Schon von Weitem sieht man ihn, den Dreiseitenhof von Gut Hesterberg, der auf einem Hügel rund sieben Kilometer südlich von Neuruppin thront. Dabei handelt es sich nicht um eines der typischen altehrwürdigen Bauwerke, sondern um eine moderne Anlage, architektonisch stilvoll in die Landschaft integriert. Entstanden ist der Gutshof um die Jahrtausendwende, als die Familie Hesterberg nach Brandenburg zog und sich ganz einem neuen Projekt verschrieb: artgerechte Rinderzucht, nachhaltige Produktion von Fleisch- und Wurstwaren. Und zwar „alles aus einer Hand“, wie Geschäftsführer Jörn-Peer Steinicke (Foto) betont.
Heute stehen rund 800 Galloway-Rinder, darunter 400 Mutterkühe, ganzjährig auf 800 Hektar Weidefläche; hinzugekommen sind mehrere hundert Hühner in Freilandhaltung (mit mobilen Ställen), deren Bestand von Jahr zu Jahr variiert – durch natürlichen Tod oder feindliche Boden- und Luft-Attacken (Füchse, Raubvögel und andere Wildtiere). Regelmäßige Aufstallungen sind deshalb nötig. Der gegenwärtige Bestand von 400 Hühnern liefert 200 bis 250 Eier täglich für den Verkauf. Zur Weihnachtszeit vermarktet das Unternehmen außerdem frische Gänse; sie stammen von einem benachbarten Betrieb, der die Tiere artgerecht züchtet und selbst schlachtet.
Den Löwenanteil des Geschäfts machen allerdings die Rinder aus. Jeden Freitag werden – je nach Saison – zwei bis sechs Tiere vor Ort in Eigenregie geschlachtet, zerlegt und verarbeitet. Durch den Mangel an Schlachthöfen in der Umgebung bietet Gut Hesterberg auch für andere Betriebe Lohnschlachtung und Verarbeitung bis zum verzehrfertigen Produkt an. „Das ist nicht nur gut für die Auslastung, sondern auch gut für’s Geschäft“, sagt Steinicke.
„Wir sind ein komplett regionaler Anbieter von Fleisch- und Wurstwaren“, fährt er fort. Mit der eigenen artgerechten Tierzucht (ganzjährige Weidehaltung der Rinder), mit der Schlachtung und Verarbeitung vor Ort sowie der Vermarktung in Berlin und Brandenburg liegen sämtliche Qualitätsstufen in einer Hand. Damit leistet Gut Hesterberg nicht nur einen maßgeblichen Beitrag zur geschlossenen Wertschöpfungskette im Land, sondern verschafft sich obendrein ein Stück unternehmerischer Handlungsfreiheit: „Wir sind unabhängig von Zulieferern. Das ist eine starke Position im Fleisch verarbeitenden Gewerbe Brandenburgs“, hebt der Geschäftsführer hervor.
Vermarktet werden die in guter alter Handwerkstradition hergestellten Produkte über (fast) alle Kanäle. So wird das umfangreiche Sortiment an Fleisch- und Wurstwaren zum einen über den eigenen Webshop vertrieben, wo sich der Kunde die bestellte Ware entweder in einer der vier unternehmenseigenen Filialen abholen oder durch einen Paketservice direkt an die Haustür liefern lassen kann. Die stationären Hesterberg-Läden wiederum – drei davon in Berlin (Pankow, Adlershof, Steglitz) und einer in Germendorf (Oranienburg) – bieten neben dem gesamten Sortiment in der Frischetheke jeweils einen Imbiss zum direkten Verzehr an.
„Ein Vertriebs-Standbein ist der Lebensmitteleinzelhandel“, erzählt Steinicke weiter. Größter LEH-Kunde ist derzeit die Edeka, mit der seit über zehn Jahren eine sehr gute Partnerschaft besteht. Inzwischen hat sich auch die Rewe-Tür geöffnet. Gemeinsam mit Franziska Rutz, der Lokalitätsbeauftragten Rewe Ost (siehe pro agro-Newsletter 11/2022), ist es Steinicke gelungen, mit dem Hesterberg-Wurstsortiment in den Bedienungstheken von 25 Rewe-Märkten präsent zu sein. Das sei „ein recht guter Flow“, wie er sagt. Aber man habe noch „ein Spektrum von 50 bis 60 Filialen vor der Brust, die die Rewe für uns freigeschaltet hat und die wir jetzt noch als Kunden gewinnen wollen“.
Über die Partnerschaft mit Edeka und Rewe hinaus lautet das Ziel, zusätzlich neue Märkte zu erschließen. Um sich aber nicht zu verheben, muss die Wachstumsstrategie den Liefer- bzw. Schlacht- und Verarbeitungskapazitäten angepasst werden. Deshalb ist geplant, auf Gut Hesterberg etwa 300 qm Produktionsfläche zusätzlich zu schaffen. Dann könnte man darüber nachdenken, den LEH auch mit regionalem Frischfleisch zu beliefern, wenigstens im Rahmen von zeitlich begrenzten Aktionen. „Unsere Kernkompetenz in diesem Absatzkanal ist allerdings die Wurst“, erklärt Steinicke. Deshalb liegt die Überlegung nahe, eventuell in den Bereich SB-Wurst einzusteigen. Da wäre auch das Branding leichter. In Sachen Fleisch ist, anders als der LEH, die Gastronomie ein wichtiger Absatzkanal. Das ist ein Geschäftsfeld, das man noch intensiver beackern will. Doch hier wie für die anderen Vertriebswege gilt die Unternehmens-Devise: Nichts über’s Knie brechen, gesund wachsen, behutsam und kontinuierlich aufbauen.