Markenführung in der Post-Corona-Zeit
Datum: 04. August 2022
Gute Chancen für starke regionale Marken
Zwei Jahre Corona-Pandemie haben Spuren hinterlassen. In fast allen Lebensbereichen wurden Gewohnheiten hinterfragt und Regeln neu definiert. Hinzu kommt die neue Situation durch den Krieg in der Ukraine und viele damit verbundene Ungewissheiten. Konsumenten reflektieren ihre Ansprüche stärker als zuvor und überdenken das eigene Verhalten. Für regionale Marken stehen in der Summe viele Zeichen auf grün, wenn einige Grundregeln der Markenführung angewendet werden.1)
Keine Frage: Corona hat uns ausgebremst. Für Generationen war „Wachstum“ eine Maxime, die Gesellschaft und Wirtschaft geprägt und die meisten von uns angetrieben hat. Die Betrachtung in „vor und nach Corona“ greift jedoch in vielerlei Hinsicht zu kurz. Bereits seit Längerem lässt sich beobachten, dass große Unternehmen nicht mehr automatisch auf Erfolg programmiert sind. Big Player wie Nestlé, Unilever oder Kraft Heinz stoßen heute an eine unsichtbare Decke, gleichzeitig profitieren viele kleinere Unternehmen und wachsen schneller.
Dieses Phänomen ist Teil eines Strukturwandels, der sich global durch Wirtschaft und Gesellschaft zieht. Tatsächlich haben wir bereits lange vor Corona die Schwelle zu einer neuen Ära überschritten, in der Märkte anders als noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts funktionieren, in der Wertschöpfung und Wachstum sich verlagern und Konsumenten anders agieren. Wir nennen diese neue Ära das „3. Zeitalter des Konsums“.
Was ist anders im 3. Zeitalter des Konsums?
Wandel 1: Das Ende von No-Limits. Wir stoßen überall an Kapazitätsgrenzen: ökonomisch, ökologisch, im Hinblick auf Rohstoffe und andere Ressourcen. Fortschritt ist nicht automatisch mit „mehr“ verknüpft, sondern immer öfter damit, intelligent mit „weniger“ auszukommen.
Wandel 2: Divergenz. Statt großer Trends und Leitbilder lässt sich vielerorts beobachten, dass Dinge sich auseinanderentwickeln: ob politisch (Parteienlandschaft, Weltordnung), in der Arbeitswelt (Flexibilisierung), in der Gesellschaft (Diversity) oder in vielen Bereichen mehr.
Wandel 3: Granularität. Wir haben immer mehr Optionen, aus denen wir wählen können und zwischen denen wir uns entscheiden müssen. Angebot und Nachfrage werden kleinteiliger.
Eine interessante Entwicklung lässt sich zum Beispiel seit Jahren auf dem Biermarkt verfolgen: Die Deutschen trinken so wenig Bier wie noch nie. Gleichzeitig wächst die Zahl der Braustätten seit Jahren kontinuierlich. Mikro-Brauereien bedienen mit ihren Craft Bieren immer mehr Nischen und treiben die Spezialisierung voran – mit hochwertigen, individuellen Produkten statt preiswerter Massenware.
Viele dieser grundlegenden Trends wurden durch die Pandemie beschleunigt. Die Unternehmensberater von McKinsey haben in ihrer Studie zum Thema „Neue Konsumenten“ (2021) untersucht, welche Trends den LEH am stärksten verändern werden. Auch hier zeigt sich eine Polarisierung: Neben so genanntem „Downtrading“ (preisgünstige Produkte, Handelsmarken) und einer Ausweitung des Online-Geschäfts werden gleichzeitig Qualitätssteigerungen in der Preiseinstiegsstufe und mehr Fokus auf Nachhaltigkeit erwartet. Deutschland liegt in Europa an der Spitze mit 58 Prozent der Befragten, die künftig bewusster und verantwortungsvoller konsumieren, sprich: sich öfter für gesunde Lebensmittel, regionale, lokale und umweltfreundliche Produkte entscheiden wollen.
Das Zukunftsinstitut kommt in seiner Studie „Die Welt nach Corona“ zu dem Schluss, dass die neue Solidarität, die sich während der Pandemie entwickelt hat, den Handel und Konsum der Zukunft prägen wird. Insgesamt erwarten die Zukunftsforscher ein achtsameres, sozialeres Konsum- und Genussverhalten.
Für regionale Marken und Produkte bedeutet das gute Zukunftsaussichten, denn viele tun bereits heute das, was künftig noch wichtiger wird: Sie sind Familienbetriebe oder Betriebe mit starkem Zusammenhalt, keine anonymen Großunternehmen. Sie haben eine Geschichte hinter ihren Produkten. Sie produzieren in der Region und tragen dadurch eine Verantwortung für die Region. Und sie haben meist einen hohen Anspruch an die Produktqualität, produzieren keine anonyme Massenware, sondern Produkte, auf die sie stolz sein können. Regionale Herkunft ist ein „Brand Asset“, das noch wichtiger werden dürfte.
Trotz dieser guten Voraussetzungen muss jede Marke – ob groß oder klein, ob regional oder international – einige Grundregeln erfolgreicher Markenführung beachten: Sind die Alleinstellungsmerkmale der Marke klar definiert? Welche Leistungsversprechen machen das Angebot einzigartig? Mit welchen Argumenten lassen sich diese am besten untermauern? Neben der inhaltlichen Substanz des Markenversprechens gehören ein stimmiger Markencharakter und prägnante Erkennungsmerkmale, sogenannte Markensignale, zum ganzheitlichen Markenerlebnis.
1)Autor Andreas Ebeling (Foto) fasst die wesentlichen Inhalte seines Referats zusammen, das er auf der pro agro-Online-Veranstaltung am 5. Juli 2022 („Mit einer starken Marke neu durchstarten – Markenführung in der Post-Corona-Zeit“) gehalten hat. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Brandmeyer Markenberatung in Hamburg. Schwerpunkte der Beratungstätigkeit sind Analyse, Markenpositionierung, Markenarchitektur, Implementierung von Markenstrategien sowie die Begleitung von Designprozessen.