pro agro-Stammtisch der Ernährungswirtschaft
Datum: 31. März 2022
Das von pro agro initiierte Branchentreffen der Ernährungswirtschaft am 17.03.2022 im Spargelhof Klaistow stand unter dem Generalthema „Kooperationen und Vermarktungsaktivitäten mit dem Handel in der Hauptstadtregion – Rewe Ost.“ Ferner ging es um eine Analyse des Status quo und der künftigen Performance des Lebensmittelhandels in Brandenburg. Die knapp 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten einen Einblick in die wirtschaftliche Power des Händlers und in die Verbrauchertrends.
Jan Schleicher vertritt die größte Region der REWE Markt GmbH, nämlich die Zweigniederlassung Ost, die sich über das gesamte Gebiet der ehemaligen DDR erstreckt. Als Leiter Category Management ist er demnach zuständig für das Sortiment der Supermärkte in sechs Bundesländern (einschließlich Berlin). Das bedeutet ein ordentliches Stück Verantwortung und Arbeit, nicht nur wegen der ausgedehnten Fläche, sondern auch wegen der 750 Outlets (inkl. Nahkauf) und der rund 24.000 Beschäftigten, die hier arbeiten.
Die Region steht für insgesamt 5,6 Milliarden Euro Umsatz (2021), der zwar über die Jahre mit weniger Kunden erzielt wird, deren steigende Durchschnittsbons den Gesamterlös allerdings mehr als wettgemacht haben. Und das trotz niedriger Kaufkraft, die zum Teil deutlich unter dem bundesweiten Schnitt liegt. „Da außerdem die Arbeitslosenquote in unserer Region recht hoch ist, sind unsere Kunden besonders preissensibel“, fügt Schleicher hinzu. Dass REWE trotzdem gutes Geschäft macht, führt er u.a. auf spezielle Angebote wie den Abholservice sowie auf die kontinuierlich steigenden Umsätze der Eigenmarke „REWE Regional“ zurück (2021: fast 54 Millionen Euro).
Die Lokalitätsbeauftragte der REWE Ost für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, Franziska Fechner-Rutz, stellte anschließend „Die REWE Lokal-Partnerschaft“ vor, die für die nachhaltige und faire Zusammenarbeit mit lokalen Lieferanten und Erzeugern steht. Bei diesem Konzept gehe es unter anderem darum, den Erhalt kleinbäuerlicher, familiengeführter Strukturen zu unterstützen.
„Wir erarbeiten mit jedem Lieferanten eine individuelle Strategie für eine gemeinschaftliche Vermarktung der Produkte“, erläuterte sie. Überdies habe man für lokale Lieferanten einen vereinfachten Prozess zur Listung von Produkten eingeführt. Die Basics sind dabei: EAN Code, Zertifizierungen, Produkthaftpflichtversicherung, Verpackung/Etikett, Preisfindung und Abrechnung sowie Lieferung über Strecke (nicht Lager).
Über diese grundlegenden Informationen hinaus warf Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, einen Blick auf die generellen Handelstrends. Allein die durch die Pandemie verursachten und die Ukraine-Krise verschärften Verwerfungen im Einzelhandel insgesamt habe die Lage völlig verändert, so der Verbandsmanager. Kritik übte er vor allem an dem eklatanten Mangel an Krisenmanagement: „Wir haben uns schon im ersten Jahr geleistet, durch den Nebel zu fahren“, sagte er und schob die Warnung nach: „Wir müssen aufpassen, dass uns das im dritten Jahr nicht mürbe macht.“
Seine Prognose lautete, dass sich nicht nur die Innenstädte verändern werden; gleichzeitig werde es „eine irreversible Verschiebung“ von stationären zu Online-Handelsformaten geben. Das gelte im Übrigen auch für den Lebensmittelhandel, wo das Online-Geschäft immer stabiler werde. Dieser Trend zur Digitalisierung macht seiner Auffassung nach nicht Halt vor der Kundenwerbung – sprich: Die traditionellen Handzettel sind ein Auslaufmodell, was durchaus ein ökologischer Vorteil sein kann., wie er sagte.
Mit Blick auf die Verbraucher erwartet Busch-Petersen eine stärkere Genussorientierung und eine weiter wachsende Zuwendung zu bio und regional sowie vegetarisch und vegan, begleitet von zunehmenden Forderungen nach mehr Tierwohl. Einen limitierenden Faktor sieht er hier allenfalls in der Preisentwicklung. Die Zukunftsschancen des LEH schätzt er derzeit höher als die des Nonfood-Handels ein. Generell empfiehlt er der Branche, „weiter nach Wegen zu suchen, um die regionale Wertschöpfung zu erhöhen“.