächst die wichtigsten Strukturdaten: Die Experten unterscheiden bei den Obstarten zwischen Baumobst (Äpfel, Birnen, Süß- und Sauerkirschen, Pflaumen/Zwetschgen, Mirabellen/Renekloden u.a.), Strauchbeerenobst und Erdbeeren.

Baumobst. Nach Informationen des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg nahm der Anbau 2022 eine Fläche von insgesamt 1.380 Hektar ein. Das waren 165 Hektar weniger als bei der letzten Erhebung im Jahre 2017. Die Zahl der Betriebe ist mit 116 allerdings gleichgeblieben. Der ökologische Anbau gewinnt mit einem Umfang von 32 Prozent auch beim Baumobst weiter an Bedeutung. Hier wurde die Anbaufläche in den vergangenen fünf Jahren um 80 auf 447 Hektar vergrößert.

Die dominierende Frucht in dieser Kategorie ist der Apfel – mit 59 Prozent bzw. 818 Hektar der zur Baumobsterzeugung genutzten Fläche steht er gleichzeitig an der Spitze des gesamten Obstanbaus in Brandenburg. Die Ernte fiel 2023 mit 18.173 Tonnen spürbar geringer aus als im Vorjahr (26.599 Tonnen). Knapp drei Viertel werden als Tafelobst vermarktet und der Rest als Wirtschaftsäpfel verarbeitet (zum großen Teil vermostet). Trotz weniger Frostphasen im Frühling war nach Aussagen der Brandenburger Obstbauern die wesentliche Ursache für das mäßige Ernteergebnis eine Trockenheitsphase zwischen Mai und Juli; hinzu kamen Schädlingsbefall und lokale Unwetter.

Foto: Stefan Fröhlich

Auffälliges Strukturmerkmal bei Baumobst ist, dass 60 Prozent der Betriebe den Anbau dominieren“, ergänzt Dr. Klaus Henschel, Präsident des Gartenbauverbandes Berlin-Brandenburg. „Im Unterschied zum Gemüseanbau, wo es nur kleine oder große Betriebe gibt, verteilen sich die Größenordnungen hier recht gleichmäßig.“

Mit 240 Hektar Anbaufläche sind Süßkirschen die zweitwichtigste Obstart, mussten aber einen Flächenverlust von 37 Prozent hinnehmen. Den dritten Platz belegten Pflaumen einschl. Zwetschgen mit 121 Hektar. Die Ernteergebnisse dieser Obstarten (wie auch der Birnen, Sauerkirchen und Mirabellen) gingen im Jahr 2023 ebenfalls zurück.

Strauchbeerenobst. Hier ist die Anbaufläche 2023 gegenüber dem Vorjahr leicht auf insgesamt 1.106 Hektar gestiegen. 50 Betriebe waren in diesem Segment tätig, darunter 22 Anbauer, die rund 60 Prozent der Strauchbeerenfläche nach den Prinzipien des ökologischen Landbaus bewirtschaftet. Die Kulturheidelbeere, Brandenburgs wichtigste Frucht in dieser Kategorie, wurde auf 419 Hektar Fläche angebaut gefolgt von Sanddorn (296 Hektar) und Aroniabeeren (knapp 200 Hektar)

Erdbeeren. Die amtlichen Zahlen für das Jahr 2023 sehen folgendermaßen aus: Die gesamte Anbaufläche betrug 231 Hektar, davon gut 191 Hektar im Freiland und knapp 40 Hektar geschützt (also in Gewächshäusern, begehbaren Folientunneln etc.). Die geschützte Anbaupraxis wird auf lange Sicht wegen der sich häufenden Klimakapriolen zunehmen – auch bei anderen Obstarten. Extremwetterereignisse wie Hagel oder Starkregen sowie Spätfröste und lange Hitzeperioden machen vor allem der besonders empfindlichen Erdbeere im Freiland zu schaffen.

Dazu Dr. Henschel: „In diesem Jahr war Obst insgesamt besonders betroffen. Wir mussten streckenweise Ernteausfälle bis zu 100 Prozent beklagen. In Brandenburg haben wir Schäden zwischen elf und 14 Millionen Euro erfasst.“ Was kann man da machen? „Wir haben der Politik gesagt, dass wir Entschädigung brauchen, damit die Betriebe weiter existieren können. Denn die Kosten laufen ja weiter bis zur nächsten Ernte.“ Ergebnis: „Wir werden eine Hilfe bekommen, ich war persönlich beim Ministerpräsidenten“, sagt der Verbandsmanager.

Vermarktet wird das Obst hauptsächlich über „die großen Vier“ des Handels: Edeka, Rewe, Aldi und Lidl. Das bewerkstelligen die großen Betriebe in der Regel über ihre Absatzorganisationen. Zusätzlich bieten sie vor allem während der Spargel- und Erdbeersaison ihre Ware in den allseits bekannten Verkaufsständen an, die für eine begrenzte Zeit in strategisch günstigen Lagen aufgebaut werden. Im laufenden Jahr ist allerdings zu beobachten, dass so mancher Standort mangels Verkaufspersonals geschlossen ist.

Foto: Sylvia Schießer

Hinzu kommt der Absatz über die Direktvermarktung auf Wochenmärkten sowie den lokalen Fachhandel – nicht zu vergessen die Weiterverarbeitungsbetriebe wie Mopro-Produzenten oder das Backgewerbe.

„Die Obsternte selbst ist nach wie vor mit viel Handarbeit verbunden“, erzählt Dr. Henschel. Bei Erdbeeren würden z. B. 60 Prozent der Kosten allein auf die Löhne der Erntekräfte entfallen. „Ich gehe davon aus, dass es keine kurzfristigen Lösungen für den Einsatz von Maschinen gibt, die praktikabel und wirtschaftlich sinnvoll sind. Es wird sich in den nächsten Jahren nichts daran ändern, dass das Obst für den Frischmarkt hauptsächlich per Hand geerntet wird“, lautet seine Prognose.

Was seiner Meinung nach aber Schritt für Schritt kommen wird, ist die Entwicklung zu mehr geschütztem Anbau. Allein bei Erdbeeren habe sich dieses Verfahren seit 2017 mehr als verdreifacht. Dabei sieht er aber schon jetzt folgendes Problem auf die Branche zukommen: „Bei allen Investitionen in den Obstanbau wie Hagelschutznetze, Photovoltaik-Paneele und vergleichbaren Maßnahmen erheben ökobewegte Menschen und Vereinigungen wegen einer Verschandelung der Landschaft sofort die Stimmen. Wir halten jedoch argumentativ dagegen und sagen: Wer künftig trotz der Wetterkapriolen und verstärktem Schädlingsdruck weiter heimisches Saisonobst essen will, muss diesen Anblick in Kauf nehmen.“

Soweit der vom Branchenexperten Dr. Klaus Henschel kommentierte Überblick. Zusätzlich habe wir Statements von zwei Obstbauern eingeholt, die uns einen kurzen Einblick in die Arbeit und Probleme vor Ort geben:

Patrick Ruffert, MEV Märkische Erzeuger- und Vermarktungsorganisation GmbH / Altlandsberg:

„Die an unsere Erzeugerorganisation angeschlossenen Betriebe – z.B. die BB Brandenburger Obst GmbH oder der Biohof Schöneiche – produzieren Obst und Gemüse auf einer Gesamtanbaufläche von über 1.500 Hektar, davon 1.100 Hektar Obst. Jährlich werden ca. 30.000 Tonnen Obst dem Lebensmitteleinzelhandel, dem Großhandel und der Verarbeitungsindustrie (für Säfte oder Apfelmus) zur Verfügung gestellt. Seit geraumer Zeit arbeiten wir unter erschwerten Rahmenbedingungen, vor allem die hohen Energie- und Personalkosten machen uns zu schaffen. Wenn dann, wie in diesem Jahr, auch noch Wetterkapriolen zuschlagen, fallen uns diese Bedingungen schmerzhaft auf die Füße, weil das Geld für wichtige Investitionen fehlt. Um uns für die Zukunft zu wappnen, müssen wir Abläufe an allen Stellen optimieren, Flächen weiter intensivieren, in Witterungsschutz investieren und viel mehr mechanisieren – nicht nur wegen der hohen Arbeitskosten, sondern auch wegen des steigenden Arbeitskräftemangels. Insgesamt müssen unsere angebauten Produkte wieder mehr wertgeschätzt werden!

Lutz Kleinert, Obstgut Marquardt / Potsdam: „Auf dem Obstgut produzieren wir Erdbeeren, Süßkirschen, Pflaumen, Äpfel, Sauerkirschen und Pfirsiche – Erdbeeren, Pflaumen und Äpfel sind dabei unsere wichtigsten Kulturen. Wir sind Direktvermarkter, das heißt unsere Kunden können das Obst auf unserem Hof selbst ernten oder in unseren Hofladen kaufen. Die Äpfel veredeln wir zudem zu eigenen Säften. Das Wissen darum, wie Lebensmittel produziert werden, warum auch EU-Subventionen benötigt werden und kein Geschenk sind, ist nicht mehr allgegenwärtig. Es braucht deshalb bei Groß und Klein wieder mehr Nähe zu den Produkten. Außerdem wünschen wir uns weniger Bürokratie, denn vor allem der Aufwand und die Kosten für Genehmigungen und Zertifizierungen sind enorm. Wir möchten auch in Zukunft Obst im Freilandanbau produzieren – in einer Qualität und zu einem Preis, die unsere Kunden überzeugt. Hierfür werden wir auf Kulturen setzen, die für uns handhabbar sind und zu unseren klimatischen Bedingungen passen.“

Brandenburger Landpartie: Familienerlebnis, Kontaktbörse, Wissenstransfer

Anlässlich der größten Landwirtschaftsschau Brandenburgs öffnen am 8. und 9. Juni 2024 wieder fast 150 Gastgeber Hof, Feld und Stall, um interessierten Besuchern zu zeigen, wie Landwirtschaft funktioniert. Ursprünglich als Begegnungsevent der Erzeuger und Konsumenten von Lebensmitteln konzipiert, ist die Landpartie heute mehr als nur ein familiäres Wochenend-Erlebnis, nämlich auch eine Art Business-Plattform, wo sich Berufskollegen aus Land- und Ernährungswirtschaft begegnen und fachlich austauschen. Darüber hinaus gewährt die Landpartie der Brandenburger Politik praktische Einblicke dort, wo die allseits beschworene regionale Wertschöpfungskette ihren Anfang nimmt.

Die Landpartie wird in Zusammenarbeit von pro agro e.V., dem Landesbauernverband Brandenburg (LBV) sowie dem Brandenburger Landfrauenverband (BLV) organisiert. Ermöglicht wird die Initiative durch das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg. Die zentrale Eröffnungsveranstaltung findet am 8. Juni 2024 ab 10 Uhr in der Agrargenossenschaft Unterspreewald e.G. in Dürrenhofe, einem Ortsteil der Gemeinde Märkische Heide im Landkreis Dahme-Spreewald, statt.

An den beiden Tagen des Wochenendes sind folgende Gastgeber am Start: Landwirtschaftsunternehmen aller Produktionsrichtungen, Forstwirtschafts- und Fischereibetriebe, Pferdehöfe, Obst- und Gartenbauunternehmen sowie landwirtschaftliche Schulungs- und Erlebniseinrichtungen. Auch Direktvermarkter und Verarbeiter landwirtschaftlicher Produkte stellen sich als Partner der Erzeugerebene vor (die Broschüre zu Gastgebern und Angeboten der Landpartie sowie touristische und weitere Informationen finden Sie hier.)

Natürlich geht es vornehmlich darum, dass sich im entspannten Rahmen der Brandenburger Landpartie die heimischen Lebensmittel-Erzeuger und Verbraucher persönlich kennenlernen, ihre Vorstellungen und Wünsche austauschen sowie Verständnis füreinander entwickeln und Vorurteile abbauen.

Im übergeordneten Interesse des Landes – und damit auch der Wirtschaft und Politik – wird allerdings zusätzlich die Erkenntnis gefördert, dass regionale Produkte einen Mehrwert für die gesamte Region darstellen und dass der Endverbraucher durch sein Kaufverhalten seine Umgebung, das Umland und somit die Zukunft Brandenburgs mitgestaltet.

Die folgenden Kurzsporträts von Gastgebern und ihren Angeboten bestätigen den doppelten Charakter der Landpartie, nämlich als Erlebnisbühne für private Besucher sowie als Erfahrungs- und Erkenntnisort für Entscheider aus Wirtschaft und Politik. Hier eine kleine Auswahl von Betrieben für den Blick hinter die Kulissen:

Agrargenossenschaft Ranzig eG (Oder/Spree)

Angebote: Alles aus einer Hand – frisches Fleisch komplett aus eigener Produktion, vom Futter über die Züchtung bis zur Schlachtung und Herstellung von Fleisch- und Wurstwaren. Besichtigung der modernen Milchviehanlage und von Feld und Flur. Profil: Landwirtschaftlicher Haupterwerb, Tierzucht, Milchproduktion und -verarbeitung, Fleischverarbeitung, Direktvermarktung.

Landwirtschaftsbetrieb Domin, Peickwitz (Oberspreewald-Lausitz)

Angebote: Informationen zur Agroforstwirtschaft (mit schnell wachsenden Gehölzen sowie Wertholz- und Obstgehölzflächen), Fleisch- und Wurstwaren aus eigener Schlachtung im Hofladen, Technikschau. Profil: Landwirtschaftlicher Haupterwerb, Teilnehmer am LBV-Projekt „KLIMABAUERN Berlin-Brandenburg“, Ackerbau, erneuerbare Energie (z.B. Hackschnitzel), Direktvermarktung.

Bio Apfelhof Müller, Altlandsberg (Märkisch-Oderland)

Angebote: Hofführungen und Fahrten durch die Obstplantagen mit Erläuterungen zum ökologischen Apfelanbau, Hofladen mit vielfältigem Sortiment (Früchte aus eigenem Anbau, regionale Spezialitäten). Profil: Gartenbau, anerkannter Ökobetrieb, Direktvermarktung.

Gut Kerkow Fleischmanufaktur GmbH, Angermünde (Uckermark)

Angebote: Präsentation, Verkostung und Verkauf von Fleisch- und Wurstwaren aus eigener Aufzucht (u.a. Black Angus-Rinder); Hofführungen einschl. Vorstellung der Metzgerei und Show-Wurstproduktion, Schauvorführungen regionaler Handwerkspartner: Keramik, Filzen, Korbflechten und Schmiedekunst zur Vorstellung ländlicher Fertigungstechniken und des ländlichen Lebens. Profil: Ackerbau, Tierzucht, Fleischverarbeitung, anerkannter Ökobetrieb, erneuerbare Energie (z.B. Biogas), Direktvermarktung.

Keimzelle – Ökologisches Saatgut, Temnitztal (Ostprignitz-Ruppin)

Angebote: Führungen durch Betrieb und Anbauflächen, Einblick in Samenbau und -produktion sowie den Verkauf von Saatgut (Gemüse, Kräuter, Blumen); Vorstellung des Schuhmacherhandwerks durch benachbarten Betrieb. Profil: Gartenbau, landwirtschaftlicher Haupterwerb, anerkannter Ökobetrieb, Samenzucht, Direktvermarktung.

KONTAKT

pro agro – Verband zur Förderung des ländlichen Raumes in der Region Brandenburg-Berlin e.V.

Dennis Kummer

Gartenstraße 1-3, 14621 Schönwalde/Glien

033230/2077-36, kummer@proagro.de

www.proagro.de

mirontell fein & frisch AG: Innovative Geschäftsidee und nachhaltiger Erfolg

„mirontell – der Obstsalat-Hersteller mit Tradition“: So liest sich die Selbstbeschreibung der 2004 gegründeten Familien-AG. Seinerzeit war das Unternehmen, jedenfalls nach heutigen Maßstäben, ein Startup mit einer damals exklusiven und, wie sich gezeigt hat, nachhaltigen Geschäftsidee – nämlich der Herstellung von frischen Convenience-Produkten für Hotellerie, Gastronomie und andere Großverbraucher. Dabei repräsentiert mirontell von Beginn an so ziemlich alles, was einen Mittelständler ausmacht: flache Hierarchien, kurze Entscheidungswege, Geschwindigkeit in allen Belangen. Und was es mit der „Tradition“ auf sich hat, erklärt uns Belinda Scott (Foto), die als angestellter Alleinvorstand die Geschäfte führt: „Wir verstehen darunter die Zusammenführung von Handarbeitsqualität und maschineller Präzision made in Germany“.

Ursprünglich besaß die Gründerfamilie einen Fleisch verarbeitenden Betrieb und hatte deshalb intensive Kontakte in die Küchen von Gastronomie und Hotellerie. Da konnte man sehen, dass die Zutaten etwa für Obstsalate äußerst arbeitsintensiv per Hand geschnippelt wurden. So lag die Überlegung nahe, ein Dienstleistungs-Unternehmen für die Herstellung von verzehrfertigem Obst zu gründen und dadurch das Küchenpersonal von der zeit- und damit kostenaufwändigen Arbeit zu entlasten. Das war seinerzeit eine völlig neue Geschäftsidee und nicht ohne Risiko. Doch was im Wortsinne als Manufaktur mit wenigen Arbeitskräften und einem Output von wöchentlich 100 kg begann, steht heute während der Hauptsaison (Mai bis September) bei täglich ca. 15 Tonnen Obstsalat und sortenreiner Ware. Dazu braucht es nicht nur einen modernen Maschinenpark, sondern auch motivierte Mitarbeiter, 52 an der Zahl.

Manch einer wird sich fragen, was sich hinter dem außergewöhnlichen Firmennamen „mirontell“ verbirgt. Vielleicht eine auf den ersten Blick nicht erkennbare Tätigkeits- oder Produktbeschreibung? „Weder/noch“, sagt Belinda Scott. „Das ist ein reiner Fantasiename, den einer unserer Mitarbeiter damals in die Debatte geworfen hat. Er klingt geheimnisvoll, exotisch und ist sehr einprägsam. Das sorgt für Aufmerksamkeit und ist von hohem Wiedererkennungswert. Wir haben den Namen jedenfalls spontan angenommen und ihn gleich patentieren lassen.“

Da für die Herstellung der Convenience-Produkte in der Regel Südfrüchte eingesetzt werden (müssen), ist eine Zusammenarbeit mit regionalen Obstbauern nur begrenzt möglich, jedenfalls mit Blick auf das gegenwärtige Sortiment. Heute werden sieben Obstsorten verarbeitet: Ananas, drei verschiedene Sorten Melone sowie Äpfel und Orangen. Da können Lieferanten aus unseren Breitengraden kaum mithalten. Aber Not macht bekanntlich erfinderisch: Als aus den Reihen der Kundschaft z. B. die Anfrage kam, einen Obstsalat mit Sanddorn zu kreieren, haben sich die Unternehmens-„Pfadfinder“ sofort auf den Weg gemacht.

Ergebnis: „Wir haben mit der Christine Berger GmbH Kontakt aufgenommen und befinden uns derzeit in der gemeinsamen Findungs- und Versuchsphase für ein marktfähiges Produkt. Das ist keine leichte Aufgabe, da Sanddorn ja eine eher saure und recht dominante Frucht ist“, so Belinda Scott.

Da liegt die Frage nahe, warum heimische Äpfel nicht zum Zuge kommen, davon gibt’s ja genug in Brandenburg. Erklärung: Die verarbeiteten Früchte müssen sehr säurehaltig sein, sonst werden sie schnell braun – ein absolutes k.o.-Kriterium für die Vermarktung von Obstsalaten und Freshcut-Ware, zumal der Hersteller ein Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) von sechs bis zehn Tagen garantiert. Also kommen zum größten Teil die Sorten Granny Smith und Greenstar zum Einsatz. Beide Äpfel neigen nicht zur Braunfärbung, sind aber in Deutschland nicht erhältlich, wohl aber in Südtirol.

Die meisten Produkte kommen aus Übersee. Von Mai bis September beschafft sich das Unternehmen die Melonen aus Spanien, Ananas zum größten Teil aus Costa Rica und Orangen aus Spanien oder Ägypten. Das heißt aber nicht, dass regionale Früchte völlig aus dem Spiel sind. Belinda Scott: „Von Werder Frucht beziehen wir beispielsweise mürbe Äpfel, die wir verarbeiten und als Fertigware an Bäckereien liefern, wo sie für diverses Apfelgebäck verwendet werden.“ Und nicht zu vergessen: der Kürbis eines Brandenburger Bio-Betriebes, den mirontell für die Gastronomie zu Würfeln verarbeitet. „Doch das ist lediglich ein herbstliches Saisongeschäft“, sagt sie.

Die Gebindegrößen beginnen bei 600 gr-Schalen, mit denen aber nur ausgewählte kleine Lebensmittelgeschäfte beliefert werden. Den Löwenanteil machen Großgebinde wie 5 Liter-Eimer aus, in denen sich 3,5 kg Obst und 1,5 Liter-Fonds mit Zitronensäure und Zucker befinden. Analog sieht der Inhalt in den 10 Liter-Eimern aus. Zum Angebot gehören Mischprodukte (Obstsalate) und sortenreine Ware wie geschnittene Orangen und gewürfelte Ananas. Das Unternehmen ist bio-zertifiziert, produziert aber die entsprechende Ware nur in kleinen Stückzahlen, da sie – im Unterschied zum Einzelhandel – bei den Geschäftskunden nicht so gefragt ist. Vermarktet werden die Produkte über den Großhandel an Hotellerie, Gastronomie und Caterer sowie an Großverbraucher wie etwa Krankenhäuser.

„Uns ist grundsätzlich an einer Zusammenarbeit mit Partnern aus Berlin und Brandenburg  gelegen“, bekräftigt Belinda Scott. Vielleicht gebe es ja Obstsorten – wie eben den Sanddorn – „die wir als Innovation in unser Portfolio integrieren können. Hier möchte ich an die Kreativität der Branche appellieren; vielleicht entsteht ja noch das eine oder andere Kooperationsprojekt mit uns. An einer Kontaktaufnahme sind wir jedenfalls sehr interessiert.“

Kaufland: Mehr heimische Produkte in den Regalen

Sonderplatzierung: Prominente Präsentation von Produkten aus Brandenburg.

Mit seinen 87 Filialen ist der Lebensmittelhändler Kaufland in unserer Region gut aufgestellt. Darunter befinden sich allein in Berlin 37 Standorte, was im Vergleich zum Flächenstaat Brandenburg (50 Standorte) viel ist und an der deutlich höheren Einwohnerdichte liegt. Die starke Präsenz des Supermarktes ist gut für die Verbraucher, aber auch für die heimischen Erzeuger und Verarbeiter von Lebensmitteln: Mit durchschnittlich 30.000 Artikeln pro Filiale steht Kaufland für ein großes Potenzial, zumal die Neckarsulmer Zentrale weiter auf die Forcierung von Regionalität setzt. „Wir wollen den regionalen Anteil unseres Sortiments weiter ausbauen und stärken, da unsere Standorte mit den jeweiligen Regionen eng verbunden sind“, bekräftigt Stefan Pammler (Foto), Leiter Warengeschäft Kaufland Region Ost.

In Berlin/Brandenburg arbeitet das Unternehmen mit mehr als 250 regionalen Lieferanten zusammen, die für ca. 3.000 Produkte stehen. Diese Zahlen sollen perspektivisch erhöht werden. Regional heißt bei den Neckarsulmern übrigens, dass die Produkte innerhalb von ca. 30 km um die Filiale herum hergestellt werden. Diese Artikel sind am Regal mit dem für Kunden deutlich sichtbaren „Regio-Herz“mit der Angabe des Bundeslandes und des Produktionsstandortes gekennzeichnet. Bei Artikeln aus dem Bundesland findet der Kunde lediglich das Regio-Herz am Regal.

Im laufenden Jahr plant Kaufland folgende Aktivitäten in der Region:

Regio-Tage. Sie finden 2024 zum dritten Mal in Folge statt, und zwar wie vergangenes Jahr  im Juni. In dieser Zeit bieten die teilnehmenden Filialen bundesweit Verkostungen und Promotions mit den regionalen Lieferanten an; die Artikel werden aufmerksamkeitsstark auf den Stirnseiten der Regale, in den Mittelgängen oder auf separaten Präsentationsflächen platziert. Jede Filiale kann ihren Termin selbst bestimmen und anmelden. Auch die Dauer der Aktion – einen oder mehrere Tage – liegt ganz in Händen der Hausleiter. Umfang und Art der Präsentation hängen natürlich mit der Größe einer Filiale zusammen.

Die Filialen haben hier einen relativ großen Spielraum an individueller Gestaltung und Eigenverantwortung.

Solche verkaufsfördernden Maßnahmen veranstalten größere Filialen nicht nur ein Mal, sondern über den Juni-Termin hinaus individuell mehrfach im Jahr. Außerdem gibt es etliche Märkte, die heimische Produkte auf den so genannten „Regio-Stirnseiten“ dauerhaft übers Jahr präsentieren. „Auf diese Weise können unsere Lieferanten ihre Produkte mit unserer Unterstützung optimal vermarkten“, sagt Stefan Pammler.

Kaufland-Stammtisch. Bei dem Kooperationsprojekt von pro agro und Kaufland handelt es sich um eine Informations- und Austauschveranstaltung mit regionalen Lieferanten auf der einen und den Ansprechpartnern aus der Region des Handelsunternehmens auf der anderen Seite.

Kennzeichnung: Das „Regio-Herz“ auf Preis-Etiketten.

Gerade kürzlich (25. April 2024) hat ein Treffen mit 30 Erzeugern und Verarbeitern von Lebensmitteln im Kaufland Logistik- und Verteilzentrum Lübbenau stattgefunden, wo Stefan Pammler einen Einblick in das aktuelle Marktgeschehen gegeben sowie die Philosophie und Regionalitätsstrategie von Kaufland vorgestellt hat. Ein zentraler Punkt war die klare Botschaft an die Gäste, „dass wir die Zusammenarbeit mit ihnen suchen und die Kontakte vertiefen wollen“.

Mit anderen Worten: Kaufland setzt weiter konsequent auf das Thema Regionalität. Mehr noch: Das Unternehmen hat sich für das laufende Jahr zum Ziel gesetzt, das Angebot von regionalen Produkten weiter zu steigern. Deshalb ist man verstärkt auf der Suche nach regionalen Partnern, um das Lieferanten-Netz vor Ort weiter auszubauen. „Voraussetzung ist allerdings, dass sie – über die notwendigen Qualitätsanforderungen hinaus – die entsprechenden Mengen übers Jahr liefern können. Das muss nicht flächendeckend für Berlin/Brandenburg insgesamt sein, das kann auch nur für eine oder wenige Filialen sein“, so Pammler.

Willkommen bei Kaufland sind also auch kleine Unternehmen, die man gezielt berät und unterstützt. Deshalb ermuntert Stefan Palmer die Lieferanten aus der Region nachdrücklich, keine Berührungsängste zu haben und Kontakt aufzunehmen. „Wir sind keine anonyme und gesichtslose Aktiengesellschaft, sondern ein offenes Unternehmen mit den entsprechenden Werten“, so sein Plädoyer.

Drehnower Hofkäserei: Immer auf Achse

Stilechter Auftritt: Marcel Schallmea (rechts) und sein Kompagnon Jan Kutzbach.

Marcel Schallmea hat seine naturnahe, kreative Leidenschaft vor fünf Jahren zum Haupterwerb gemacht. Schon seit 2012 übt der gelernte Landwirtschaftsmeister das Käsehandwerk aus – erst privat für den Eigenbedarf, dann geschäftsmäßig im Nebenerwerb und schließlich ab 2019 hauptberuflich als Hersteller und Direktvermarkter verschiedener Käsesorten. Den Rohstoff liefern ihm seine Tiere auf dem familieneigenen Hof im Spreewald: 50 Rinder (davon 20 Milchkühe) und ebenso viele Ziegen (davon 29 Milchziegen). Was die Tierhaltung angeht, ist der 70 Hektar große Bio-Betrieb praktisch Selbstversorger: „Wir haben großzügig ausgelegte Weideflächen und bauen Ackergras sowie Getreide an. Außer Mineralfutter kaufen wir nichts dazu“, betont er.

Wer bei ihm Käse kaufen will, muss die so genannte „Spreewald-Alm“ ansteuern. Diesen optisch wie inhaltlich auffälligen Schriftzug tragen nämlich der Hofladen und der mobile Verkaufsstand. Da fragt sich, was hinter der auf den ersten Blick schräg anmutenden Idee steckt, eine Brandenburger Region begrifflich mit den Hochgebirgsweiden der Alpen zu verbinden. Die Antwort: Im Zuge seiner Professionalisierung als Käseproduzent hat Marcel Schallmea (Foto) mehrere Sommer jeweils drei Monate in den Tiroler Bergen auf Hoch- und Mittelalmen verbracht und dort bei natürlichen, also durchaus fordernden Bedingungen, das traditionelle Handwerk gelernt, unter fachkundlicher Leitung selbstverständlich.

„Spreewalder Alm“ steht also nicht nur für eine schöne und lehrreiche Erinnerung des Käse-Profis, sondern gleichermaßen für den erholsamen und ereignisreichen Sehnsuchtsort des einen oder anderen Verbrauchers, der seinen Urlaub in den Bergen verbracht hat. Dieses touristische (und verkaufsfördernde) Element beobachtet er gelegentlich auf seinem landwirtschaftlichen Betrieb, wenn Touristen ihre Fahrradtour unterbrechen, um ein paar Fotos von seinen Rindern zu machen – dem Tiroler Grauvieh mit den großen, ausdrucksstarken Augen, die auf den Brandenburger Weiden eher selten zu sehen sind. „Als ich zur Weiterbildung in den Bergen war, habe ich mich ein bisschen in die Rasse verguckt“, erzählt er augenzwinkernd.

Plakative Aufmachung: Der mobile Verkaufswagen.

Zur Unterstreichung des touristischen Effekts legt er seinen Tieren in den Sommermonaten Sommerglocken an – ein bisschen Marketing-Show muss halt sein. Doch bei aller Begeisterung für die Attraktivität und den sanftmütigen Charakter seiner Tiere ist er doch Unternehmer genug, um gleich ihre geschäftlichen Vorzüge zu preisen, die da lauten: besondere Eignung für die Doppelnutzung (Milch und Fleisch), überdurchschnittliche Milchleistung, gut zu verkäsende Milch. In Zahlen: Pro Jahr verarbeitet er rund 150.000 Liter, die ihm seine Kühe liefern, weit mehr als die ca. 20.000 Liter seiner Ziegen. Das liegt nicht allein an der geringeren Nachfrage nach Ziegenkäse. „Hier handelt es sich streng genommen um Saisonware, da die Ziegen nur von Ende April bis Ende November gemolken werden“, so die Erklärung.

Da Marcel Schallmea seine Ware ganzjährig anbietet, muss das Sortiment stets à jour sein, das heißt in Menge und Vielfalt stimmen. Denn die Verkaufsaktivitäten beschränken sich keineswegs auf Hofladen und vier Wochenmärkte. Neuerdings wird auch ein Verkaufsautomat („Food Box“ in Blankenfelde) mit ausgewählten Produkten beschickt. Hinzu kommen die Grüne Woche, die BraLa und eine große Zahl weiterer regionaler Ereignisse, wo die „Spreewald Alm“ in Gestalt des Verkaufswagens präsent ist. Hier eine kleine Auswahl des Käseangebots:

Aus Kuhmilch: Quark, Joghurt, Frischkäse mit unterschiedlichen Kräutern, Weichkäse nach Feta-Art, Schnittkäse mit unterschiedlichen Kräutern, Grillkäse.

Aus Ziegenmilch: viel Frischkäse, viel Feta-Käse und etwas Schnittkäse. Hier ist das Programm etwas kleiner, da die Ziegen nicht so viel Milch geben.

Immer dabei sind auch Produkte von benachbarten landwirtschaftlichen Betrieben: Fleisch-  und Wurstwaren, Bio-Säfte, Leinöl, Honig und vieles mehr.

Käse in Reih und Glied: Blick in den Hofladen.

Da in der eigenen Käserei noch Kapazitäten frei sind, hat Marcel Schallmea ein weiteres Unternehmensstandbein aufgebaut: Lohn-Käserei für landwirtschaftliche Betriebe, die ihre Milch nicht weiterverarbeiten können oder wollen. Diese Dienstleistung beschreibt er wie folgt: „Ich fahre mit meinem Milchtank zu den Partnern und hole die Milch ab. Die Verarbeitung in unserer Käserei nimmt ca. zwei Tage in Anspruch. Die fertigen Produkte übergeben wir den Auftraggebern bei uns vor Ort. Nach etwa vier Wochen Reifung auf deren Hof können sie die Ware auf eigene Rechnung verkaufen.“

Es gibt inzwischen mehrere Agrarbetriebe, die von dem Angebot regelmäßig, zu bestimmten Anlässen (z.B. Weihnachten) oder unregelmäßig Gebrauch machen. In jedem Fall entsteht eine win-win-Sitation für beide Seiten: Die Auftraggeber vergrößern das Warenangebot ihrer Hofläden, und die Drehnower Hofkäserei schöpft ihre Kapazitäten besser aus. Dazu Marcel Schallmea: „Interessierte Betriebe im Radius von ca. 100 km nehmen wir noch gerne an. Allerdings müssen die Partner eine Mindestmenge von 700 Litern bereitstellen: Das ist eine Kesselfüllung und ergibt zwischen 75 und 80 kg Käse.“

Regionalität bei Edeka in Berlin/Brandenburg

Sonderplatzierung: Marktplatz für regionale Produkte.

Dass die EDEKA Minden-Hannover, die größte Regionalgesellschaft im EDEKA-Verbund, ein großes Herz für qualitativ hochwertige Lebensmittel hat, gehört gewissermaßen zur DNA der EDEKAner. Da befindet sie sich ganz im Einklang mit der zentralen und allgegenwärtigen Losung „Wir lieben Lebensmittel“. Das besondere Augenmerk gilt dabei den regionalen Produkten bzw. den verlässlichen und nachhaltigen Beziehungen zu Erzeugern und Verarbeitern vor Ort. Diesen Anspruch in Berlin und Brandenburg (sowie Sachsen-Anhalt) umzusetzen, ist Aufgabe von Regionaleinkäufer Marcus Reh. Seine Tätigkeit versteht er – ganz im Sinne eines einheitlichen und partnerschaftlichen Konzepts – folglich nicht allein als Warenbeschaffer, sondern auch als Berater kleiner und mittelständischer Lieferanten. Und das auf Augenhöhe.

In Berlin und Brandenburg gibt es 377 EDEKA-Märkte, die insgesamt über 5.000 regionale Artikel von gut 500 Lieferanten führen. Dazu gehören Obst und Gemüse, Eier, Milchprodukte sowie Wurst- und Käsespezialitäten – jeweils konventionell oder bio und alles quasi von nebenan, sei es vom landwirtschaftlichen Erzeuger oder vom Verarbeiter der Lebensmittel. Und was heißt bei EDEKA „regional“? Dazu Marcus Reh: „Die Ware kommt aus Berlin/Brandenburg, und die Wertschöpfung – von der Erzeugung über die Verarbeitung bis zur Vermarktung – muss hier gewährleistet sein.“  Unter diese Definition fällt beispielsweise auch der hierzulande geröstete und verkaufte Kaffee, obwohl der Rohstoff eben nicht aus der Region stammt.

Was das Geschäft mit regionalen Produkten angeht, sieht er inzwischen wieder ein bisschen Licht am Horizont. Deren Absatz ist bekanntlich im Zuge der krisenhaften Entwicklungen zurückgegangen; die Verbraucher waren nicht mehr bereit, die dadurch verursachten höheren Preise zu bezahlen und schalteten seinerzeit auf Spar-Modus um. Auch Bio-Produkte blieben nicht davon verschont. Inzwischen sehen die Perspektiven, so Reh, allerdings etwas besser aus, wenn auch der Absatz nur in kleinen Schritten wächst. Immerhin: „Ich bin sicher, dass es mit den Umsätzen regionaler Produkte wieder voran geht“, bekräftigt er.

Marcus Reh: Regionaler Einkäufer und Berater.

Hat es ein regionales Produkt von der Listung über den Ordersatz zu guter Letzt in den Laden geschafft, dann absolviert es mehrere Platzierungsstufen. „Bei kleineren Lieferanten macht es in der Anfangsphase natürlich Sinn, deren Produkte separat herauszustellen“, erklärt Reh. „Das schafft höhere Aufmerksamkeit. Wenn das Produkt dann mehr oder weniger eingeführt ist, sich also im Bewusstsein unserer Kunden etabliert hat, kann es in den entsprechenden Sortimentsregalen platziert werden.“ Auch hier lassen sich mit Hilfe von Regalstoppern zusätzliche Kaufanreize schaffen. Dann funktioniert der Abverkauf „richtig gut“, wie er sagt, was ja auch im Interesse der Supermarkt-Betreiber liegt.

Um die Regionalitätsstrategie der EDEKA mit Leben zu füllen, das heißt den Kontakt und Austausch mit Berliner und Brandenburger Lieferanten zu vertiefen und zu verstetigen, sind für das laufende Jahr u.a. folgende Aktivitäten geplant:

Digitale Unternehmersprechstunden: Dabei handelt es sich um ein während der Coronazeit eingeführtes Videotelefonat, als persönliche Begegnungen schwierig oder unmöglich waren. Dieses für den Lieferanten zeitsparende Format wird von pro agro organisiert und moderiert. Marcus Reh führt drei Tage lang relativ eng getaktet individuelle Videogespräche mit einzelnen Lieferanten. Das ermöglicht einen intensiven Austausch und baut Berührungsängste der Lieferanten ab. Die nächste „Runde“ findet Anfang Juni statt.

EDEKA-Warenbörsen: Fünf- bis sechs Mal im Jahr treffen sich auf Einladung des Händlers in wechselnden Locations regionale Lieferanten und Kaufleute. Neben dem persönlichen Austausch gibt diese Veranstaltung der EDEKA Gelegenheit, über Zahlen, Konzepte und Aktivitäten zu informieren. Die Lieferanten wiederum können im Rahmen einer kleinen angeschlossenen Messe ihre Produkte präsentieren. In der Regel nehmen insgesamt rund 300 bis 400 Personen daran teil.

Großbaustelle: Christian Dorfmann (r.) präsentiert seinen Zukunftsmarkt.

EDEKA-Stammtisch: Auf der von pro agro organisierten Informations- und Austauschveranstaltung treffen sich regionale Lieferanten sowie Vertriebs- und Einkaufsentscheider der EDEKA Minden-Hannover. Inhaltlich wird hier über relevante Handelsthemen bzw -konzepte berichtet und diskutiert. Das jüngste Treffen fand kürzlich (16. April) in Nauen statt, wo der Kaufmann Christian Dorfmann seinen noch im Bau befindlichen EDEKA-Zukunftsmarkt und sein Konzept der intensiven Zusammenarbeit mit regionalen Lieferanten vorstellte. Der Zukunftsmarkt wird im Spätsommer 2024 die Tore öffnen (wir hatten darüber im pro agro-Newsletter 11/2023 berichtet).

Hans-Ulrich Schlender: Starker Verfechter von Regionalität.

Kurzum: Die EDEKA ist mit dem Thema Regionalität fest verwurzelt. Ein Garant dafür ist zeit seines Händlerlebens auch Hans-Ulrich Schlender gewesen. Der Geschäftsführer und Vertriebschef der Region, der jetzt in den Ruhestand geht, hatte stets ein Auge darauf, dass die Märkte in seinem Verantwortungsbereich ihre Sortimente um regionale Produkte bereichern. In seinen 46 Berufsjahren – erst bei Reichelt, dann bei EDEKA – sei er stets „ein starker Verfechter von Regionalität“ gewesen und habe die heimischen Lieferanten gefördert, so Marcus Reh. Und: „Wir werden auch künftig die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit ihnen unterstützen. Das hat der Vorstand der Regionalgesellschaft Minden-Hannover erst Anfang des Jahres wieder bekräftigt.“


Gemüseanbau: Selbstversorgung auf dem Prüfstand

Der Verzehr von Gemüse legt die Basis für eine gesunde Ernährung. Darauf weist nicht nur die Medizin mit groß angelegten Studien und Abhandlungen hin. Auch die Politik ermuntert mit verbrauchernahen Publikationen, Veranstaltungen oder Kommunikationskampagnen die Bevölkerung, diese Erkenntnis ernst zu nehmen und in der täglichen Praxis umzusetzen. (Manchmal kommt sie sogar mit erhobenem Zeigefinger daher). Alle Welt redet jedenfalls über die gesundheitlichen Aspekte von Gemüse. In Zeiten, in denen der Kauf regionaler Produkte aufwändig propagiert und die Stärkung der regionalen Wertschöpfungsketten plakativ gefördert wird, stellt sich also die Frage, wie es um die heimischen Gemüseerzeugung bestellt ist. Wir sind der Frage für Brandenburg nachgegangen.

Ende Februar 2024 lagen die Zahlen des Vorjahres frisch auf dem Tisch: Nach einer Mitteilung des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg war die Anbaufläche für Freilandgemüse von 2022 auf 2023 um 360 Hektar auf 6.100 Hektar zurückgegangen. Trotzdem fiel die gesamte Erntemenge mit 98.000 Tonnen um 8 Prozent höher als 2022 aus. Umgekehrt sah die Entwicklung indessen beim Gemüseanbau in Gewächshäusern aus: Die geschützten Flächen legten im gleichen Zeitraum zwar um fünf auf 58 Hektar zu, aber die Erntemenge – im Wesentlichen Tomaten und Gurken – stürzte um 4.400 Tonnen auf nur 10.800 Tonnen ab. Bio machte mit knapp 580 Hektar rund neun Prozent der Gemüsefreilandfläche aus. Die Gesamterntemenge ging hier um 30 Prozent auf 5.700 Tonnen zurück.

Ein Blick auf die Haupt-Gemüsearten, die in unserer Region angebaut und vermarktet werden, zeigt dieses Bild: Die dominierende Kultur ist der Spargel (3.500 Hektar – im Ertrag stehend, 22.200 Tonnen), gefolgt von Einlegegurken (470 Hektar, 34.800 Tonnen) und Möhren (360 Hektar, 21.700 Tonnen). Unabhängig vom Ranking stellten Speisekürbisse 2023 mit 7.400 Tonnen einen Ernterekord auf: Das waren über 70 Prozent mehr als im Vorjahr, obwohl die Anbaufläche um 30 Hektar zurückgegangen war. Soweit die blanken Zahlen, was die Hauptkulturen betrifft.

Foto: Volkmar Heinz

„Generell haben wir in Brandenburg einen sehr breit gefächerten Anbau“, erläutert Dr. Klaus Henschel (Foto), Präsident des Gartenbauverbands Berlin-Brandenburg, und spricht damit die Flächenstruktur bzw. -verteilung des Gemüses an: Die Flächen werden dominiert von einigen wenigen Kulturen, die von insgesamt 4.430 Hektar (Spargel) bis zu 16 Hektar (Hülsenfrüchte bzw. Bohnen) runtergehen. „Das ist fast gar nichts“, sagt er zu den Bohnen.

Die große Spannweite spiegelt sich in den Betriebsgrößen wider: Von den 175 Brandenburger Gemüseanbauern, so der Verbandspräsident, verfügen 37 über weniger als einen Hektar Fläche; mehr als die Hälfte aller Betriebe hat ein bis zwei Hektar, während 20 Betriebe mit jeweils über 50 Hektar insgesamt 5.300 Hektar bewirtschaften.

Das sind mehr als 80 Prozent der gesamten Anbaufläche. „Wir haben also nicht nur eine sehr breite Streuung der Betriebsgrößen“, analysiert er. „Auffällig ist außerdem, dass wir in Brandenburg entweder kleine oder große Betriebe haben, es fehlt die Mitte“.

Diese außergewöhnliche Branchenstruktur hat in der wirtschaftlichen Praxis einen folgenschweren Effekt: Die Großen können ihre Listungsgespräche mit dem Lebensmittelhandel auf Augenhöhe führen, das heißt sie können ein großes Rad in Sachen Liefermengen, Logistik und Preisgestaltung drehen; da die Kleinen hier nicht mithalten können, sprich: nicht konkurrenzfähig sind, fühlen sie sich der „Marktmacht“ des Handels ausgeliefert. Als Absatzalternative bleibt ihnen nur die aufwändige (arbeitsintensive) Direktvermarktung über Hofläden, Wochenmärkte und andere (Nischen-) Kanäle. Steigende Kosten (Personal, Energie, Bürokratie und vieles mehr) tun ein Übriges, dass immer mehr kleinere Betriebe aufgeben.

„Heute gibt es in Brandenburg nur noch drei Betriebe, die Salatgurken anbauen“, betont der Verbandspräsident. Generell werde sich die Brandenburger Bevölkerung zunehmend mit Produkten aus dem Ausland versorgen müssen. Das seien alarmierende Entwicklungen, zumal sich die Politik des Landes das Thema „Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten“ auf die Fahnen geschrieben habe. Überdies erwartet er, dass im Gemüseanbau verstärkt Maschinen eingesetzt werden, um die Arbeitskosten einigermaßen aufzufangen. „Ein Bio-Betrieb mit Freilandgemüse setzt in diesem Jahr erstmals einen Roboter ein, der sieben Tage in der Woche rund um die Uhr Unkraut bekämpft, um die Arbeitskosten in Schach zu halten “, erzählt er.

Heute schon sei auch der Einsatz von Spargel-Erntemaschinen vorstellbar, die über‘s Feld rollen, den Spargel erkennen und ernten und ihn fein säuberlich in Kisten stapeln. „Das ist technisch durchaus möglich, aber für Kleinbetriebe nicht bezahlbar. Selbst Großbetriebe schütteln solche Investitionen nicht aus dem Ärmel. Doch bei weiter steigenden Lohnkosten ist diese Form der Automatisierung durchaus denkbar, dann aber eher für Betriebe ab 20 Hektar Fläche und nicht für kleine Einheiten“, sagt er.

Soweit der vom Branchenexperten Dr. Klaus Henschel kommentierte Überblick. Zusätzlich habe wir Statements von zwei Gemüsebauern eingeholt, die uns einen Einblick in die Arbeit und Probleme vor Ort geben:

Rixmanns Hof, Linum

Sabine Schwalm und Georg Rixmann bauen in ihrem Familienbetrieb auf gut 15 Hektar Obst und Gemüse an. Aus eigenem Anbau gibt es 2024 über 120 Kürbissorten, 28 Sorten Tomaten, 17 Sorten Möhren, 9 Sorten Bete. Statement von Georg Rixmann:

„Als kleiner Betrieb muss man seine Nische finden, unsere ist Sortenvielfalt – Sorten, die man im Angebot des Lebensmitteleinzelhandels nicht finden kann. Wir vermarkten direkt, das heißt wir verkaufen die Produkte auf unserem Hof und liefern sie zusätzlich an ausgewählte Restaurants und Kantinen in Berlin und Brandenburg. In Brandenburg haben wir keinen richtigen Erzeugerverband, der Vermarktung und Vertrieb für uns kleinere Betriebe bündelt. Es fehlt uns zudem massiv an Nachwuchs und Bildung für und über unsere Branche. Das Wichtigste ist jedoch, dass die Überregulierung und die bisweilen absurde Bürokratie entschärft wird. Alles in allem sitze ich mit dem Gesamtpaket an Bürokratie zwei Tage in der Woche nur im Büro.“

Gurkenhof Frehn, Steinreich

Der familiengeführte Betrieb baut auf rund 820 Hektar Fläche eine große Gemüseauswahl an. Zu den wichtigsten Produkten zählen Schäl- und Einlegegurken sowie Weiß- und Rotkohl. Statement von Heinz-Peter Frehn: „Gemüse-Anbau ist sehr personalintensiv. Pro Hektar und Jahr investieren wir rund 3.000 Arbeitsstunden. Das liegt zum Beispiel daran, dass wir mindestens 25 Mal an derselben Stelle die nachgewachsenen Gurken ernten müssen. Für unsere Bio-Zwiebeln setzen wir deshalb neuerdings auf sogenannte „Farmdruide“, also Roboter, die KI-gestützt Aussaat und Harken übernehmen. Anders als in den letzten 20 Jahren ist jetzt und perspektivisch wegen der bescheidenen Böden in Brandenburg das Thema Wasserversorgung für den Gemüseanbau wesentlich. Unser bürokratischer Aufwand für einen Antrag auf Brunnenbohrung ist immens. Die statistischen Anforderungen z.B. zur Erhebung von Flächendaten ebenso. Zur Bewältigung dieser unproduktiven Arbeit musste ich eigens jemanden einstellen. Mit Blick auf die Bekanntheit und Wertschätzung unserer Arbeit wünsche ich mir außerdem, dass auf Gemüse-Konserven bzw. Eigenmarken des Handels offen deklariert wird, wer das Produkt wo hergestellt hat. Meist findet man dort nur den Hinweis „Produziert für…“.

Doppel-Interview mit LBV Brandenburg und pro agro

Denny Tumlirsch, Landesbauernverband Brandenburg (links), Kai Rückewold, pro agro (rechts)

Definitorisch sind Land- und Ernährungswirtschaft getrennte Wirtschaftsbereiche: Primärwirtschaft oder Urproduktion auf der einen Seite, verarbeitendes Gewerbe auf der anderen. Doch in der ökonomischen Praxis sind sie eng miteinander verflochten – ohne Landwirtschaft keine Ernährungswirtschaft. Beide Bereiche haben folglich in der aktuellen Situation mit je spezifischen, aber auch gemeinsamen Problemen zu kämpfen. Unter der Fragestellung „Land- und Ernährungswirtschaft in den östlichen Bundesländern – Haben Politik und Gesellschaft noch Realitätsbezug zum ländlichen Raum?“ haben wir Gespräche mit der Erzeuger- und der Verarbeiterebene geführt. Gemäß der Logik der Wertschöpfungskette steht das Interview mit dem Brandenburger Landesbauernverband (LBV) bzw. seinem Geschäftsführer Denny Tumlirsch am Anfang, gefolgt von Fragen an Kai Rückewold, Geschäftsführer des Agrarmarketingverbandes pro agro.

Herr Tumlirsch, was haben die bundesweiten Bauernproteste den Betrieben in Brandenburg substanziell gebracht?

Zunächst müssen wir unterscheiden zwischen der Bundes- und Landesebene. Auf Bundesebene konnten wir erreichen, dass mehr als 50 Prozent der ursprünglich geplanten Steuererhöhungen nicht gekommen sind. Das ist vor allem dem massiven Protest auf der Straße, aber auch den vielen Gesprächen im Hintergrund zu verdanken. Weiterhin arbeitet die Bundes- und sogar EU-Ebene an dem Thema Entbürokratisierung. Hier ist auch die Verbindung zur Landesebene: Wir haben die Ausgleichszulage über 2025 hinaus sichern können, nachdem Ministerpräsident Dietmar Woidke ein Machtwort gesprochen hat. Darüber hinaus werden Ackerrandstreifen nun dauerhaft gefördert. Im Rahmen der Entbürokratisierung haben wir der Landesregierung 55 Punkte vorgelegt, an denen wir sehr konstruktiv arbeiten. Die Proteste waren der Auftakt, jetzt läuft die politische Arbeit.

Mit welchen Hauptschwierigkeiten kämpfen die Landwirte in Brandenburg und den östlichen Bundesländern? Was sind die drei existenziell wichtigsten Kernthemen?

Die Landwirtschaft wird immer komplexer, so dass eine Begrenzung auf drei Kernthemen schwierig ist. An erster Stelle steht sicher die betriebswirtschaftliche Situation der Betriebe: volatile Märkte, steigende Kosten. Das klassische Unternehmerrisiko also. Allerdings haben Landwirtschaftsbetriebe aufgrund der sehr hohen Regulierungsdichte nicht dieselbe Freiheit wie in vielen anderen Branchen. Dazu kommt die zunehmende Unwägbarkeit infolge des Klimawandels. Betriebe haben keine ausreichenden Möglichkeiten, so frei Anpassungen vorzunehmen, wie sie wollen oder können. Hier braucht es vor allem Hilfe zur Selbsthilfe und nicht weitere Einschränkungen und Beschränkungen wichtiger Instrumente. Dabei denke ich z. B. an die dauerhaft schwelende Diskussion um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Die Reduktion der einkommenswirksamen Komponente in der Agrarförderung potenziert das Problem nur weiter. Förderung muss wieder stärker die Stärkung der Betriebe im Blick haben.

Haben Sie den Eindruck, dass Politik die Bedeutung der Land- und Ernährungswirtschaft für den ländlichen Raum wirklich versteht?

In Deutschland ist sehr vieles selbstverständlich geworden: bei der Politik, in der Verwaltung und bei den Verbrauchern. Es ging allen schlicht zu gut. Die Proteste haben gezeigt, dass in Teilen riesige Lücken klaffen. Wir sehen einzelne wirklich bemühte Personen, die sich für einen Interessensausgleich der Zielkonflikte einsetzen. Leider sehen viele Verantwortliche die Landwirtschaft nicht als Partner und sozialen Anker im ländlichen Raum, die Ernährungswirtschaft als wertschöpfenden Veredler im ländlichen Raum. In anderen Ländern ist die eigene Versorgung als Teil der Daseinsvorsorge staatliche Aufgabe, und auch die Wertschätzung für Lebensmittel ist deutlich höher.

Mit dem Neuen Brandenburger Weg vor einigen Jahren und dem aktuellen Weißbuch des LBV hat der LBV immer wieder konkrete Vorschläge gemacht, wie die Zukunftsfähigkeit von Wertschöpfungsketten vom „Hof ins Regal“ angegangen werden kann. Gibt es aus Ihrer Sicht Fortschritte?

Der Neue Brandenburger Weg kam in einer Zeit, als es der Bevölkerung gut ging: geringe Inflation, billige Energie, faktischer Überfluss. Das Papier ist heute wie vor vier Jahren noch richtig, kam aber vielleicht zu einem ungünstigen Zeitpunkt, weil viele Verantwortliche dachten, dass es schon weitergehen wird. Allerdings sehen wir jetzt, dass die Betriebe immer mehr in Bedrängnis geraten. Daher haben wir in diesem Jahr das Weißbuch entworfen, wo wir ganz konkrete Umsetzungsziele benennen, die wir als wichtig identifiziert haben. Wir gehen davon aus, dass das Land einen großen Teil der 55 Punkte zur Entbürokratisierung schnell umsetzt. Ansonsten werden wir infolge der Wahl im September 2024 den Koalitionsverhandlern im Bereich Landwirtschaft das Weißbuch aktiv zukommen lassen, damit so viele Ansätze wie möglich in den nächsten Koalitionsvertrag Eingang finden.

Wie beurteilen Sie die Bemühungen von Unternehmen der Ernährungswirtschaft und pro agro mit Werbekampagnen den Absatz regionaler Markenprodukte zu fördern?

Es ist wichtig, dass sich die Ernährungswirtschaft Gehör verschafft. Als Folgeglied unserer gemeinsamen Wertschöpfungskette hängt auch das Ergebnis der Landwirtschaft am Erfolg der Ernährungswirtschaft. Darüber hinaus haben regionale Lieferbeziehungen den Vorteil, dass die Partner meist auf Augenhöhe verhandeln und nicht mit der dritten oder vierten Ebene eines hunderte Kilometer entfernten Unternehmens sprechen müssen, die selbst nichts entscheiden können.

Wie sehen Sie die Entwicklung der Landwirtschaft Brandenburgs in den kommenden fünf Jahren?

Vieles hat die Branche selbst nicht in der Hand. Kriege, Pandemien und Inflation sind Beispiele dafür. Weiterhin wird das Wahlergebnis im September einige Auswirkungen haben. Wichtig sind stabile Verhältnisse, und nach einer Legislatur meine ich, dass Dreier-Koalitionen schwierig sind. Unabhängig von diesen externen Faktoren bin ich guter Dinge, da ich viele Betriebe kenne und noch mehr vermute, die sich stetig weiterentwickeln, um die Herausforderungen von morgen und übermorgen zu meistern. Die Brandenburger Landwirtschaft befindet sich seit 1990 in einer steten Entwicklung. Wichtig wird sein, den hohen Grad der Professionalisierung zu erhalten und nicht zu einer Verwässerung mit der bloßen Landschaftspflege zu kommen. Wir als LBV versuchen unseren Beitrag dazu zu leisten.

Im Vorfeld der BRALA 2024 kommt die gute Fee bei Ihnen vorbei und will Ihnen drei Wünsche erfüllen…Was wünschen Sie sich für die Land- und Ernährungswirtschaft in Brandenburg?

1. Produktion muss sich lohnen. Die wirtschaftliche Stabilität ist in den Betrieben auf Dauer gesichert und die Langfristperspektive macht auch jungen Menschen Mut, Verantwortung zu übernehmen und ins Risiko als Unternehmer zu gehen, Anpassungen an den Klimawandel werden gefördert.

2. Grundlegendes Vertrauen von Politik, Verwaltung und Bevölkerung in die Fähigkeiten der Fachleute, dass neben der Ertragsoptimierung auch die nachhaltige Produktion bzw. Verarbeitung ein wesentliches Ziel ist.

3. Die Umsetzung des Weißbuchs zum Zukunftsplan Landwirtschaft.

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Herr Rückewold, die Stärkung regionaler Lebensmittelproduktion war in einer kurzen Phase der Corona-Pandemie eines der „heißen“ Themen. Viele Beobachter des Marktes sind heute ernüchtert. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe?

In der Corona-Pandemie lag für viele Menschen der Fokus auf dem Thema Ernährung. Restaurantbesuche, Reisen oder andere Freizeitaktivitäten waren eingeschränkt. Das Essen zu Haus war wichtig, und die Regale waren hin und wieder weniger gefüllt. Das führte zu einem stärkeren medialen Push für regionale Lieferketten durch die Medien und zu einer dankbaren Aufnahme durch Konsumenten. Ob im Supermarkt, auf dem Markt oder im Hofladen – da war echtes Interesse und eine Wertschätzung. Billig, billig stand nicht unbedingt an erster Stelle.

Die Bauernproteste können auch Ihren Verband, der sich um die Stärkung der heimischen Ernährungswirtschaft bemüht, nicht kalt gelassen haben. Wie beurteilen Sie die Erfolge der Bauernproteste, was bleibt aus Ihrer Sicht als Zukunftsperspektive übrig?

Es ist dem Berufsstand für einige Wochen erneut gelungen, in das Zentrum der Wahrnehmung zu rücken. Bereits 2019 hatten die Bauernproteste ja unter der Merkel-Regierung bewirkt, dass eine Zukunftskommission und die Borchert-Initiative entstanden sind. Ich hoffe, dass die Landwirtschaft wirkliche Angebote aus der Politik erhält. Meine Befürchtung bleibt jedoch, dass der Land- und Ernährungswirtschaft mittelfristig nicht ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt wird. Andere Konzern-Industrien scheinen wichtiger zu sein. Es darf nicht sein, dass nur dann, wenn die Traktoren rollen, eine Sensibilisierung für die systemrelevante Wertschöpfungskette regionaler Lebensmittelerzeugung in den Parlamenten entsteht.

Mit einer Unternehmer-Initiative der Ernährungswirtschaft „Regionale Lebensmittel einkaufen – jetzt erst recht!“ wurde in Brandenburg versucht, dem inflationsbedingten „Run“ auf Billigprodukte entgegenzuwirken. Haben die Bemühungen etwas gebracht? Wie ist die Lage der Ernährungswirtschaft im Mai 2024 zu beurteilen?

Es ist ein bemerkenswerter Einschnitt gewesen, dass Unternehmen gemeinsam auf die Notlage öffentlichkeitswirksam reagiert haben. Das hat auch innerhalb der Branche zu mehr Solidarität geführt. Die Lage 2024 ist nach wie vor bedrohlich, denn Kostensteigerungen bei Personal, Energie, Verpackung oder Logistik werden nicht durch den Handel kompensiert. Die Verbraucher wollen aktuell an Lebensmitteln sparen, um sich Mieten, gestiegene Energiekosten, Reisen oder den Kauf anderer Konsumgüter leisten zu können. Schade ist es, dass der Handel bei Eigenmarken so zugeschlagen hat – billig ist mehr in Mode als je zuvor. Das Land Brandenburg hat sich in einem Landtagsbeschluss dafür ausgesprochen, weiterhin Konsumenten über die Vorteile einer regionalen Lebensmittelproduktion kommunikativ anzusprechen. Wir bereiten aktuell eine breit angelegte Kampagne vor.

Wie sehen Sie die Entwicklung der Brandenburger Ernährungswirtschaft für die kommenden Jahre?

Ich bin Optimist und glaube an die Kraft mittelständischer Unternehmerinnen und Unternehmer. Allerdings habe ich in den letzten 20 Jahren selten eine so schlechte Stimmung wahrgenommen. Zu befürchten ist eine weiterhin zunehmende Konzentration. Inhabergeführte Unternehmen und die letzten Ost-Marken werden weiter um das Überleben kämpfen müssen.

Im Vorfeld der BRALA 2024 kommt die gute Fee bei Ihnen vorbei und will Ihnen drei Wünsche erfüllen…Was wünschen Sie sich für die Land- und Ernährungswirtschaft in Brandenburg?

Als erstes würde ich mir wünschen, dass sie der Gesellschaft wieder mehr Realitätssinn und Richtung einhaucht. Aus meiner Sicht geht beispielsweise die Diskussion um Ernährungsstrategien, weniger Fleisch und Veganismus an einer Mehrheit der Menschen vorbei. Dennoch bewirkt sie Marktverunsicherungen in starkem Maß. Zudem wünsche ich mir eine fairere Lieferkette, so dass vom Ladenendpreis bei Verarbeitern und Erzeugern mehr übrigbleibt. Und zuletzt wünsche ich für uns alle die Rückbesinnung auf gutes Essen in und aus der Region.

Kontakt LBV

Landesbauernverband Brandenburg e.V.

Denny Tumlirsch, Geschäftsführer

Dorfstraße 1, 14513 Teltow/Ruhlsdorf

Telefon: 03328/319201

E-Mail: tumlirsch@lbv-brandenburg.de

www.lbv-brandenburg.de

Kontakt pro agro

pro agro e.V.

Kai Rückewold, Geschäftsführer

Gartenstraße 1-3, 14621 Schönwalde/Glien

Telefon: 033230/2077-0

E-Mail: rueckewold@proagro.de

www.proagro.de